Johannes Franz Suckow

Johannes Franz Suckow

Johannes Franz Suckow (* 3. April 1896 in Stargard; † 7. April 1994 in Dresden) war ein deutscher Psychiater und Neurologe und Direktor der Neurologischen Klinik der Universität Dresden.

Inhaltsverzeichnis

Leben

Herkunft und Studium

Sein Vater, Franz Suckow (1865–1947), war Rektor der Hilfsschule in Stargard, von seiner politischen Ausrichtung eher linksliberal und trat als Vorsitzender des Pommerschen Hilfsschulverbandes für eine breite Volksbildung ein. Seine Mutter Elise, geb. Riedel (1874–1952), war eine lebenszugewandte und sehr energische Hausfrau. Das Gymnasium besuchte Suckow in Stargard. Im September 1914 meldete er sich zu Beginn des Ersten Weltkrieges freiwillig zum Militär. Er wurde an der Ostfront eingesetzt, kam nach einer Verwundung 1915 wieder zurück und konnte als Externer das Abitur ablegen; dann musste er wieder einrücken und wurde 1916 zum Unteroffizier befördert.

Bereits im November 1917 schrieb er sich an der Berliner Universität zum Medizinstudium, das er aber erst 1919 wirklich beginnen konnte. 1920/21 studierte er in München, wo er auch Vorlesungen bei Emil Kraepelin hören konnte. Zurückgekehrt nach Berlin hörte er auch bei Karl Bonhoeffer, der seit 1917 Direktor der Psychiatrischen und Nervenklinik der Charité war. Mit 27 Jahren legte er das Staatsexamen in Medizin ab. Von 1923 bis 1924 arbeitete er als Medizinalpraktikant und als Volontärarzt bei Friedrich Kraus, dem Direktor der 2. Medizinischen Klinik der Charité. Am 20. September 1923 erhielt er die Approbation. Mit der Arbeit „Atemstörungen bei der Encephalitis epidemica“ wurde er zum Dr. med. promoviert. Suckow wechselte 1924 an die Psychiatrische und Nervenklinik der Charité zu Bonhoeffer, der dem eugenischen Gedankengut nicht ablehnend gegenüber stand und der in der NS-Zeit als Befürworter von Sterilisationen von sich Reden machte. 1928 wechselte Suckow als Assistenzarzt an die Leipziger Neurologisch-psychiatrische Klinik unter Leitung von Paul Schröder. Dieser vertrat eine strikt naturwissenschaftliche Interpretation psychischer Krankheiten und auf seine Initiative war 1927 ein Hirnforschungsinstitut gegründet worden. Auch Schröder gehörte schon vor 1933 zu den Unterstützern eines eugenisch-rassenhygienischen Standpunktes in der Psychiatrie.

Karriere in der NS-Zeit

Suckow trat 1933 dem NS-Opferring als zahlendes Mitglied bei, ebenso wurde er Mitglied im NS-Lehrerbund. Im Oktober 1934 heiratete Suckow die Ärztin Magdalena Moderau (1987–1987), die ebenfalls bei Bonhoeffer und Schröder studiert hatte. Der Ehe entstammte ein Sohn.

1934 wurde Suckow Abteilungsleiter in der Landesheil- und Pflegeanstalt Leipzig- Dösen. Im Mai 1935 trat er der Nationalsozialistischen Volkswohlfahrt und dem Reichsbund Deutscher Beamten bei, den NS-Lehrerbund hat er in diesem Jahr verlassen. Von 1936 bis 1938 nahm er auf eigenes Betreiben an vier militärischen Übungen sächsischer Sanitätsstaffeln teil. Der Versuch, ihn zum Oberarzt zu befördern, scheiterte allerdings, da er nicht Mitglied der NSDAP war. Ab 1939 war Suckow Mitglied im NS-Ärztebund.

Von November 1938 bis Februar 1939 hat Suckow vertretungsweise die der Heil- und Pflegeanstalt Pirna-Sonnenstein angegliederte Staatliche Nervenklinik („Maria-Anna-Heim“) geleitet. Zu diesem Zeitpunkt kam er auch in Kontakt zu Hermann Paul Nitsche, dem Leiter der Landesanstalt Pirna-Sonnenstein. Im August 1939 wurde Suckow zur Wehrmacht einberufen und nahm während des Zweiten Weltkrieges als Truppenarzt bzw. im Feldlazarett am Überfall auf Polen, der Frankreich-Offensive und 1941/42 am Russlandfeldzug teil.

Aus dem Krieg zurückgekehrt wurde er auf Initiative Nitsches an eine Forschungsabteilung an der Heil- und Pflegeabteilung Wiesloch, einer Außenabteilung der Heidelberger Psychiatrischen Klinik, berufen. Hier sollten geistig behinderte Patienten vor ihrer Tötung in der Anstalt Eichelberg eingehend untersucht werden und nach der Tötung sollten deren Gehirne an der Heidelberger Klinik pathologisch erforscht werden. Aus diesem Grund findet sich auch der Name Suckow auf der Liste der T4-Ärzte. Leiter der Forschungsabteilung war Carl Schneider (1891–1946). Die Wieslocher Forschungsabteilung wurde allerdings kriegsbedingt bereits zum 31. März 1943 geschlossen, so dass Suckow seine Forschungsarbeit (Motilitätsentwicklung bei Idioten) nicht beenden konnte. Nitsche wollte allerdings von Suckow noch eine Aufstellung aller untersuchten Patienten bekommen, um bei deren Tod die Obduktionsergebnisse verwerten zu können. Eine entsprechende Aufstellung der Patienten, die in der Forschungsabteilung untersucht worden sind, mit Angabe der derzeitigen Anstalt, in der sie untergebracht sind, hat Suckow am 6. Juli 1943 an Schneider gesandt. Er selbst war aber nicht unmittelbar an Tötungsaktionen beteiligt.

