- Abraham Goldfaden
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Abraham Goldfaden (* 12. Julijul./ 24. Juli 1840greg. in Staro-Konstantinow, Ukraine; † 9. Januar 1908 in New York;[1] eigentlich Avrum Goldnfoden, auch Avram Goldfaden, Abraham ben Chajim Lippe Goldfaden) war ein jiddischer Volksdichter und Komponist und gilt als Begründer des modernen jiddischen Theaters, für das er als Autor, Schauspieler, Regisseur, Dekorateur und Direktor tätig war.
Inhaltsverzeichnis
Leben
In seinem Geburtsort erhielt Goldfaden nicht nur eine gründliche Ausbildung in Talmud und Hebräisch, sondern erlernte auch Russisch und Deutsch sowie weltliche Fächer.
Um dem Militärdienst zu entgehen, wurde Goldfaden mit 15 Jahren auf eine staatliche Schule geschickt, wo er unter den Einfluss seines Lehrers Abraham Bär Gottlober (1810–1899) geriet, eines hebräischen Schriftstellers, der ebenfalls ein Liebhaber der jiddischen Sprache war.
Der Abschluss an dieser Schule im Jahre 1857 ermöglichte Goldfaden, das rabbinische Seminar in Schitomir bis 1866 zu besuchen, in dem Rabbiner, Lehrer und jüdische Beamte für den russischen Staatsdienst ausgebildet wurden. Gottlober und weitere Vertreter der Haskala ermutigten ihn dort, hebräische Lyrik zu schreiben, die er erstmals 1862 im Hamelitz veröffentlichen konnte. Nach Beendigung seines Studiums (1866) war Goldfaden staatlicher Lehrer in Simferopol, dann in Odessa.
1865 hatte Goldfaden eine Sammlung seiner hebräischen Lieder herausgegeben, im Jahr darauf folgte die erste Sammlung seiner jiddischen Lieder unter dem Titel Dos Jüdele. 1875 schloss er sich einem Klassenkameraden an, Isaak Joel Linetzki (1839–1915), der Lessings Nathan der Weise ins Jiddische übersetzte, und gab zusammen mit ihm in Lemberg eine humoristische Zeitschrift namens Der alter Jisrolik heraus, die aber nur kurze Zeit Bestand hatte. 1876 gab Goldfaden – ebenso erfolglos – in Czernowitz das Bukowinaer Israelitische Volksblatt heraus.
Goldfaden ging nun nach Rumänien, wo er die Broder-Sänger[2] traf, eine Gruppe von herumziehenden jüdischen Sängern, die mit Hilfe einer sehr einfachen Bühnenausstattung (ein Tisch und zwei Kerzen) in Weinkellern und Biergärten jiddische Lieder zum Besten gaben. Für einige dieser Sänger schrieb er kurze Prosadialoge im Rahmen einer dramatischen Handlung, und so entstanden im Oktober 1876 die ersten Aufführungen von jiddischen Theaterstücken. Nach dem großen Erfolg dieser Aufführungen in Jassy, der nicht zuletzt auch auf den Russisch-Osmanischen Krieg und den dadurch regeren Fremdenverkehr in der rumänischen Hauptstadt zurückzuführen war, engagierte Goldfaden zusätzliche Spieler und dehnte seine Tourneen bis nach Bukarest und Odessa aus. Der Erfolg steigerte sich und veranlasste die Gründung zusätzlicher jiddischer Theatergruppen.
Nach dem Krieg kehrte Goldfaden 1879 nach Russland zurück, machte sich mit dem jiddischen Schriftsteller Mendale Lilienblum und anderen bekannt und spielte mit großem Erfolg in Odessa, Charkow, Minsk, Moskau, St. Petersburg und anderen Städten.
