- Lackminiaturen aus Fedoskino
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Die Lackminiaturen aus Fedoskino (russisch Федоскинская миниатюра, transkribiert Fedoskinskaja miniatjura) sind traditionelle russische Lack-Miniaturmalereien mit Ölfarben auf schwarzen Lackschatullen aus Pappmaché. Die Miniaturen sind im typischen Stil der russischen Volkskunst gemalt. Die virtuose Beherrschung der Maltechnik wurde von Generation zu Generation weitergegeben und immer weiter verfeinert. Die Lackdosen und Lackschachteln wandelten sich mit zunehmender Kunstfertigkeit vom Gebrauchsgegenstand zum Kunstobjekt.
Die Fedoskino Miniaturen sind nach ihrem ursprünglichen Herkunftsort Fedoskino (Федоскино) benannt, einem alten Dorf nördlich von Moskau, im Rajon Mytischtschi, in der Oblast Moskau. Fedoskino liegt am Fluss Utscha (Уча) 27 km nördlich des Moskauer Autobahnrings, an der Dmitrower Chaussee (russ. Дмитровское шоссе).
Einer der führenden Betriebe zur Herstellung von Lackmalereien in Russland wurde Ende des 18. Jahrhunderts der Betrieb von Korobow/Lukutin in Fedoskino. Die Fedoskino-Miniaturen sind in Russland seit dem Ende des 18. Jahrhunderts weit bekannt geworden. Diese Stücke wurden nicht nur in Russland, sondern auch in Europa populär. Fedoskino wurde ein bedeutendes Zentrum der russischen Miniaturmalerei. Die anderen drei, nicht ganz so bedeutenden, Zentren der russischen Lackminiaturen waren und sind: Palech (Lackminiaturen aus Palech), Mstjora (Lackminiaturen aus Mstjora) und Holui (Lackminiaturen aus Cholui). Sie liegen ebenfalls unweit von Moskau, im Norden.
Inhaltsverzeichnis
Herstellung und Bildmotive
Die Herstellung einer Arbeit dauert ungefähr vier bis sechs Monaten: drei Monate für die Pappmaché-Schachtel. Die Pappmaché-Rohlinge werden in heißem Leinöl getränkt und Trocknen anschließend einem Monat bei Zimmertemperatur und einem Monat im Trockenofen. Aus Ton, Öl und Ruß erfolgt dann die Grundierung, bevor ein schwarzer Firnis aufgebracht wird. Danach dauert das eigentliche Malen des Miniaturgemäldes auf das Helbfabrikat zwei weitere Monate und für das abschließende Lackieren und Beschleifen vergeht ein weiterer Monat. An aufwändigen Motiven wird jedoch bis zu einem Jahr gemalt.
Es gibt ein sehr vielfältiges Sortiment an großen und kleinen Schachteln, Kästchen, Schatullen und Dosen verschiedener Größe und Form, sowie andere Gegenständen, die mit Lackminiaturen verziert wurden: Schmuckschatullen, Puderdosen, Tabakdosen, Deckel für Alben, Teedosen, Geldbörsen, Brillenschachteln, Ostereier, Spielkarten-Schatulle, Schachteln für Streichhölzer, Schokoladenschachteln, Fingehüte.
Besonderheiten der Lackminiaturen von Fedoskino
Typisch für die Originaltechnik der Fedoskino-Lackminiaturen ist eine "Durchscheinmalerei". Vor dem Malen wird auf der Oberfläche ein lichtreflektierendes Material aufgetragen: die Bilder sind meist mit Blattgold oder goldig schimmernder Silberbronze unterlegt. Manche Bilder sind auch mit Perlmutt hinterlegt (Perlmutteinlegearbeiten), auf dem dann gemalt wird und oft noch mit Gold verziert wird. Für die Perlmutteinlagen wird vorher eine entsprechende Vertiefung ausgeschliffen. Auch Metallpulver (Aluminiumpulver oder Bronzepulver), Zinnsulfid, Metallblättchen aus Kupfer, Zink, Aluminium oder Messingfolie (Rauschgold) können als Untergrund dienen. Durch das Hinterlegen der Bilder mit einem lichtreflektierenden Untergrund wird ein schimmernder Glanz oder ein silbriges Funkeln erzielt. Der metallische Untergrund scheint kaum wahrnehmbar durch die danach aufgetragenen transparenten Farben teilweise durch und geben dem Bild einen besonderen Tiefeneffekt.
