Harald Jäger

Harald Jäger

Harald Jäger (* 27. April 1943) war zu Zeiten der DDR stellvertretender Leiter der Grenzübergangsstelle Bornholmer Straße in Ost-Berlin im Rang eines Oberstleutnants der Passkontrolleinheit (PKE), die dem Ministerium für Staatssicherheit unterstellt war. Am 9. November 1989 ließ er als diensthabender Leiter am Grenzübergang Bornholmer Straße befehlswidrig die Kontrollen einstellen. Er gilt daher als der Mann, der faktisch die Berliner Mauer öffnete.

Inhaltsverzeichnis

Ausbildung und Beruf

Harald Jäger wuchs in Bautzen auf und wurde zum Ofensetzer ausgebildet. 1961 meldet sich Jäger freiwillig zur damaligen Grenzpolizei (später Grenztruppe der NVA). 1964 tritt er in die Dienste der Stasi und arbeitet bis zur Wende in der PKE. Dort waren hauptamtliche Mitarbeiter des Ministeriums für Staatssicherheit tätig; diese versahen ihren Dienst jedoch aus Tarnungsgründen in regulären Dienstuniformen der Grenztruppen.

In den Jahren von 1976 bis 1979 absolvierte Jäger ein Studium an der Juristischen Hochschule des MfS in Potsdam.[1] Seine Abschlussarbeit zum Diplom-Juristen legte er 1981 im Range eines Majors vor. Sie trug den Titel "Die Bildung der Spezialistentruppen "Sicherheit und Terrorabwehr" in den Grenzzollämtern der Zollverwaltung der DDR als Voraussetzung zur zielgerichteten und differenzierten Einbeziehung der Angehörigen der Zollverwaltung der DDR in das System der Terrorabwehr an den Grenzübergangsstellen der DDR".[2]

Grenzöffnung

Jäger war am Abend des 9. November 1989 in der GÜSt Bornholmer Straße diensthabender Leiter. Während seiner Pause gegen 20 Uhr sah er eine Fernsehübertragung der Pressekonferenz, in welcher Günter Schabowski die Nachricht über die neue Reiseregelung verkündete. Er versuchte sofort, telefonisch Näheres über diese Entscheidung zu erfahren. Sein Vorgesetzter, Oberst Ziegenhorn, machte jedoch deutlich, dass die alten Regelungen weiter gelten.

Kurze Zeit später versammelten sich die ersten Menschen vor dem Übergang. Um 21:30 Uhr brachte der Radiosender RIAS die ersten Reportagen von offenen Grenzübergängen, die zu diesem Zeitpunkt allerdings noch geschlossen waren. Durch immer mehr Menschen wurde die Situation an der Grenzübergangsstelle zunehmend unkontrollierbar. Jäger löste daraufhin (ohne dazu befugt zu sein) Alarm aus. Sein Vorgesetzter Oberst Ziegenhorn erließ daraufhin den Befehl, die DDR-Bürger ausreisen zu lassen, die sich am lautesten äußerten. Es wurde nach Anweisung von Ziegenhorn der Personalausweis der Ausreisenden kontrolliert und ungültig gestempelt, die DDR-Bürger als Inhaber dieser Ausweise damit ausgebürgert (Ventillösung)[3]. Als im Laufe des Abends jedoch erste Bürger zurückkamen, setzte er die erhaltene Anweisung nicht um und ließ die Menschen wieder einreisen.

Es kamen jedoch immer mehr Menschen, der Druck wurde immer größer und Jäger befürchtete, dass Ausreisewillige auch an die Waffen seiner Mitarbeiter kommen könnten, die diese bei sich trugen. Unter dem Druck der Massen und aufgrund der fehlenden Unterstützung durch seine Vorgesetzten, sah Jäger nur einen Ausweg. Er befahl gegen 23:30 Uhr (teilweise wird als Uhrzeit auch 23:07[4] genannt), die Grenze am Übergang Bornholmer Str. zu öffnen. Jäger sagt in der ARD-Doku "Schabowskis Zettel" vom 2. November 2009[5] darüber:

Das alles zusammengenommen, war dann das Motiv des Handelns, so dass ich gesagt habe, jetzt reicht mir’s. Jetzt entscheidst Du’s auf eigene Faust…. Hab angewiesen, alle ausreisen zu lassen… lass alle ausreisen…

Über diesen Grenzübergang gelangten zwischen 23:30 Uhr und 0:15 Uhr schätzungsweise 20.000 Menschen nach West-Berlin.[6][7]. Jäger selbst zog sich nach Öffnung der Grenzanlagen erst einmal in einen ruhigen Raum zurück, Jäger dazu in der ARD-Doku:

Ich bin dann in die ehemalige, alte BRD-Abfertigungsstelle gegangen, da bin ich ja schließlich groß geworden, … und wollte meinen Tränen freien Lauf lassen… ich musste mit mir selbst erst mal allein sein… es war das Schrecklichste, das Schrecklichste und Schönste, das ich erlebt hatte… aber ich hatte Pech gehabt, in der Baracke stand schon ein anderer, ein Hauptmann, der geweint hatte…

Nach der Revolution

1990 wurde Harald Jäger im Zuge der Auflösung des MfS entlassen. Nach fast zwei Jahren Arbeitslosigkeit hatte er mehrere kurzfristige Jobs; zeitweise einen eigenen Zeitungsladen, arbeitete er bis zu seiner mittlerweile erfolgten Verrentung in einem privaten Wachschutzunternehmen.[8] Jäger lebt in Werneuchen. Er ist verheiratet, hat zwei Töchter und einen Sohn.

Literatur

Fußnoten

  1. GÜSt meldet dem OLZ/Wie ein Berliner Stasi-Offizier die Maueröffnung provozierte; FAZ, 13. August 2007
  2. Absolventenverzeichnis der Diplomstudiengänge bis 1990, stasifiles.wordpress.com, 2008.
  3. Hans-Hermann Hertle: Chronik des Mauerfalls, S. 163–166
  4. Kerstin Decker: Ein Mann, ein Ort – und nun ein Buch. Der Grenzbeamte Harald Jäger hat die Mauer als Erster geöffnet. In: Der Tagesspiegel, 24. März 2007.
  5. ARD-Doku / Spiegel-TV-DVD Nr. 21: '9. November 1989 - Das Protokoll eines historischen Versehens'
  6. Gerhard Haase-Hindenberg: Der Mann, der die Mauer öffnete. Wilhelm Heyne Verlag, München 2007, ISBN 978-3-453-62025-4, S. 202–20
  7. Hans-Hermann Hertle: Chronik des Mauerfalls, S. 166–168
  8. "Macht den Schlagbaum auf!"; Tagesspiegel, 8. November 2007

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