Am 14. September 1883 verbot die russische Regierung aus Angst vor diesem neuen Massenmedium, aber auch auf Betreiben orthodoxer Kreise, Aufführungen in Jiddisch. In der Folge emigrierten zahlreiche Autoren in den Westen: In Paris, London und New York wurden jiddische Theater gegründet. Goldfaden versuchte nun sein Glück in Warschau mit der Aufführung von Stücken in deutscher Sprache, fand aber damit kaum Anklang und wanderte 1887 nach Amerika aus. 1887 hielt er sich in New York auf, versuchte sich als Herausgeber der Jiddischen Illustrierten Zeitung, kehrte erfolglos 1890 wieder nach Europa zurück, konnte dort an seine alten Erfolge anknüpfen und leitete Aufführungen seiner Stücke in London, Paris, Lemberg[3], Wien und Bukarest.
1903 kehrte er in die USA zurück und lebte die letzten fünf Jahre seines Lebens in New York. Lange Zeit hatte er unter großer wirtschaftlicher Not gelitten, so dass er auf Unterstützung angewiesen war und beispielsweise die zionistische Führung in Wien in einem Rundschreiben an die Mitglieder des Aktionskomitees (10. Januar 1900) darum bat, für ihn Gelder zu sammeln.
Künstlerische Bedeutung
Die ersten Stücke von Goldfaden hatten satirische Züge. Der Fanatik oder di zwej Kuni Lemels („Der Fanatiker oder die zwei Unbeholfenen“) ist eine Adaptation von Molières satirischer Komödie Les précieuses ridicules.
In den 1880er Jahren, geprägt von den Pogromen des Jahres 1881 infolge des Attentats auf Zar Alexander II., wurden seine Stücke dramatischer. Das Stück Bar Kochba (1883), das den letzten erfolglosen jüdischen Aufstand gegen die Römer beschreibt, steht im Zeichen des aufkommenden Zionismus.
Nach Theodor Herzls Tod 1904 schrieb Goldfaden sein letztes Stück Ben Ami („Sohn meines Volkes“), das einige Tage vor Goldfadens Tod uraufgeführt wurde. Dies ist zum großen Teil eine Adaptation des zionistischen Romans Daniel Deronda von George Eliot, dessen Handlung jedoch nach Odessa versetzt wird; der englische Aristokrat, der das von Pogromen erschütterte jüdische Volk bewundert, wird bei Goldfaden zu einem russischen Baron.
Obwohl Goldfaden kein Instrument spielte und keine Noten lesen oder schreiben konnte, versah er seine Stücke selbst mit Melodien, von denen einige populär geblieben sind (z. B. das Wiegenlied Rosinkes mit Mandlen).
Goldfaden schrieb über 60 Stücke, die nicht alle veröffentlicht wurden und zum Teil geringen literarischen Wert haben. Sie wurden jedoch über Generationen hinweg gepflegt und wurden zum ständigen Repertoire des jiddischen Theaters.
Werke (Auswahl)
Erscheinen oder Entstehungszeit bekannt
- Zizim uprachim. 1865. 2. Auflage Krakau 1897 (sein erster Band hebräischer Lieder).
- Dos Jüdele. 1866, 2. Auflage 1891 (Sammlung 22 seiner Mutter gewidmeter jiddischer Lieder)
- Die Jidene. 1869 (jiddische Liedersammlung).
- Der alter Jisrolik. 1875 (kurzlebige humoristische Zeitschrift).
- Schmendrick oder Die komishe Chaseneh. 1877 (satirischer Einakter über das Ghettoleben, die Hauptrolle Sigmund Mogulescu auf den Leib geschrieben).
- Der Fanatik oder di zwej Kuni Lemels. 1880 („Der Fanatiker oder die zwei Unbeholfenen“).
- Bar Kochba, oder die letzten Tage von Jerusalem. Melodrama in 4 Akten und 14 Bildern. Warschau 1883 (weltweit vielfach erfolgreich aufgeführt)
- Das zehnte Gebot. Zaubermärchen in 5 Akten, 10 Verwandlungen und 28 Bildern. New York 1887 (weltweit vielfach erfolgreich aufgeführt).