Die Miniaturen wurden in Ölfarben (Temperafarben, durchsichtigen Lackfarben) ausgeführt, die in drei bis vier Schichten aufgetragen werden. Typische für den Stil der Fedoskino-Miniaturen sind leuchtende und grelle Farben, die feinen Farbabstufungen, fließende Übergänge zwischen den verschiedenen Farben, sowie die genaue und realistische Maltechnik. Nachdem der Entwurf der Komposition aufgemalt wurde (eine Skizze der Silhouetteen), folgte eine detaillierte Ausarbeitung und abschließend wird den Objekten mit hellen Farben ihr Lichtglanz verliehen.
Ansonsten sind die Pappmaché-Schachteln meist schwarz lackiert. Der Kontrast der Bildfarben wird durch den glänzenden schwarzen Lackhintergrund noch verstärkt. Viel Schachteln sind jedoch sowohl außen, als auch innen bemalt, um Schildkrötenpanzer, Birkenrinde, Mahagoniholz, Elfenbein, Malachit oder Tartan zu imitieren. Meist sind die Innenseiten der Deckel zinnoberrot lackiert und tragen einen Fabrigkstempel: eine golden Troika mit der Aufschrift "Fedoskino". Alle Stücke aus der Fabrik Fedoskino sind nummeriert.
Außer mit Miniaturmalereien werden die Schachteln noch mit Filigranarbeiten verziert, mit entsprechend geformten Miniaturstücken aus Folien, die in den Lack eingelegt werden.
Bildmotive
Die zur damaligen Zeit beliebten Motive, wurden auch zu häufigen Motiven auf den Lackminiaturen aus Fedoskino: Troika, Teetrinkerszenen ("Am Samowar"), Szenen aus dem russischen und weißrussischen Bauernleben.
Die Lackminiaturen aus Fedoskino zeigen die verschiedensten Motive:
- Alltagsszenen, besonders bäuerliche Szenen und Szenen aus dem Alltag der Kaufleute des 19. Jahrhunderts
- Märchenepisoden aus russischen Volksmärchen (z. B. Ruslan und Ljudmila, Die Froschprinzessin)
- Episoden Volksliedern und Erzählungen, z. B. Motive aus Verserzählung von Alexander Puschkin
- Volksfeste und Volkssitten, Jahrmärkte
- Bauernmädchen
- russische Volksgeschichten und Helden des alten Russland
- Väterchen Frost
- Kopien berühmter Bilder und anderer Kunstwerke russischer und westeuropäischer Künstler
- Winterlandschaften und Wintermotive, z. B. Troika-Fahrten (Als Prototyp für das Motiv der Troika wurde eine Zeichnung von Aleksander Orłowski (russ. Александр Осипович Орловский; * 1777 in Warschau; † 1832 in St. Petersburg) genommen.)
- die Natur in der Moskauer Umgebung
- Jagdszenen
- Tiere und Phantasiegestalten
- russische Architekturdenkmäler (z. B. Moskauer Kreml)
- Städteansichten (z. B. Susdal)
- politische Miniaturplakate
Die Malkunst von Fedoskino ist auch durch die Komposition der Motive geprägt. Am meisten wurden Motive geschätzte, die mit komplizierten Kompositionen verziert waren, die viele Personen darstellen.
Die Lukutin-Miniaturbilder (zum Besitzer Lukutin siehe unten) auf Produkten aus Pappmaché unterschieden sich von den europäischen Miniaturbildern besonders durch die stark russisch-national geprägte Motivwahl und die besonderen Maltechnik. Die Kunst der Miniaturmaler war einerseits von der russischen Malerei des 18. und 19. Jahrhunderts beeinflusst und andererseits von den Künstlern, die Lackwaren herstellten, engen Kontakt zum russischen Volk hatten und sich deren grellen dekorative Elementen der künstlerischen Volkstradition aneigneten. In die Lackminiaturen flossen Elemente der Tafelbild-Malerei, des Lubok (russische Volksbilderbogen) und er Ikonenmalerei mit ein, ebenso die Tradition der Miniatur-Porträt und der Miniatur-Landschaftsmalerei.
Heutzutage werden hauptsächlich historische Szenen aus dem Alltagsleben des russischen Volkes, Märchen und historische Ereignisse in der Miniaturmalerei aus Fedoskino dargestellt.
