Futurezone

Futurezone

Die Futurezone (ehemals auch: futureZone, Abk.: fuZo) ist ein österreichisches Internetportal für Nachrichten aus dem Bereich Computer, Informationstechnik, Telekommunikation und Netzpolitik. Es wurde im Jahr 1999 vom öffentlich-rechtlichen Österreichischen Rundfunk als Teil seines Onlineangebots gegründet. Die journalistischen Berichte dieser Technik-Redaktion entwickelten sich bald zur angesehensten österreichischen Website in diesem Bereich, die auch viele Besucher aus dem deutschsprachigen Ausland verzeichnen konnte. Da dieses Portal werbefrei betrieben und über Einnahmen aus den GIS-Gebühren finanziert wurde, betrachteten die österreichischen Tageszeitungen die Futurezone als unlauteren Wettbewerb zu ihren Onlineangeboten. Im Juni 2010 beschloss der Nationalrat ein neues ORF-Gesetz, das den staatlichen Sender zwang, die Futurezone abzustoßen. Im September 2010 erwarb die Tageszeitung Kurier die Markenrechte und betreibt seit 1. Oktober 2010 das Portal auf der neuen Adresse futurezone.at mit neuer Redaktion weiter.

Inhaltsverzeichnis

Geschichte

Die Futurezone wurde im Zuge des New Economy-Booms als gemeinsames Projekt von Siemens Österreich und dem ORF im Jahr 1999 ins Leben gerufen.[1] Zunächst war es als Technik-Rubrik der Website ORF Online gedacht, der damals meistbesuchten Nachrichtenwebsite des Landes. Bald erhielt die Futurezone eine eigene Subdomain und war unter futurezone.orf.at zu erreichen. Auch im Design unterschied sich die Futurezone vom Rest des Onlineangebots des ORF, wodurch die Seite auch nach Außen als eigenständige Redaktion erkennbar war. Die Futurezone-Redaktion erhielt weitgehend freie Hand über Themen im Bereich Internet, Technik, Mobilfunk und Neue Medien zu berichten und eigenständig Stories zu recherchieren. Als Mitarbeiter wurden neben hausinternen Journalisten auch externe Experten gewonnen, wie der oberösterreichische Internet-Experte Erich Möchel.

Neben klassischen Themen wie Tests von neuer Soft- und Hardware, widmete sich die Futurezone bald auch gesellschaftspolitischen Themen aus dem Technikbereich und berichtete kritisch über Datenschutz im Internet, Netzneutralität, Onlinewerbung, Urheberrechte, sowie den Einfluss der Konzerne auf die Entwicklung des Internets. Die Futurezone entwickelte sich so zu einem österreichischen Pendant zu ähnlichen Seiten aus Deutschland, wie heise online oder Telepolis. Der Futurezone-Redakteur Möchel war auch Mitbegründer des Big Brother Awards, einer Negativ-Auszeichnung für mangelnden Datenschutz und Missbrauch im Internet. Nach großem Medienecho in Österreich wurde dieser Preis ab dem Jahr 2000 auch in Deutschland und ab 2004 auch in der Schweiz vergeben. 2006 wurde Günter Hack Chefredakteur der Futurezone; er leitete die Redaktion bis zum Zwangsverkauf 2010.

Zwangsverkauf

Im Juni 2010, wurde überraschend publik, dass in der Vorlage zum damals neu zu beschließenden ORF-Gesetz auch ein Passus über das Technik-Portal Futurezone enthalten ist. Dieses Gesetz wurde am 17. Juni 2010 im österreichischen Nationalrat mit den Stimmen der beiden Regierungsparteien SPÖ und ÖVP, sowie der oppositionellen FPÖ beschlossen. Dagegen stimmten die Grünen, sowie das BZÖ. Dieses neue Gesetz verbot dem ORF die Querfinanzierung von Onlineangeboten durch die Einnahmen aus den gesetzlich vorgeschriebenen Rundfunkgebühren. Insbesondere wurde dem ORF auferlegt, das Portal Futurezone einzustellen, bzw. an einen privaten Anbieter zu verkaufen.[2] Der grüne Abgeordnete Dieter Brosz meinte dazu:

„Eine Nachrichtenseite, die sich mit Netzpolitik, Datenschutz und Bürgerrechten beschäftigt. Sie gilt im deutschsprachigen Raum als Institution und als das im Netz attraktivste und beste Angebot des ORF. Sie beschließen heute ein Gesetz, wo genau dieses Angebot, das international gewürdigt ist, beseitigt wird. Mit 1. Oktober ist die Futurezone Geschichte, es wird sie nicht mehr geben, sie wird abgedreht.“

