- Herman Lehmann
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Herman Lehmann (* 5. Juni 1859 bei Fredericksburg, Texas; † 2. Februar 1932 in Loyal Valley, Texas) war ein Kind der deutschen Einwanderer Moritz und Auguste Lehmann, die im Jahre 1846 nach Texas gekommen waren. Er wurde als Kind im Alter von zehn Jahren von Indianern geraubt und lebte anschließend zunächst bei den Apachen, später bei den Comanchen. Im späteren Leben kehrte er zu seiner Familie zurück. Das Phänomen eines weißen Jungen, der von Indianern aufgezogen wurde, machte ihn zu einer Berühmtheit in den Vereinigten Staaten. Er publizierte im Jahre 1927 seine Autobiographie Nine years Among the Indians.[1]
Inhaltsverzeichnis
Biographie
Gefangennahme
Die Familie betrieb eine alleinliegende Farm in der Nähe von Fredericksburg. Am 16. Mai 1870 wurde die Farm von einer Gruppe Apachen überfallen. Sein Bruder Willie und er wurden auf dem Feld gefangen und mitgenommen. Seine zwei Schwestern konnten ins Haus entkommen. Vier Tage später wurde die Gruppe Apachen von einer Armeepatrouille entdeckt und ein Feuergefecht entspann sich. Sein Bruder Willie konnte fliehen und kehrte nach Haus zurück. Die Apachen entkamen mit Herman als Beute.
Leben mit den Apachen
Die Apachen vom Volk der Mescalero nahmen Herman Lehmann mit zu ihrem Lager im Osten des US-Bundesstaates New Mexico. Er wurde zunächst persönliches Eigentum eines Häuptling namens Carnoviste und dessen Frau Laughing Eyes. Die Apachen gaben Herman Lehmann den Namen „En Da“, weißer Junge. Während seiner Zeit bei den Apachen kam er auch in Kontakt mit anderen entführten weißen Kindern. Mit einem Jungen, Adolph Korn, verständigte er sich in der Gefangenschaft auf deutsch.[2] Lehman lebte etwa neun Jahre mit den Indianern, davon vier mit den Apache und assimilierte sich völlig. Als junger Krieger war eine seiner bemerkenswerten Taten ein Gefecht mit den Texas Rangern am 24. August 1875. Dies Gefecht fand am Concho Plain, ungefähr 100 km westlich des heutigen San Angelo, Texas, statt. Der Texas Ranger James Gillett war nahe daran, Herman Lehmann zu erschießen, als er erkannte, dass Lehman ein Weißer war. Als die Ranger ihn später zu fangen versuchten, konnte er entkommen.[3] Lehman hatte sich inzwischen komplett den Lebensumständen der Apachen angepasst und galt als einer der Ihren.
Asyl bei den Comanchen
Ungefähr um die Frühlingszeit des Jahres 1876 brachte Herman Lehmann einen Medizinmann einer rivalisierenden Gruppe der Apachen bei einem Gefecht um und rächte damit dessen Mord an seinem Häuptling Carnoviste.[4] Weil er Revanche fürchtete und seine Gruppe im Gefecht aufgerieben worden war, flüchtete er in entlegenere Gebiete und versteckte sich dort für etwa ein Jahr. Das von ihm zunächst gewählte Rückzugsgebiet beschrieb er in seiner Autobiographie als ein Paradies mit viel Jagdwild, grünen Flussauen mit gutem Wasser und idealen Temperaturen. Als er jedoch merkte, dass andere einheimische Gruppen durch diese Gegend streiften, zog er weiter und fasste endlich den Entschluss, sich den Comanche anzuschließen. Zu dieser Zeit war er etwa sechzehn Jahre alt. Er näherte sich einem Gruppe der Comanche und nach einer Beobachtungszeit begab er sich in deren Lager. Er erzählte ihnen seine Lebensgeschichte, überzeugte sie von seinen guten Absichten und sie nahmen ihn schließlich auf. Er durfte sich die Familie, zu der er gehören wollte, aussuchen und wählte als seinen Bruder Cotopa. Er selbst erhielt den Namen Montechena.[5]
Ende der Indianerkriege, Zeit im Reservat
Der Häuptling der Comanche Quanah Parker hatte im Jahr 1875 die Niederlegung der Waffen für sein Volk mit den Weißen abschließend verhandelt. Im Juli 1877 suchte er versprengte Gruppen, die die Waffen bisher nicht niedergelegt hatten, zur Aufgabe des Kampfes zu überzeugen. Herman Lehmann war Mitglied einer Gruppe, die Quanah Parker am Rio Pecos im östlichen New Mexico fand. Parker überzeugte sie, den Kampf aufzugeben und ebenfalls in das Reservat in der Nähe von Fort Sill, im heutigen Oklahoma zu kommen. Lehmann weigerte sich zunächst, kam jedoch später ebenfalls nach Fort Sill.