Geschichte
Die russische Lackminiaturmalerei hat eine jahrhundertealte Tradition und hat ihre Ursprünge in der filigranen Ikonenmalerei.
Korobow
Der alteingesessene Moskauer Kaufmann Pjotr Iwanowitsch Korobow (Пётр Иванович Коробов; †1819) gründete 1795 in der Nähe von Moskau im Dorf Danilkowo (Данилково) den ersten kleinen Betrieb für die Herstellung von Lackwaren aus Pappmaché. Danilkowo ist heute ein Teil des Dorfes Fedoskino integriert. Ursprünglich begonnen hatte es damit, das Korobow in Danilkowo Land erwarb, um mit der Fabrikation von lackierten Mützenschirmen für Schildmützen (Tschako) und Helmen für die russische Armee Geld zu verdienen. Da es damals noch keinen Kunststoff gab, wurden die Mützenschirme aus lackierter Pappmaché hergestellt.
Einige Jahre später, während einer Reise durch Europa interessierte sich Korobow für die Stobwassersche-Lackwarenmanufaktur in Braunschweig, die damals von Johann Heinrich Stobwasser (1740-1829) geleitet wurde. Korobow konnte bei Stobwasser die erforderlichen Lacke und Farben erwerben. Er lernte dort die Herstellung des deutschen Lackes kennen, wurde in die Geheimnisse der Lackmalerei eingeweiht und übernahm von dort auch die Technologie zur Produktion der Schachteln aus Pappmaché. Korobow lud einige Meister der Fabrik nach Russland ein, um seine Meister und Arbeiter, hauptsächlich angestellte Bauern der Umgebung, anzulernen.
Außer den lackieren Mützenschirmen wurden in seiner in der Fabrik in Fedoskino nun auch runde "Korobski"-Tabkdosen hergestellt. Nach einer Militärreform, die eine Änderung der Uniform beim russischen Militär mit sich brachte, fanden seine Mützen keinen Absatz mehr und Korobow stellte die Produktion ganz auf Tabakdosen um. Korobos kleiner Betrieb war eine Manufaktur - mehr eine große Werkstatt, als eine Fabrik. Solche Betriebe für Pappmaché-Tabakdosen gab es zu dieser Zeit bereits zahlreich in Russland, denn mit dem Schnupftabak waren auch Schnupftabakdöschen (Lack-Tabackdosen aus Pappmaché) modern geworden. Das Tabakschnupfen kam zu jener Zeit stark in Mode, nicht nur bei Adligen, sondern auch beim einfachen Volk. Männer und Frauen - alle schnupften Tabak. Damit kamen auch die Tabakdosen in Mode, sie waren aus Gold, Silber, Porzellan oder auch aus Pappmasché. In der Region Moskau war Korobows Betrieb jedoch der erste dieser Arte, der Pappmasché-Tabakdosen herstellte. Russische Bauchern erlernten unter Anleitung deutscher Meister in Fedoskino die Herstellung von Pappmaché.
Die ersten Tabakdosen von Korobow waren nicht bemalt, sondern mit Gravuren beklebt, die überlackiert wurden. Da es noch keine Künstler in der Fabrik gar, wurden die ersten Lackdosen nur mit Bildern beklebt. Mitgebrachte runde Tabakdosen aus Braunschweig, die mit Miniaturgemälden bemalt waren, dienten Korobow als Muster. Erst 1814 gab es Künstler in der Fabrik - gleich nach Napoleons Russlandfeldzug.
Diese Tabakdosen waren rund und schwarz lackiert. Anfangs wurden die Deckel dieser Dosen wurden lediglich mit Miniatur-Gravuren beklebt und mit Lack überzogen. Esrst in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts wurden dann Tabakdosen, kleine Schatullen und andere Gegenstände mit Miniaturmalereien verziert, die im klassischen Malstil in Ölfarbe ausgeführt waren.
