Isernia la Pineta

Isernia la Pineta

Isernia la Pineta ist eine der ertragreichsten archäologischen Fundstätten Europas, die Spuren menschlicher Anwesenheit im Paläolithikum aufweisen. Diese wurden zunächst auf rund 736.000 ± 40.000 Jahre datiert, später auf 605.000 ± 5.000.[1] Am besten untersucht ist ein Bereich, dessen Alter auf 600.000 Jahre datiert werden konnte. Die frühe Besiedlung der italienischen Halbinsel bei Isernia im Westen von Molise war Teil einer erstmals nachweislich dauerhaften und damit einer verhältnismäßig weiträumigen Besiedlung. Diese setzte punktuell und möglicherweise nur zeitweilig vor etwa einer Million Jahren durch Homo erectus ein.

Die ältesten Fundstätten sind Atapuerca in Spanien, Vallonnet in Frankreich und Pirro Nord am Monte Gargano in Italien, dessen Alter auf 1,3 bis 1,7 Millionen Jahre geschätzt wird.[2] Lange galt Ca' Belvedere di Monte Poggiolo beim italienischen Forlì als die älteste Stätte, aber auch Ca' Poggio (Bologna), Serra (Castelbolognese) oder Covignano (Rimini) zählen zu den frühesten Fundstätten. Ab etwa 700.000 BP kann von einer ununterbrochenen Besiedlung des italienischen Festlands ausgegangen werden. Isernia la Pineta wurde 2006 zum Weltkulturerbe vorgeschlagen.

Aushebungen für die Straßenverbindung von Neapel nach Vastro begannen 1978. Alberto Solinas sammelte in dieser Zeit an den Baustellen erste Artefakte. 1979 begannen die archäologischen Untersuchungen. Das ehemals küstennahe Gebiet hatte einen für Italien typischen Aufbau: Über Meeresablagerungen fand sich Travertin, darüber Ablagerungen von Flüssen und solche vulkanischen Ursprungs, in denen sich die menschlichen Artefakte befinden. Sie verteilen sich auf vier Schichten. Anhand eines kleinen Grabungsabschnitts, der sich auf ein Alter von rund 600.000 Jahren datieren ließ, ließ sich bereits der enorme Wert der Stätte erkennen. Die Grabungen werden fortgesetzt.

Über die örtliche Flora und Fauna ließen sich zahlreiche Aussagen machen: Die weitere Umgebung von Isernia la Pineta bestand aus ausgedehnten Graslandschaften, dazu kamen Marschen und Waldgebiete in den umgebenden Hügeln, die Jagd- und Sammelmöglichkeiten boten. An tierischen Überresten fanden sich Nager, wie die ausgestorbenen Wühlmausarten Pliomys episcopalis Mèhely und Pliomys lenki Heller, aber auch Rötelmäuse und Feldmäuse. Hinzu kamen Wildkaninchen und Eurasische Maulwürfe. Auch die Stockente und der Zwergtaucher wurden gejagt und verzehrt, ebenso wie die Europäische Sumpfschildkröte. An vielen Knochen fanden sich Bearbeitungsspuren, die auf die Bearbeitung mit scharfen Werkzeugen hindeuten; Faustkeile fehlen.

An Steinen zur Werkzeugherstellung standen Kalkstein und Kiesel zur Verfügung. Aus ersterem wurden grobe Werkzeuge oder Chopper hergestellt, aus letzteren Abschläge, die dem Zerlegen der Jagdbeute dienten. Dazu zählten Elefant und Bison, ebenso wie Flusspferd, Bär, Megaloceros giganteus und Hirsch.

Für die örtliche Vegetation waren Süßgräser, Korbblütler oder Hahnenfußgewächse kennzeichnend, ebenso wie Erlen, Akazien, Eichen, Kiefern, Birken, Buchen, Hainbuchen, Eschen und Walnuss sowie Kastanien. Sie alle bevorzugen mehr oder minder feuchte Standorte.

Mit Hilfe von Abdrücken wurde die Fundsituation rekonstruiert und museal aufbereitet. Eine dauerhafte Ausstellung wurde im Museo di S. Maria delle Monache in Isernia eingerichtet. Dort befinden sich etwa 2500 Objekte aus der engeren Grabungszone; allein 11.000 Steinartefakte wurden gefunden[3]. Neben den örtlichen Universitäten von Ferrara und Molise und der zuständigen Soprintendenza für Archäologie sowie der Stadt Isernia und privaten Spendern wurde das Projekt von der Europäischen Kommission im Rahmen des Programms Migration and diffusion of hominids and anatomically modern humans in the Mediterranean basin in early prehistory: paleoenvironments, routes, settlements, subsistance unterstützt.