Rückkehr und versuchte Anpassung an die Lebensumstände
Lehmann lebte mit der Familie Quanah Parkers im Kiowa-Comanche Reservat nahe Fort Sill von 1877 bis 1878. Während dieser Zeit war einigen Personen aufgefallen, dass er als Weißer unter den Indianern lebte. Seine Mutter hatte die Hoffnung ihn wiederzufinden niemals aufgegeben. Adolph Korn, der früher aus seiner Gefangenschaft zurückgekehrt war, hatte ihr gesagt, dass er Lehmann bei den Apachen getroffen hatte.[6] Sie traf den Kommandanten von Fort Sill, Ranald S. McKenzie in Fredericksburg, Texas. Nach der Beschreibung, die dieser ihr von Herman Lehman gab, ging sie jedoch nicht davon aus, dass das ihr Sohn sei. Trotzdem bat sie darum, dass der Junge zu ihr gebracht würde.[7]
Im April 1878 wurde Lehman zu seiner Familie nach Texas gebracht. Fünf Soldaten und ein Fahrer begleiteten ihn in einem von vier Mauleseln gezogenen Ambulanzwagen nach Loyal Valley in Mason County, Texas. Dort kam er am 12. Mai 1878 an. Die Einwohner von Loyal Valley kamen zusammen, um den heimgekehrten Jungen zu sehen. Lehman hatte die deutsche Muttersprache verlernt und konnte sie nicht mehr verstehen. Auch des Englischen war er nicht mehr mächtig. Sowohl Mutter und Sohn erkannten einander nicht. Lehman selbst war lange Zeit davon ausgegangen, dass seine Familie von den Indianern ausgerottet worden war. Eine nähere Untersuchung Herman Lehmans stellte endgültig fest, dass er der Gesuchte war.[8]
Die Wiederanpassung an das Leben der Siedler fiel ihm schwer.[9] In der Folgezeit schwankte er zwischen der Anpassung an die Lebensweise der Siedler und seiner indianischen Lebensweise. Während seiner Zeit mit den Indianern hatte er nie einen Versuch gemacht, wieder in die Siedlergesellschaft zurückzukehren. Nach seinen Diskrepanzen mit den Apachen hatte er sich den Comanchen angeschlossen und nicht die Nähe der Weißen gesucht. Häufig trug er auch in seinem späteren Leben Indianerkleidung.
Seine erste Ehe scheiterte. Mit seiner zweiten Frau ging er zurück ins damalige „Indian Territory“, wo er eine Landzuteilung als Mitglied des Volks der Comanche erhalten hatte. Im Jahre 1926 verließ er diese Gegend wieder, um endgültig zu der Familie seines Bruders Willie nach Loyal Valley zurückzukehren.
Lehman starb am 2. Februar 1932 in Loyal Valley, Mason County, Texas und ist dort neben seiner Mutter und seinem Stiefvater begraben.
Lehmans Autobiographie als historische Quelle
Lehmans Lebensbeschreibung geht weit über persönliche Erlebnisse eines Einzelnen hinaus und enthält ein facettenreiches und lebhaftes Zeit- und Gesellschaftsbild der Indianergesellschaft am Ende der Indianerkriege. Der Schreiber des Vorwortes seiner Autobiographie, Dale F. Giese, lobt das Buch indem er mitteilt, dass er es in seinen Universitätsseminaren seit 20 Jahren als Grundlage für die Lebensweise der Plains Indianer benutzte.
So schilderte Lehmann insbesondere die Härte der Apachen gegen sich selbst wie z. B. das völlige Ignorieren auch heftigster körperlicher Schmerzen und körperlicher Grundbedürfnisse wie essen, trinken und schlafen. Lehmann beschrieb diesen Anpassungsprozess in seiner Autobiographie anschaulich und eindringlich. Weiterhin schildert er die verschiedenen Strömungen innerhalb des Volkes der Comanche und die wesentlichen Feinde: alle Weißen allgemein, andere Indianergruppen, Texas Ranger oder die die Lebensgrundlage der Indianer bedrohenden Büffeljäger. Deutlich wird auch die prekäre Situation der Indianer in jener Zeit, die immer häufiger in das weniger besiedelte und kontrollierte Mexiko ausweichen mussten. Weitere Themen sind die indianische Religionsauffassung, Verhältnis von Mann und Frau, Auffassung der Natur, Essen, Trinken, Jagen, Krieg und Waffen, Erziehung usw. Daraus ergibt sich ein völkerkundlicher Gesamtüberblick über die indianische Lebensweise der Apachen und Comanche in der Zeit der Indianerkriege.
Seine zweite Autobiographie, „Nine Years Among the Indians“, die 1927 in Austin erschien, war mit Hilfe von J. Marvin Hunter auf seine Initiative erschienen. Eine erste Version war vom Ghostwriter zu stark nach dessen Wünschen verändert worden. Von dem amerikanischen Literaturwissenschaftler J. Frank Dobie wurde die Autobiographie als eine der Besten zu diesem Thema gerühmt.
Literatur
- Herman Lehmann mit J. Marvin Hunter: Nine Years Among the Indians. Boeckmann-Jones, Austin 1927; Nachdruck: University of New Mexico Press, Albuquerque 1993, ISBN 0-8263-1417-1
- William Chebahtah und Nancy McGown Minor: Chevato. The Story of the Apache Warrior Who Captured Herman Lehmann. University of Nebraska Press, Lincoln (NE) 2007, ISBN 0-8032-1097-3
Einzelnachweise
- ↑ Herman Lehmann mit J. Marvin Hunter: Nine Years Among the Indians. Boeckmann-Jones, Austin 1927; Nachdruck: 4. Auflage, University of New Mexico Press, Albuquerque 1998 (google-books)
- ↑ Lehmann: Nine years. a.a.O., S. 43
- ↑ Lehmann: Nine years. a.a.O., Seite 106 ff.
- ↑ Lehmann: Nine years. a.a.O., S. 126 ff.
- ↑ Lehmann: Nine years. a.a.O., S. 144 ff.
- ↑ Lehmann: Nine years. a.a.O., S. 197
- ↑ Lehmann: Nine years. a.a.O., S. 192
- ↑ Lehmann: Nine years. a.a.O., S. 202
- ↑ auch in Chebatah et. al.: Chavato. a.a.O., S. 113
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