Lukutin
1816 übergab Korobow die Fabrik seinem Schwiegerohn Pjotr Wassiljewitsch Lukutin (Пётр Васильевич Лукутин, * 1784; † 1863). Nach Korobows Tod († 1819) befand sich seine Fabrik für kurze Zeit - 1818 bis 1824 - im Besitz seiner Tochter J. P. Korobowa(Екатерина Коробова). Mit der Übernahme durch Pjotr Lukutin begann ein völlig neuer Abschnitt in der Geschichte des Betriebes. Es wurden danach die verschiedensten Formen und Größen von Tabakdosen hergestellt und auch ganz andere Schachteln: für Zigarren, Zigaretten und Streichhölzer, kleine Schachtische und Puderdosen. Er siedelte die Manufaktur auf der anderen Seite des Flusses Utscha an, im Dorf Fedoskino, wo er ein neues Gebäude baute und neue Künstler einstellt.
Pjotr Lukutin entstammte einer Moskauer Kaufmannsfamilie. Die Fabrik blieb bis zur Schließung 1904 im Besitz der Familie Lukutin. Pjotr Lukutin änderte die Formen und Motive der Lackminiaturen, wobei er sich am Geschmack der russischen Verbraucher orientierte. Nachdem Pjotr Lukutin die Miniaturen nicht mehr im Salonstil, sondern im volkstümlichen Stil malen ließ, wurde er 1828 Hoflieferant des Russischen Zaren. Damit waren hohe Qualitätsanforderungen verbunden und ihm wurde das Recht verliehen, die Lackdosen aus seiner Produktion mit dem russischen Staatswappen, dem Doppeladler, zu versehen.
Die Blütezeit der Lackminiaturen aus Fedoskino fiel in die zweite Hälfte des 19. Jahrhunderts, als die Fabrik von Aleksandr Petrowitsch Lukutin (Александр Петрович Лукутин, *1819; †1888), dem Sohn von Pjotr W. Lukutin, geleitet wurde. Damals erreichten die Produkte europäisches Niveau und seine Fabrik war in Russland so bekannt, dass man Pappmaché-Produkte aus der Moskauer Region als Lukinski bezeichnete. Die Lackminiaturen erlangten Anerkennung und breite Bekanntheit. Aleksandr Lukutin entwarf eigenen Skizzen für die Schatullen und wählte die Bilder und Gravuren, die als Vorage für die Miniaturbilder dienten aus.
Einerseits wurde billig für den Massenmark produziert, andererseits wurden aber auch Auftragsarbeiten für wohlhabende Kaufleute und Aristokraten angefertigt. Diese kunstvollen Auftragarbeiten begründeten den Ruf von Lukutins Lackminiaturen.
Die Künstler waren in der der Fabrik angestellt. Viele hatten in Ikonenmalerwerkstätten von Sergijew Possad (eine Stadt nördlich von Moskau, in der Nähe von Fedoskino) und Moskau gearbeitet. Einige der Miniaturenmaler hatten eine künstlerische Ausbildung, die sie in der Stroganow-Kunstschule in Moskau erworben hatten.
Die 1825 gegründete Moskauer Stroganow-Kunstschule (engl: Stroganov Moscow State University of Arts and Industry) wurde 1945 in Moskauer zentrale Kunst-Industrieschule (russ. Московское центральное художественно-промышленное училище - МЦХПУ) umbenannt.
Nikolai Aleksandrowitsch Lukutin (Николай Александрович Лукутин, * 1852; † 1902) war der letzte Lukutin, dem die Fabrik in Fedoskino gehörte, er war der Sohn von Aleksandr Lukutin und Enkel von Pjotr Lukutin. Nikolai Lukutin eröffnete einen Laden zum Verkauf der Lackminiaturen in Fedoskino. Er heiratete eine sehr reich Braut und wurde war ein bekannter Moskauer Industrieller, Sammler und Mäzen. Da er nicht auf die Einnahmen aus dem Betrieb in Fedoskino angewiesen war, betrieb die Produktion in Fedoskino nur noch nebenbei zum Zeitvertreib, obwohl sie ihm keinen Gewinn brachte. Nikolai Lukutin hatte 1893 ein neues Gutsherrenhaus in Fedoskino bauen lassen, in dem er auch die Malerwerkstätten unterbringen ließ.
Nachdem Nikolai Lukutin 1902 starb, schlossen die Erben 1904 den Betrieb. Sein Tochter verkaufte die einmalige Sammlung der Lackminiaturen aus Fedoskino ins Ausland. Ein Teil der Meister arbeitete danach in der Werkstatt von W. O. Wischnjakow (В. О. Вишняков) (siehe unten), der eine relativ große Werkstatt im Dorf Ostaschkino hatte, einige zig Kilometer von Fedoskina entfernt. In dessen Werkstatt wurden Metalltabletts mit Malereien verziert.
