- Franz Wunsch
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Franz Wunsch (* 21. März 1922 in Drasenhofen)[1] ist ein österreichischer ehemaliger Aufseher im KZ Auschwitz-Birkenau.
Leben
Franz Wunsch[2] trat noch vor seinem achtzehnten Lebensjahr der SS bei, die er - nach eigener Aussage - für eine Elitetruppe hielt. Bei Kriegsausbruch ging er an die Front. Nach einem Knieschuss an der Ostfront wurde er der Stabskompanie der SS-Standortverwaltung Auschwitz zugeteilt. Im September 1942 wurde er zum SS-Unterscharführer befördert und als Aufseher und Kommandoführer in der SS-Wachmannschaft des KZ Auschwitz-Birkenau und dort in der Abteilung Kanada als Leiter des Effektenlagers, in der Lederfabrik und im Sonderkommando eingesetzt.[3] Zeugen berichteten später, er sei ein „Judenhasser“ gewesen, habe mindestens einmal wöchentlich im Dienst an der Bahnrampe Selektionen vorgenommen[4] und Männer wie Frauen brutal geschlagen.
Wunsch habe sein brutales Verhalten erst geändert, als er sich in die Anfang 20-jährige slowakische Jüdin Helena Citrónová verliebt habe. Sie hatte an ihrem ersten Arbeitstag in der Kanada-Abteilung dem SS-Mann ein Geburtstagsständchen singen müssen.[5] Helena und ihre zehn Jahre ältere Schwester, Rožinka, nicht aber deren zwei Kinder, konnte Wunsch vor der Gaskammer retten und nach den gegebenen Möglichkeiten versorgen.[6][7] Er habe sich dank Helenas Einflusses in „einen anderen Menschen“ verwandelt, so die späteren Zeugenaussagen.[8][9]
Am 18. Juli 1944 wurde Wunsch von dem SS- und Polizeigericht XV, Zweigstelle Kattowitz, wegen Diebstahls einiger kleiner Gegenstände aus dem Effektenlager im Gesamtwert von 30 Reichsmark zu fünf Wochen strengen Arrest in Einzelhaft verurteilt.[10][11]
Franz Wunsch, nach dem Krieg als Reisender berufstätig, kam am 25. August 1971 in Wien in Haft und wurde im zweiten Wiener Auschwitz-Prozess vom 25. April bis 27. Juni 1972 gemeinsam mit Otto Graf, ebenfalls SS-Wachmann im KZ Auschwitz, nach einer zweimonatigen Verhandlung durch das Schwurgericht von der Anklage der Teilnahme an Massenmorden im Vernichtungslager Auschwitz-Birkenau (Verbringung der für die Vergasung Vorgesehenen mittels Gewaltanwendung zur Gaskammer, Mitarbeit beim Rampendienst, Werfen des Blausäurepräparates Zyklon B in die Gaskammern) und Gewaltverbrechen an jüdischen Häftlingen während seines Dienstes in Auschwitz „trotz erdrückender Schuldbeweise“[12] am 27. Juni 1972 wegen Verjährung freigesprochen (Urteil: LG Wien 20 Vr 3805/64).[13][14] Der Vorwurf des Gewaltverbrechens basierte auf Aussagen, wonach Franz Wunsch am 7. Oktober 1944, als im Sonderkommando ein Aufstand stattgefunden hatte, einen 20-jährigen griechischen Juden, Arbeiter des Aufräumungskommandos, erschossen haben soll.[15]
Weblinks
- Darstellung auf Nachkriegsjustiz.at
- Zweiter Auschwitz-Prozess
- The Power of Love (engl.)
- Presse-Echo des Prozesses gegen Otto Graf und Franz Wunsch
Einzelnachweise
- ↑ SS: éléments biographiques
- ↑ Im Jahr 1930 gab es in seinem Geburtsort Drasenhofen einen gleichnamigen Postkartenverlag; war es sein Vater? - Quelle: Der Bezirk Mistelbach, Alte Ansichten und Bücher, Seite 13, Nr.22+23
- ↑ Ludwig Eiber, Robert Sigel (Hrsg.): Dachauer Prozesse – NS-Verbrechen vor amerikanischen Militärgerichten in Dachau 1945–1948, Wallstein Verlag, Göttingen 2007, ISBN 978-3-8353-0167-2, Seite 252 (Digitalisat)
- ↑ Zwei brutale Schlägertypen
- ↑ Auschwitz: Ashes and Gold, Seite 61-72
- ↑ Citrónová-Interview in der BBC-Dokumentation Auschwitz: The Nazi and the Final Solution (Minute 6:40)
- ↑ Citrónovás Aussagen (mit Foto)
- ↑ Hermann Langbein: Menschen in Auschwitz, Europaverlag, 1972, ISBN 3203504146 bzw. ISBN 9783203504148
- ↑ History, Bände 33-34, Helen Dwight Reid Educational Foundation, HELDREF Publications, 2004, Seite 19
- ↑ Das Eigene und das Fremde, Studien-Verlag, 1999, ISBN 3706513536 bzw. ISBN 9783706513531
- ↑ Israel Gutman, Michael Berenbaum: Anatomy of the Auschwitz death camp, 1998, Seite 257 (Digitalisat)
- ↑ Joachim Perels (Hrsg.): Auschwitz in der deutschen Geschichte, Schriftenreihe des Fritz Bauer Instituts (Band 25), Verlag Offizin, 2010, ISBN 3930345722 bzw. ISBN 9783930345724
- ↑ Ludwig Eiber, Robert Sigel: Dachauer Prozesse, 2007, Seite 252 (Digitalisat)
- ↑ Justiz und Erinnerung Nr. 12/Dezember 2006, Seite 20
- ↑ Sabine Loitfellner: Auschwitz-Verfahren in Österreich. Hintergründe und Ursachen eines Scheiterns, in:Thomas Albrich, Winfried R. Garscha, Martin F. Polaschek (Hrsg.): Holocaust und Kriegsverbrechen vor Gericht. Der Fall Österreich, StudienVerlag, Innsbruck-Wien-Bozen 2006, ISBN 3706542587 bzw. ISBN 9783706542586, Seite 183-197
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