- Die kaprizne Kallemoid oder Kapzensohn und Hungermann. Melodrama in 4 Akten und 5 Bildern. Warschau 1887 (weltweit vielfach erfolgreich aufgeführt).
- Dr. Almossado, oder die Juden in Palermo. (Stück in fünf Akten). Warschau 1888.
- Sulamith oder Tochter Jerusalems. Melodrama in 4 Akten und 15 Bildern. Lemberg 1889.
- König Ahasveros oder Königin Esther. Biblische Operette in 5 Akten und 15 Bildern. Lemberg 1890 (weltweit vielfach erfolgreich aufgeführt).
- Die komische Chassene. Komödie in 3 Akten. Warschau 1890 (weltweit vielfach erfolgreich aufgeführt).
- Moschiachs Zeiten. Operette in 6 Akten und 30 Bildern. Krakau 1891 (weltweit vielfach erfolgreich aufgeführt. Zionistisches Stück: Die messianische Zeit werde weder in Russland noch in Amerika, sondern allein in Palästina anbrechen).
- Rabbi Joselmann oder die G'seres von Elsass. Historische Operette in 5 Akten und 23 Bildern. Erstaufführung Lemberg 1894 oder 1895.
- Die Opferung Isaaks oder Die Zerstörung von Sodom und Gomorrha. Operette in 4 Akten und 40 Bildern. Krakau 1897 (weltweit vielfach erfolgreich aufgeführt).
- Ben Ami. („Sohn meines Volkes“). Nach 1904; Uraufführung New York 1908.
Ohne Jahr bzw. nicht ermittelt
- Al Naharoth Babel. („An den Strömen Babylons“, Lied).
- Asoi sugt Gott azind. (Lied).
- Der Katarrh. (früher Einakter).
- Der Lügner oder Taudrus blos. (Bühnenstück).
- Die Bobe mit 'm Einikel. (früher Einakter).
- Die Holeschke. (Lied).
- Die Kischufmacherin. (Bühnenstück).
- Die Rekruten. (früher Einakter).
- Die Schwebalech. (früher Einakter).
- Die stumme Kale. [= Braut] (früher Einakter).
- Rosinkes mit Mandlen. (Wiegenlied).
- Rothschild. (Drama).
- Verjummert, Verklugt. (Lied).
Ausgaben
- Nationale Gedichte in jiddischer Sprache. Krakau 1898.
- Geklibene dramatische werk. Tekst-zugreitung un areinfir S. Bilow un A. Welednizki. Kiew 1940.
Literatur/Quellen (Auswahl)
- Eisenstein: The Father of the Jewish Stage. 1901.
- Abraham Aron Roback: Goldfaden bukh. Jewish Theatre Museum, New York 1926.
- N. Ausländer und U. Finkel: Abraham Goldfaden. Minsk 1926.
- Salomon Wininger: Große Jüdische National-Biographie. Band 2. Czernowitz 1927.
- Eugen Tannenbaum: Artikel Abraham Goldfaden. In: Jüdisches Lexikon. Bd. II., Berlin 1927.
- Abraham Aron Roback: The story of Yiddish literature. Yiddish scientific institute, American branch, New York 1940.
- Leksikon fun der nayer Yidisher literatur.. 2. Auflage, New York 1958 (mit Bibliographie).
- Brockhaus Enzyklopädie. Bd. VII. 1969.
- Günter Stemberger: Geschichte der jüdischen Literatur. Beck, München 1977, ISBN 3-406-06698-4.
Anmerkungen
- ↑ An der Beerdigung nahm auch der zufällig gerade in Amerika weilende Nathan Birnbaum teil
- ↑ Vgl. bei Berl Broder
- ↑ dort als Direktor des Jüdischen Theaters 1894/95
Weblinks
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Commons: Abraham Goldfaden – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien
- Rosinkes mit Mandlen
- Goldfaden Awrom Biografie in der Großen Sowjetischen Enzyklopädie
- Goldfaden, Abraham b. Ḥayyim Lippe Biografie in der Jewish Encyclopedia
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