- Hans Georg Gewehr
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Hans Georg Gewehr (* 19. Mai 1908 in Berlin; † 4. September 1976) war ein deutscher SA-Führer. Gewehr wurde vor allem bekannt im Zusammenhang mit dem Reichstagsbrand vom Februar 1933.
Inhaltsverzeichnis
Leben und Wirken
Nach dem Schulbesuch absolvierte Gewehr eine Schlosserlehre. Später legte er die Prüfung zum Maschinenbautechniker ab, um anschließend als Ingenieur zu arbeiten.
1919 gehörte Gewehr dem Deutschnationalen Jugendbund an und seit 1923 dem Bismarckorden. Am 1. Mai 1925 trat er in den von Paul Röhrbein geführten Frontbann Nord in Berlin ein. Am 1. April 1926 wurde Gewehr Mitglied der SA und einen Monat später am 1. Mai 1926 in die NSDAP (Mitgliedsnummer 36.913). In der SA wurde er nacheinander zum SA-Scharführer (1. August 1929) und zum SA-Truppführer (1. Oktober 1930) befördert.[1]
Als berüchtigter „SA-Rabauke“ war Gewehr, der in SA-Kreisen auch als Pistolen-Heini bekannt war, in den späten 1920er und frühen 1930er Jahren maßgeblich am Straßenterror der SA in der Reichshauptstadt beteiligt. 1931 wurde er schließlich zum Führer der Stabswache der SA-Gruppe Berlin-Brandenburg ernannt. In dieser Eigenschaft oblag ihm unter anderem der Schutz des Hauptquartiers des SA-Gruppenstabes von Berlin und der NSDAP-Gauleitung in der Hedemannstraße 10.
Am 12. September 1931 war Gewehr am judenfeindlichen Kurfürstendamm-Krawall beteiligt, wofür er noch im selben Monat vom Schöffengericht Charlottenburg zu einer Gefängnisstrafe von einem Jahr und drei Monaten wegen Landfriedensbruch in Tateinheit mit Anreizung zu Gewalttätigkeit verurteilt wurde. Nachdem er am 24. Dezember 1931 vorläufig aus der Haft entlassen worden war, wurde Gewehrs Strafe im Februar 1932 im Berufungsverfahren aufgehoben.
1932 führte Gewehr den Sturm 101 in Berlin-Wedding und 1933 den SA-Sturm 21 bei der Standarte 9 in Berlin-Steglitz. Am 5. Oktober 1933 wurde er zum SA-Sturmhauptführer befördert.
Am 30. Juni 1934 wurde Gewehr im Zuge der als Röhm-Putsch bekannt gewordenen Säuberungswelle der Nationalsozialisten vom Frühsommer 1934 verhaftet. In der Folgezeit wurde er fälschlich als im Verlauf der Aktion erschossen gemeldet. Am 31. März 1935 verließ er die SA im Rang eines SA-Obersturmbannführers.
1935 wurde Gewehr im Rang eines Unterwachtmeisters in die Schutzpolizei aufgenommen. Am 20. April 1936 wurde er zum Leutnant, am 20. April 1937 zum Oberleutnant, am 30. April 1938 zum Hauptmann und am 20. April 1943 zum Major der Schutzpolizei befördert. Auf Fürsprache von Sepp Dietrich wurde Gewehr 1937 außerdem in die Schutzstaffel (SS) aufgenommen. Im selben Jahr unterrichtete er zudem als Lehrer an der Polizeischule in Berlin-Schöneberg.