Artel
Im Mai 1910 gründeten zehn ehemalige Miniaturmaler eine Genossenschaft (Artel) - den Arbeits-Artel der ehemaligen Meister der Fabrik Lukutin in Fedoskino (Федоскинская трудовая артель бывших мастеров фабрики Лукутина). Die Finanzhilfe dazu kam von der lokalen Verwaltung des Gouvernements (Semstwo) und von St. Morosow (Ст. Морозов), einem Förderer der Handwerkskunst.
1912 arbeiteten 14 Meister mit neun Schülern im Artel. Das Sortiment umfasste 160 verschiedene Waren. Die Qualität stand nicht hinter den berühmten Miniaturen aus der Lukutin-Werkstatt zurück und übertraf die Qualität ähnlicher Miniaturen aus der Wyschnjakow-Werkstatt bei weitem.
Schon 1913 erhielten die Erzeugnisse des Artels eine kleine Goldmedailler auf der Allrussischen der Landwirtschafts- und Industrie-Ausstellung in Kiew. Eine Zeit lang wurde eine Abbildung dieser Medaillen auch auf die Rückseite der Waren gestempelt.
Die Revolutionsjahre 1917 und die Jahre des russischen Bürgerkrieges waren die schwersten in diesem Handwerk. In den ersten Jahren nach der Oktoberrevolution und der einsetzenden Unterdrückung und Verdrängung der Religion in Russland, hatte das Artel große Probleme, da die Nachfrage stark nachließ und die neuen Machthaber eine negative Einstellung zu den Motiven auf den Lackminiaturen hatten. Die Meister wurden übermäßig stark besteuert und mehrmals wurde von staatlicher Seite versucht die Werkstatt zu schließen. Auch die Ikonenmaler hatten in den ersten nachrevolutionären Jahren große Probleme, da es keinen Bedarf mehr an Ikonen gab. Um ihren Broterwerb zu sichern mussten viel Ikonenmaler in der Sowjetunion in den 1930er Jahren ihr Kunsthandwerk neu ausrichten. Sie wandten sich der Lackmalerei mit volkstümlichen Motiven zu, behielt aber die Malweise der Ikonenmalerei bei. Das führte zum Aufschwung der Lackmalerei auf Pappmaché-Schatullen.
Der Wendepunkt in der offiziellen Einstellung zu den Fedoskino-Lackminiaturen kam 1923, als den Erzeugnissen der Werkstatt auf der Allrussischen Ausstellung für Landwirtschaft und Handwerk (russ. Всероссийская сельскохозяйственная и кустарно-промышленная выставка) in Moskau ein Diplom 1. Grades verliehen wurde. Diese ersten Auszeichnungen nach der Revolution 1917 förderten das Ansehen der Miniaturmaler. Die Produktion wurde allmählich erweitert, die Nachfrage nach Miniaturen aus Fedoskino stieg, sie wurden auch im Ausland verkauft. Erwähnenswert ist ein Diplom der Pariser Weltausstellung 1925 und der Mailänder Ausstellung 1927. Das Handwerk überlebt und erholte sich Ende der 1920er Jahre wieder. Zu dieser Zeit wurde eine Gruppe der talentiertesten Künstler aus der Werkstatt von Wischnjakow (siehe unten) in das Artel integriert. A. W. Bakuschinski (А. В. Бакушинский) und W. M. Wassilenko (В. М. Василенко), zwei bekannt Kunstwissenschaftler, unterstützten die Werkstatt in den 1930 Jahren durch ihre kreative Hilfe.
Anfang der 1940er Jahre wurde das Artel zur Fabrik, die Kunst am Fließband produzerte. Im Zweiten Weltkrieg wurden auf Stalins Weisung hin die Künstler aus der Fabrik in Fedoskino nicht zum Kriegsdienst eingezogen. Eine weitere Anordnung Stalins führte dazu, dass alle ehemaligen Künstler aus Fedoskino, die nun an anderen Orten arbeiteten, weiter in Fedoskino angesiedelt wurden.
1931 wurde in Fedoskino eine Berufsschule für Miniaturmalerei gegründet, um dieses Handwerk zu fördern. Die Schule wurde von 1931 bis 1982 von Michail Andreewitsch Bokow (Михаил Андреевич Боков) geleitet. Durch den Zweiten Weltkrieg kamen viele der Miniaturmaler um.