Literatur

  • Mauro Cremaschi, Carlo Peretto: Les sols d’habitat du site Paléolithique d’Isernia La Pineta (Molise, Italie Centrale), in: L’Anthropologie 92 (1988) 1017–1040.
  • Carlo Peretto, E. Borzatti von Löwenstern, F. Vianello: Isernia la Pineta. Nuovi contributi scientifici, Laboratorio di Ecologia del Quaternario, 1991.
  • C. Peretto: Reperti paleontologici del giacimento paleolitico di Isernia La Pineta, Iannone, Isernia 1996.
  • Maria Angela Rufo, Antonella Minelli, Carlo Peretto: L’industrie en calcaire du site Paléolithique d’Isernia la Pineta : un modèle interprétatif de stratégie comportementale / The limestone industry of the Paleolithic site of Isernia La Pineta: An interpretative model of the behavioural strategies, in: L'Anthropologie 113,1 (2009) 78-95.
  • Ursula Thun Hohenstein, Annarosa Di Nucci, Anne-Marie Moigne: Mode de vie à Isernia La Pineta (Molise, Italie). Stratégie d’exploitation du Bison schoetensacki par les groupes humains au Paléolithique inférieur / Subsistence strategies at Isernia La Pineta (Molise, Italie). Exploitation of Bison schoetensacki in the Lower Palaeolithic, in: L'Anthropologie 113,1 (2009) 96-110.

Weblinks

Anmerkungen

  1. Martin J. Head, Philip Leonard: Early-Middle Pleistocene Transitions. The Land-Ocean Evidence, London: Geological Society, 2005, S. 300.
  2. Marta Arzarelloa, Giulio Pavia, Carlo Peretto, Carmelo Petronio, Raffaele Sardella: Evidence of an Early Pleistocene hominin presence at Pirro Nord (Apricena, Foggia, southern Italy): P13 site, in: Quaternary International (2011) im Druck.
  3. Matt Cartmill, Fred H. Smith: The Human Lineage, John Wiley and Sons, 2009, S. 283.
41.614.23

Wikimedia Foundation.

Игры ⚽ Нужен реферат?

Schlagen Sie auch in anderen Wörterbüchern nach:

  • Isernia — Infobox CityIT img coa = Isernia Stemma.png official name = Comune di Isernia region = Molise province = Isernia (IS) elevation m = 423 area total km2 = 68.74 population as of = December 31, 2004 population total = 21500 population density km2 =… …   Wikipedia

  • Ur- und Frühgeschichte Italiens — Die ältesten menschlichen Spuren reichen in Italien etwa 1,3 bis 1,7 Millionen Jahre zurück und sind damit die ältesten Europas. Sie fanden sich an der Fundstätte Pirro Nord im Norden Apuliens. Bis dahin galten die 1983 am Monte Poggiolo am… …   Deutsch Wikipedia

  • Europäischer Waldelefant — Lebendrekonstruktion eines Elephas antiquus Zeitraum Pleistozän 900.000 bis 33.000 Jahre Fundorte …   Deutsch Wikipedia

  • Panthera spelaea — Lion des cavernes …   Wikipédia en Français

  • Panthera spelaea — Lion des cavernes …   Wikipédia en Français

  • List of archaeological sites sorted by country — This is a list of notable archaeological sites sorted by country. For one sorted by continent and time period, see the list of archaeological sites sorted by continent and age.Afghanistan*Buddhas of Bamyan *Haji Piyada mosque in… …   Wikipedia

  • Knochenwerkzeug — Knochenwerkzeuge (synonym auch Knochengeräte) gehören nach Steinwerkzeugen zu den ältesten nachgewiesenen Werkzeugen der Menschheit. Inhaltsverzeichnis 1 Early Stone Age in Afrika 2 Alt und Mittelpaläolithikum in Europa 3 Jungpaläolithikum …   Deutsch Wikipedia

  • Lion De Béringie — Lion de béringie …   Wikipédia en Français

  • Lion de Beringie — Lion de Béringie Lion de béringie …   Wikipédia en Français

  • Lion de Béringie — Lion de béringie …   Wikipédia en Français

Share the article and excerpts

Direct link
Do a right-click on the link above
and select “Copy Link”