Bei Kriegsende wurde Gewehr von den Amerikanern gefangen genommen und zunächst im Lager Hammelburg bei Kissingen untergebracht. Später war er in einem Lager bei Moosburg bei Freising interniert. Als Angehöriger des Arbeitskommandos Freising-Brückenbau (Zug Moosburg-Freising) konnte Gewehr am 4. März 1947 schließlich aus der Internierung fliehen. Ermittlungen deswegen wurden am 23. Dezember 1948 eingestellt. Gewehr lebte nach eigenen Angaben noch bis zur Amnestie vom Dezember 1949 unter dem Decknamen Peter Jäger, nach dem Urteil des Oberlandesgerichts Düsseldorf „bis 1950 mit gefälschten Papieren unter dem Namen Peter Schäfer“ in Düsseldorf.[2] Danach ließ er sich wieder ordnungsgemäße Papiere auf seinen richtigen Namen ausstellen. Anschließend lebte Gewehr als Bauunternehmer in Düsseldorf, wo er mit einem Partner die selbständige Ingenieurgemeinschaft Gewehr-Morisse führte (ohne selbst eigentlich Ingenieur zu sein).
Gewehrs angebliche Rolle beim Reichstagsbrand von 1933
Nach dem Zweiten Weltkrieg wurde Gewehr von Hans Bernd Gisevius in seinem Buch Bis zum bitteren Ende mit dem Reichstagsbrand vom Februar 1933 in Zusammenhang gebracht: Gisevius behauptete dort, dass Gewehr als Technikexperte Teil eines zehnköpfigen SA-Kommandos gewesen sei, das am 28. Februar 1933 durch einen unterirdischen Tunnel zwischen Reichspräsidentenpalais und Reichstag in das Reichstagsgebäude eingedrungen sei und den dortigen Brand gelegt habe.[3]
Die Staatsanwaltschaft Düsseldorf leitete schließlich 1960 ein Ermittlungsverfahren wegen „Verdachts der Teilnahme am Reichstagsbrand“ gegen Gewehr ein. Nachdem keine weiteren Anzeichen oder Belege für eine Verstrickung Gewehrs in den Brand gefunden werden konnten, wurde das Verfahren am 4. Januar 1962 von der Staatsanwaltschaft eingestellt. Gewehr ging gegen die Anschuldigungen von Gisevius im so genannten „kleinen Reichstagsbrandprozess“ gerichtlich vor, indem er auf Unterlassung und Widerruf der entsprechenden Behauptungen Gisevius' klagte. Das Landgericht Düsseldorf verfügte, dass Publizisten und Wissenschaftler zwar auf die Behauptung Gisevius' rekurrieren dürften, sie aber zugleich verpflichtet seien, darauf zu achten, dass dem Schutz von Gewehrs Ehre „gebührend Rechnung getragen und auf die zu seinen Gunsten sprechenden Umstände hingewiesen wird“.[4] Entschädigungsklagen von Gewehr gegen Gisevius, den Verlag Henri Nannen und den Chefredakteur der Zeit, Müller-Marein, zogen sich noch bis ins Jahr 1969 durch verschiedene Instanzen: Am 25. Februar 1969 kam es schließlich zu einem Vergleich mit dem Nannen-Verlag: Danach zahlte der Verlag an Gewehr 30.000 DM. Gisevius wurde am 3. Dezember 1969 dazu verurteilt Gewehr Schadensersatz in Höhe von 56.307 DM abzüglich der bereits vom Verlag gezahlten 30.000, also insgesamt 26.307 DM sowie Zinsen, zu zahlen. Die Kosten des Verfahrens wurden zu 8/9 Gewehr aufgebürdet.
Literatur
- Alexander Bahar und Wilfried Kugel: Der Reichstagsbrand. Wie Geschichte gemacht wird. edition q, Berlin 2001. ISBN 3-86124-513-2, insbesondere S. 564-587 (bis Reichstagsbrand) sowie S. 787-792 (nach Kriegsende).
Einzelnachweise
- ↑ Alexander Bahar und Wilfried Kugel: Der Reichstagsbrand. Wie Geschichte gemacht wird. Berlin 2001, S. 566 f.
- ↑ Alexander Bahar und Wilfried Kugel: Der Reichstagsbrand. Wie Geschichte gemacht wird. Berlin 2001, S. 788.
- ↑ Alexander Bahar und Wilfried Kugel: Der Reichstagsbrand. Wie Geschichte gemacht wird. Berlin 2001, S. 564, S. 574 f. u. S. 582
- ↑ Lars Broder-Keil: Deutsche Legenden, 2002, S. 53.
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