Die Miniaturmaler in Fedoskino kopierten von 1930 bis 1950 hauptsächlich Tafelbild. Um das Sortiment zu erweitern, wurde 1945 zusätzlich eine Experimentierwerkstatt gegründet, dessen wissenschaftlich und künstlerische Leitung dem Wissenschaftlichen Forschungsinstitut für Kunstindustrie (russ. НИИ художественной промышленности) unterstand. Alte, aufgegebenen Arten der Verzierung und die Malerei auf Perlmutt wurden wieder in das Programm aufgenommen.
Gegenwart
Erst Ende der 1950er Jahre traten einzelne individuelle Miniaturmaler hervor. Anerkannte Miniaturmaler, die großen Beitrag zur Entwicklung der Fedoskino-Miniaturen leisteten, waren unter anderem: S. I. Borodkin (С. И. Бородкин), D. A. Krylow (Д. А. Крылов), G. I. Larischew (Г.И. Ларишев), W. D. Lipizk (В.Д. Липицк), M. G. Paschinin (М.Г. Пашинин), P. N. Putschkow (П. Н. Пучков), S. P. Rogatorw (С. П. Рогатов), A. A. Schawrin (А. А. Шаврин), I. I. Starachow (И.И. Страхов), A. W. Tichomirow (А. В. Тихомиров) und M. S. Tschischow (М.С. Чижов).
In den 1960 Jahren wurde das Artel in die Fedoskino-Fabrik für Miniaturmalerei (russ. Федоскинская фабриа миниатюрной живописи) umgewandelt. 1931 wurde eine dem Artel angegliederte Handwerksschule (russ. профессионально-техническая школа миниатюрной живописи) gegründet, die heute Fedoskino-Schule für Miniaturmalerei (russ. Федоскинская школа миниатюрной живописи) heißt.
1950 bis 1980 bildete die Schule Spezialisten für Lackminiaturen, Finift aus Rostow (russ. Ростовская финифть; künstlerische Emaillearbeiten) und für Malerei auf Metall aus Schostow (russ. Жостовская роспись) aus. Die Schüler lernen dort ab der 9. Klasse vier Jahre lang ihren Beruf.
In den 1970er Jahren wurde für die Fabrik in Fedoskino ein neues siebenstöckiges Gebäude gebaut und ein Trakt für die Schule
Gegenwärtig (2009) ist die Fabrik in Staatsbesitz. Ungefähr 100 Künstler arbeiten für die Fabrik, meist freischaffend für Auftragsarbeiten und setzten die Tradition der Fedoskino-Miniaturen fort. Die wirtschaftliche Lage der Fabrik ist jedoch seit Jahren angespannt, unter anderem, weil die zu Sowjetzeit üblichen großen staatlichen Aufträge anlässlich der häufigen offiziellen Jubiläen wegfielen. Im Winter 2004/2005 wurden die Arbeiter und Künmstler für vier Monate nach Hause geschickt. Die Produktion betrug 2003 bis 2005 2500 bis 300 Stück. 2006 wurden 6000 Stück hergestellt. Zu Lukutins Zeiten stellt die Fabrik insgesamt 20.000 Stück her und während der Sowjetzeit in den 1970er und 1980er Jahren 120.000 Stück.
Dem Betrieb angegliedert ist ein Museum mit 2000 Exponate, das älteste ist 150 Jahre als. Das Museum hat monatlich 1500 Besucher.
Die Lackminiaturen aus Palech sind heute die größte Konkurrenz für die Erzeugnisse aus Fedoskino.
Wischnjakow (Konkurrent von Lukutin)
Ende des 18. Jahrhunderts, Anfang des 19. Jahrhunderts entstanden im Gouvernement Moskau und im Gouvernement Sankt Petersburg zahlreiche Werkstätten, in den lackierte Schnupftabakdöschen aus Pappmaché hergestellt wurden. Später wurden in den benachbarten Dörfern von anderen Unternehmern ähnlich Malwerkstätten gegründet.
Die Familie Wischnjakow unterhielten ebenfalls Werkstätten für Lackminiaturen in der nördlichen Umgebung von Moskau. Sie entstammten einer Familie von leibeigenen Bauern des Grafen Scheremetew und hatten mehrere Werkstätten in der Moskauer Gegend. Die Brüder hießen Taras, Egor und Filipp.
