- nulla poena sine culpa
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Die lateinische Formel „nulla poena sine culpa“ drückt eine der wesentlichen Rechtsregeln aus: Niemand darf für eine Tat bestraft werden, wenn ihn keine Schuld trifft (Schuldprinzip, wörtliche Übersetzung der Formel: „keine Strafe ohne Schuld“).
Das Schuldprinzip ist Grundlage für:
- die Strafbegründung: Eine Strafe darf nur verhängt werden, wenn dem Täter seine Tat persönlich zum Vorwurf gemacht werden kann.
- das Strafmaß: Einzige Grundlage für das Strafmaß ist die Schuld des Täters, wobei die voraussichtlichen Strafwirkungen zu berücksichtigen sind.
- die Schuld-Unrechts-Kongruenz: Die Schuld muss alle Elemente des verübten Unrechts umfassen.
Deutschland
Verankert ist das Schuldprinzip nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG) im Rechtsstaatsprinzip des Art. 20 Absatz 3 des Grundgesetzes. Das Rechtsstaatsprinzip enthält im Zusammenhang mit weiteren rechtsstaatlichen Grundsätzen auch das Erfordernis materieller Gerechtigkeit. Aus diesem ergibt sich, dass Strafe jeder Art (insbesondere natürlich die strafrechtliche Strafe) nur auferlegt werden darf, wenn den Bestraften Schuld trifft. Materiell gerecht ist Strafe also nur, wenn und soweit man dem Bestraften den von ihm begangenen Rechtsverstoß zum Vorwurf machen kann. "Andernfalls wäre die Strafe eine mit dem Rechtsstaatsprinzip unvereinbare Vergeltung für einen Vorgang, den der Betroffene nicht zu verantworten hat."( vgl. BVerfGE 20, 323 Rn. 31)
Es wird auch eine Verankerung des Grundsatzes "nulla poena sine culpa" in Art. 103 Absatz 2 des Grundgesetzes vertreten. Art. 103 Absatz 2 des Grundgesetzes lässt Strafbarkeit nur zu, wenn das zu bestrafende Verhalten bereits zum Handlungszeitpunkt mit entsprechender Strafe bedroht war. Dieser Grundsatz lässt sich unterteilen in eine objektive Komponente (Tat muss verboten sein) und eine subjektive (Tat muss persönlich vorwerfbar sein); aus letzterer geht das Schuldprinzip hervor.
Im deutschen Strafrecht ist das Schuldprinzip in § 46, Absatz 1, Satz 1 StGB explizit geregelt: „Die Schuld des Täters ist Grundlage für die Zumessung der Strafe“. Schuldunfähigkeitsgründe finden sich in § § 19 f. StGB; die verminderte Schuldfähigkeit ist in § 21 StGB beschrieben.
Schweiz
Im schweizerischen Strafrecht ist das Schuldprinzip in Art. 19 StGB verankert. Wer nicht fähig ist, das Unrecht seiner Tat einzusehen oder gemäß dieser Einsicht zu handeln, macht sich mangels Schuld nicht strafbar. Bei einer teilweisen Schuldunfähigkeit wird die Strafe gemildert. Nicht berührt davon sind die schuldunabhängigen Maßnahmen wie die stationäre und ambulante Therapie, die Verwahrung oder das Berufsverbot.
Konnte der Täter die Schuldunfähigkeit oder die Verminderung der Schuldfähigkeit vermeiden und die in diesem Zustand begangene Tat voraussehen, erfolgt keine Strafmilderung bzw. Straferlass. Dem Täter wird dann nicht die Tat an sich, sondern die Herbeiführung der Schuldunfähigkeit zum Vorwurf gemacht (actio libera in causa).
2009 forderte Andrea Geissbühler mittels einer von 39 SVP-Parlamentariern mitunterzeichneten parlamentarischen Initiative die Abschaffung des Schuldprinzips.[1]
Fußnote
- ↑ Parlamentarische Initiative 09.500 vom 2. Dezember 2009, StGB. Streichung von Artikel 19 und Artikel 20.
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