- Fachanwalt (Deutschland)
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Die Bezeichnung Fachanwalt ist in Deutschland ein einem Rechtsanwalt verliehener Titel, der dem Nachweis dienen soll, auf einem bestimmten Rechtsgebiet über besondere Kenntnisse und Erfahrungen zu verfügen (§ 43c BRAO). Die Voraussetzungen zum Erwerb und Führen des Fachanwaltstitels sind in der Bundesrepublik Deutschland geregelt in der Fachanwaltsordnung (FAO).
Es gibt derzeit 20 verschiedene Fachanwaltschaften. Nach der Statistik der Bundesrechtsanwaltskammer (BRAK) waren in Deutschland insgesamt 41.569 Fachanwälte zugelassen (Stand: 1. Januar 2011)[1], das sind ca. 26,7% aller in Deutschland zugelassenen Rechtsanwälte.
Nach einer vom Soldan Institut vorgestellten Studie spielt die Spezialisierung durch Fachanwälte für 80 Prozent der befragten Mandanten bei der Anwaltssuche eine große Rolle. Eine andere Studie des Instituts zeigt, dass Fachanwälte im Durchschnitt um vierzehn Euro höhere Stundensätze berechnen als Kollegen ohne Fachanwaltstitel.
Inhaltsverzeichnis
Fachanwaltsbezeichnung
Die Berechtigung zum Führen der Fachanwaltsbezeichnung wird von der zuständigen Rechtsanwaltskammer nach Maßgabe der Fachanwaltsordnung (FAO) verliehen. Hierzu haben die jeweiligen Rechtsanwaltskammern sogenannte Fachausschüsse gebildet, die mit Rechtsanwälten besetzt sind. Diese prüfen die Anträge auf Erlaubnis zum Führen einer Fachanwaltsbezeichnung und geben ein Votum gegenüber dem Vorstand der jeweiligen Rechtsanwaltskammer zur Entscheidung über den Antrag ab.
Ein Rechtsanwalt darf bis zu drei Fachanwaltsbezeichnungen führen. Zu deren Erwerb muss er innerhalb der letzten sechs Jahre vor Antragstellung mindestens drei Jahre als Rechtsanwalt zugelassen sein und nachweisen, auf dem betreffenden Rechtsgebiet über besondere theoretische Kenntnisse und praktische Erfahrungen zu verfügen. Als Nachweis der besonderen theoretischen Kenntnisse werden in der Regel die Teilnahme an einem 120 Stunden umfassenden Kurs, drei bestandene Leistungskontrollen (mit in der Regel fünfstündigen Klausuren) gefordert. Von einem zusätzlich notwendigen „Fachgespräch“ (mündliche Prüfung) kann abgesehen werden, wenn dies nach dem Gesamteindruck des Fachanwaltsausschusses nicht notwendig erscheint. Zum Nachweis der praktischen Erfahrungen ist eine bestimmte Anzahl von bearbeiteten Fällen aus dem jeweiligen Fachgebiet nötig. Die Spanne reicht von 50 Fällen im Steuerrecht oder Informationstechnologierecht bis hin zu 160 Fällen im Verkehrsrecht.
Ab dem Jahr des Besuches des Fachanwaltskurses muss sich der Rechtsanwalt jährlich auf dem Gebiet der Fachanwaltsbezeichnung fortbilden, indem er mindestens 10 Seminarstunden hörend oder dozierend ableistet oder eine wissenschaftliche Publikation auf dem entsprechenden Fachgebiet veröffentlichen. Die auf den Besuch des Fachanwaltskurses entfallenden Stunden werden auf die Fortbildungsverpflichtung angerechnet.
Rechtsgebiete
Gegenwärtig gibt es Fachanwaltsbezeichnungen für die folgenden Rechtsgebiete:
- Agrarrecht, § 14m FAO
- Arbeitsrecht, § 10 FAO
- Bank- und Kapitalmarktrecht, § 14l FAO
- Bau- und Architektenrecht, § 14e FAO
- Erbrecht, § 14f FAO
- Familienrecht, § 12 FAO
- Gewerblicher Rechtsschutz, § 14h FAO
- Handels- und Gesellschaftsrecht, § 14i FAO
- Informationstechnologierecht, § 14k FAO
- Insolvenzrecht, § 14 FAO
- Medizinrecht, § 14b FAO
- Miet- und Wohnungseigentumsrecht, § 14c FAO
- Sozialrecht, § 11 FAO
- Steuerrecht, § 9 FAO
- Strafrecht, § 13 FAO
- Transport- und Speditionsrecht, § 14g FAO
- Urheber- und Medienrecht, § 14j FAO
- Verkehrsrecht, § 14d FAO
- Versicherungsrecht, § 14a FAO
- Verwaltungsrecht, § 8 FAO.
Im Rahmen der Satzungsversammlung der Bundesrechtsanwaltskammer am 11. Juni 2007 wurde beschlossen, den Bundestag zu einer Verschärfung des § 43c BRAO aufzufordern. Zur Diskussion steht, den Rechtsanwaltskammern ein Recht zur inhaltlichen Prüfung einzuräumen. Das Bundesjustizministerium hat sich zu diesen Plänen allerdings zurückhaltend geäußert.
Die 4. Satzungsversammlung der Anwaltschaft hat am 25. Juni 2010 beschlossen, das Bundesjustizministerium zur Einleitung eines Gesetzgebungsverfahrens aufzufordern, nämlich in der Bundesrechtsanwaltsordnung (BRAO) eine Ermächtigungsgrundlage für die Anwaltschaft zu schaffen, die Fachanwaltsordnung zu ändern. Es wird mit der Änderung der Fachanwaltsordnung die bundesweite Vereinheitlichung des Nachweises der besonderen theoretischen Kenntnisse durch ein Klausurensystem gefordert, bei dem die Klausuren bundeseinheitlich durch Aufgabenkommissionen erstellt und bewertet werden.
Einzelnachweise
Literatur
- Dr. Wolfgang Hartung/Dr. Volker Römermann, Berufs- und Fachanwaltsordnung, Kommentar, Verlag C.H. Beck, 4. Auflage 2008.
- Kleine-Cosack, Michael, BRAO mit BORA und FAO. Kommentar, 6.Auflage, München 2009, Verlag C.H. Beck, ISBN 978-3-406-59049-8
- Offermann-Burckart, Susanne, Fachanwalt werden und bleiben, Verlag Dr. Otto Schmidt, Köln, 2. Auflage 2007; 3. Auflage in Kürze
Weblinks
- Anwaltliche Berufsregeln -u.a. FAO- auf der Internet-Seite der Bundesrechtsanwaltskammer (BRAK)
- Beschlüsse der Satzungsversammlung vom 7. November 2005 (amtliche Fassung) (PDF-Datei; 68 kB)
- Beschlüsse der Satzungsversammlung vom 3. April 2006 (amtliche Fassung) (PDF-Datei; 28 kB)
- Pressemitteilung der BRAK zur Einführung der Fachanwaltschaft für Bank- und Kapitalmarktrecht
- Pressemitteilung der BRAK zur Einführung der Fachanwaltschaft für Agrarrecht
- Informationen zum Fachanwalt in der Schweiz
- Schweizerischer Anwaltsverband - SAV
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