Die erste Werkstatt eröffnete Filipp Nikitisch Wischnjakow (Филипп Никитич Вишняков) 1780 im Dorf Schostowo (Жостово), die dann nach Moskau verlegt wurde. Er hatte eine Zeit lang in der Werkstatt in Fedoskino gearbeitet und sich dort die Maltechnik und die Technologie angeschaut, bevor er seine eigenen Werkstatt eröffnet hatte. Nachdem Filipp Wischnjakow genügend Kapital angesammelt hatte, handelte er seine Waren selber in Moskau und zog dann auch nach Moskau um, an den Zwetnoj Bulwar (Цветной бульвар/Blumenboulevard). Seine Fabrik existierte bis 1840.
In Moskau eröffnete er eine neue Werkstatt, während die Werkstatt im Dorf Schostowo sein Bruder Tars Wischnjakow weiterführte, bis der Sohn Ossip rangewachsen war. 1825 übernahm dann Ossip Filippowitsch Wischnjakow (Осип Филиппович Вишняков, †1888), der Sohn von Filipp Nikitisch Wischnjakow, die Werkstatt und führte sie erfolgreich weiter, bis sie dann von dessen Onkeln Peter und Wassilii weitergeführt wurde.
Ossip Wischnjakow gründete später gemeinsam mit E. F. Beljajew (Е. Ф. Беляев) eine eigenen Werkstatt. Diese Werkstatt von Wischnjakow und Beljajew, deren erste Erzeugnisse 1830 auftauchten, wurde die größte der Region und wurde Anfang des 19. Jahrhunderts ein wichtiger Konkurrent für den Betrieb von Korobow und Lukutin. In der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts wurden die Lackminituren aus der Fabrik von Wischnjakow genauso bekannt, wie die von Lukutin. Beide Fabriken machten sich Konkurrenz, es waren die beiden herausragenden Werkstätten für Lackminiaturen in der Moskauer Gegend. Beide Werkstätten beeinflussten sich gegenseitig in ihrer Kunst, Meister wurden getauscht, Maltechniken aufgeschnappt, technische Neuerungen des anderen übernommen.
Die Arbeitszeit betrug 14 Stunden, an Jahrmarktstagen 18 bis 20 Stunden. Alle Werkstätten waren Familienwerkstätten. Die Tradition der Miniatur-Lackmalerei wirkte befruchtend auf die Malerei der anderen Werkstätten. So entstand in diesen Dörfern ein starkes Zentrum der Lackmalerei. Sein Dorfnachbar Beljaew (Беляев) übertraf den finanziellen Erfolg der Familie Wischnjakow noch. Er hatte 50 Angestellte und nahm jährlich 20.000 Rubel ein und übertraf damit die Wischnjakows um 8.000 Rubel.
1830 gab es in der Gegend 8 Werkstätten, deren Zahl bis 1876 auf 20 wuchs. 1876 b is 1888 befassten sich die Bauern in zig Dörfern des Gouvernements Moskau mit der Lackmalerei:
- Im Dorf Sorokino (Сорокино) eröffnete Aleksei Wiswchnjakow (Алексей Вишняков) eine Werkstatt gemeinsam mit Sachar Petrow (Захар Петров) und E. F. Beljajew (Е.Ф.Беляев, 1830-1885).
- Im Dorf Ostaschkowo eröffneten Wassili Wischnajkow (Василий Вишняков) und Kiril Panski (Кирил Пански) eine Werkstatt.
- Im Dorf Nowoselzewo (Новосельцево) hatte Stepan Filischkow (Степан Филишков) eine Werkstatt.
Literatur
- L. Pirogowa (Autor), O. Serebjakowa, J. Doroschenko (Autor), W. Guljajew (Einleitung) : Russische Lackminiaturen. (Fedoskino, Palech, Mstera, Cholui), Aurora-Kunstverlag, Leningrad, 1989, ISBN 978-5730000193
- Irina Uchanowa: Russische Lackkunst: Von Peter dem Grossen bis zur Grossen Revolution. Ausstellung im Museum für Lackkunst Münster, München 2002, Verlag: BASF, ISBN 978-3930090112
56.05472222222237.583611111111Koordinaten: 56° 3′ 17″ N, 37° 35′ 1″ OKategorien:- Volkskunst
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