Dieter Brosz: Ö1, 17. Juni 2010

Erst nach Beschluss des Gesetzes wurde publik, dass diesem Entschluss ein massives Lobbying von Seiten österreichischer Telekomanbieter und Tageszeitungen, vertreten durch den VÖZ, vorangegangen war. Diese sahen in den Onlineangeboten des ORF eine unlautere Konkurrenz zu ihren eigenen Internetangeboten. ORF Online war noch im Jahr 2009 nach google.at die meistaufgerufene Internetseite in Österreich.[3] Besonders Der Standard sah in der Futurezone eine Konkurrenz für seine "Webstandard" genannte Technik-Rubrik und hatte sich für die Gesetzesänderung stark gemacht.[4] Eine Petition treuer Besucher der Futurezone blieb erfolglos.[5] Eine Jury rund um die Künstlergruppe monochrom verlieh dem Medienstaatssekretär Josef Ostermayer aus Protest den „Scheiß Internet“-Wolfgang Lorenz Gedenkpreis und bezeichnete den Verkauf der Futurezone als „Bauernopfer“ im politischen Geschacher rund um das neue ORF-Gesetz.[6]

Nachdem sich mehrere Anbieter um den Kauf der Futurezone beworben hatten, beschloss der ORF im September 2010 sein Online-Technikportal an die Tageszeitung Kurier zu verkaufen.[7] Diese Erwarb die Markenrechte und führt den Betrieb mit einer neuen Redaktion seit dem 1. Oktober 2010 unter der Domain futurezone.at weiter.[8] Chefredakteur ist seitdem Gerald Reischl. Im Februar 2011 verpasste der Kurier der neuen Futurezone einen Relaunch, inklusive neuem Design der Seite.[9]

Der ehemalige Futurezone-Redakteur Erich Möchel distanzierte sich von der neuen Futurezone und schreibt weiter für den ORF.[10] Seine Artikel veröffentlicht er seit November 2010 auf der Website des ORF-Jugendradiosenders FM4.[11]

Archiv

Ein besonderes Streitthema im Zuge des Verkaufs entbrannte rund um die Frage, was mit dem umfangreichen Artikelarchiv aus 11 Jahren Berichterstattung, inklusive der Postings in den Diskussionsforen, passieren soll. Der Kurier erwarb nur die Markenrechte an der Futurezone, nicht aber den historischen Content. Dem ORF wiederum war es durch das neue Gesetz verboten, Inhalte länger als sieben Tage online bereit zu stellen.[12] Entsprechende Erklärungen des ORF ONLINE Chefs Karl Pachner stellten sich als undurchführbar dar.[13] Die deutsche Website depub.org, die sich auf das Republizieren von "depublizierten" Inhalten spezialisierte, kündigte daraufhin an, das gesamte Archiv der Futurezone aus den Jahren 2006 bis 2010 online zu stellen.[14] Im Oktober wurde jedoch diese Seite wegen Urheberrechtsverletzungen komplett gesperrt.[15]

Seit 13. Oktober 2011 ist das Archiv wieder (öffentlich und kostenlos) online erreichbar: www.fuzo-archiv.at. Es wird von der APA (Austria Presse Agentur) gehostet.

Weblinks

Einzelnachweise

  1. Die Presse: ORF-"Futurezone": Markenrechte liegen bei Siemens, 28. Juli 2010
  2. Ö1: Nationalrat hat ORF-Gesetz beschlossen - FPÖ stimmt zu, 17. Juni 2010
  3. TAG4TAG: Die meistbesuchten österreichischen Websites, 26. Februar 2009
  4. Die Zeit: No-Futurezone, Zeit-Blog von Kai Biermann, 18. Juni 2010
  5. taz: Medienstreit in Österreich - "Retten wir die Futurezone", 20. Juni 2010
  6. Heise.de: "Scheiß Internet"-Preis für Festplatten-Abgabe und fuZo-Aus, 27. November 2010
  7. Die Zeit: Kurier darf ORF-Portal Futurezone kaufen, 10. September 2010
  8. Kurier: Startschuss für FUTUREZONE.at, 11. Oktober 2010
  9. Der Standard: Relaunch für die "Kurier"-"Futurezone", 28. Februar 2011
  10. Homepage von Erich Möckel, gesehen am 18. April 2011
  11. FM4: Erich Moechel: Netzpolitik, Datenschutz - und Spaß am Gerät.
  12. Wien Konkret: ORF-Gesetz 2010 und offensichtliche Verstöße dagegen
  13. Der Standard: ORF ON-Chef kündigt Erhalt der "Futurezone"-Inhalte an. 22. Juni 2010
  14. meedia.de Futurezone: Das Internet kommt ins Archiv, 3. November 2010
  15. Heise.de: depub.org gesperrt, 1. Oktober 2010

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