„Dass seine kurzfristige Beteiligung an der Arbeit der Wieslocher Forschungsanstalt für keinen der Patienten direkt das Todesurteil bedeutete, war dem weiteren Kriegsverlauf geschuldet. Suckow selbst war dafür später dankbar.“

Marina Lienert: „Euthanasie“-Arzt oder Forscher mit weißer Weste? – Der Psychiater Johannes Suckow (1986–1994) und seine Tätigkeit an der Forschungsabteilung in der Heil- und Pflegeanstalt Wiesloch 1942/43., Leipzig 2007, S. 62)

Von April 1943 bis Ende März 1945 diente Suckow als Stabsarzt und Abteilungsarzt in der Hirnverletztenabteilung des Reservelazaretts Wiesloch. Im März 1945 gelangte er mit einem Verwundetentransport nach Tübingen und geriet in französische Gefangenschaft. Aus dieser wurde er im August 1945 entlassen.

Karriere nach dem Zweiten Weltkrieg

Nach seiner Rückkehr nach Leipzig nahm er seine Tätigkeit an der Dösener Anstalt als Abteilungsarzt und später als stellvertretender Chefarzt wieder auf. Von der Landesregierung Sachsen – Abteilung Gesundheitswesen − wurde er überprüft und als politisch unbedenklich eingestuft. Auch eine zweite Überprüfung seiner Tätigkeit in der NS-Zeit durch das Sächsische Ministerium für Volksbildung hat Suckow unbeschadet überstanden. Im Dezember 1945 trat er in den Freien Deutschen Gewerkschaftsbund ein, was als Zeichen für seine Bereitschaft, sich am Wiederaufbau zu beteiligen bewertet wurde.

Mit Wirkung vom 1. Oktober 1947 erhielt er einen Lehrauftrag an der Universitätsklinik Leipzig. 1950 habilitierte sich Suckow an der Leipziger Universität mit einer Arbeit über Katatone Symptome bei organischen Psychosen und ihre Beziehung zu schizophrenen Erkrankungen. Die Gutachter Richard Arwed Pfeifer (Psychiater und Neurologe) und Max Bürger (Internist) urteilten positiv und auch die Betriebsgewerkschaftsleitung urteilte, Suckow habe noch nicht den Kontakt mit der Arbeiterklasse verloren. Im Februar 1954 wurde Suckow als Professor mit Lehrauftrag an die an die Medizinische Fakultät der Leipziger Karl-Marx-Universität berufen. Nach einigen Querelen wurde Suckow zum 1. September 1955 auf einen Lehrstuhl für Neurologie und Psychiatrie und zum Direktor der Neurologischen Klinik der Universität Dresden berufen. Dort wurde er Gründer der Klinik für Psychiatrie und Neurologie der Medizinischen Akademie Dresden.

Seine Frau verblieb als (Chef-)Ärztin bis zu ihrer Pensionierung an der Anstalt Dösen. In Dresden musste Suckow seine Klinik erst aufbauen. Er verblieb dort als Leiter bis ein Jahr nach seiner Emeritierung, die dann letztendlich am 30. Juni 1963 erfolgte. Suckow starb kurz nach Vollendung seines 98. Lebensjahres in Dresden.

Ehrungen

Literatur

  • Marina Lienert: Deutsche Psychiatrie im 20. Jahrhundert. Der Lebensweg des Psychiaters Johannes Suckow (1896–1994). In: Sudhoffs Archiv zur Wissenschaftsgeschichte 84 (2000), S. 1–18.
  • Marina Lienert: „Euthanasie“-Arzt oder Forscher mit weißer Weste? – Der Psychiater Johannes Suckow (1896–1994) und seine Tätigkeit an der Forschungsabteilung in der Heil- und Pflegeanstalt Wiesloch 1942/43. In: Boris Böhm & Norbert Haase (Hrsg.), Täterschaft – Strafverfolgung – Schuldentlastung. Ärztebiographien zwischen nationalsozialistischer Gewaltherrschaft und deutscher Nachkriegsgeschichte (S. 41–62). Universitätsverlag, Leipzig 2007, ISBN 978-3-86583-166-8.
  • Ernst Klee: Das Personenlexikon zum Dritten Reich. 2. Auflage. Fischer-Taschenbuch-Verlag, Frankfurt am Main 2007, ISBN 978-3-596-16048-8. 

Weblinks

Einzelnachweise

  1. Ernst Klee: Das Personenlexikon zum Dritten Reich, Frankfurt am Main 2007, S. 615.

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