Haskala

Haskala

Haskala (השכלה) (auch: Haskalah) entstammt der hebräischen Wortwurzel שכל s-k-l, woraus unter anderem das Wort Sechel (Verstand) abgeleitet wird. Haskala bedeutet Bildung, Aufklärung und bezeichnet insbesondere die jüdische, von Berlin ausgehende Bewegung der Aufklärung zwischen 1770 und 1880. Ihr Hauptvertreter war der bekannte Philosoph Moses Mendelssohn.

Inhaltsverzeichnis

Bedeutung

Ihren Ursprung hatte die Haskala im jüdischen Berliner Bürgertum, das von den Schriften vor allem der französischen Aufklärung inspiriert war und angesichts der – durch die historischen und ökonomischen Entwicklungen vorangetriebenen – Veränderung der Sozialstrukturen eine weitere Isolierung des Judentums befürchtete. Die Haskala spielte in dem Prozess der Judenemanzipation als Mittler zwischen den Eliten der christlichen Mehrheitsgesellschaften und den jüdischen Gemeinden in Europa eine herausragende Rolle.

Die Hauptziele richteten sich auf Säkularisierung, also Trennung von Religion und Staat, und Öffnung in die christliche Mehrheitsgesellschaft durch Herstellung persönlicher wie institutioneller Kontakte und Heranführung an jüdische Glaubenslehren. Dabei entwickelte sich eine Spannung zwischen der erstrebten Erneuerung des Judentums und der Konfrontation mit der jüdischen Orthodoxie.

Mit der bürgerlichen Revolution in Westeuropa verband sich einerseits die erhoffte Emanzipation der jüdischen Bevölkerung, gleichzeitig entstand eine moderne Judenfeindlichkeit.

Personen

Wichtige Vertreter (Maskilim) der Haskala in Deutschland waren unter anderem:

  • Moses Mendelssohn (1729–1786) war ein auch bei Nicht-Juden anerkannter Philosoph. Einerseits konnte er durch seine Verteidigung der Dresdner Juden 1777 ihre Vertreibung mit verhindern. Andererseits hat er sich vor allem mit seiner deutschen Bibelübersetzung (in hebräischen Buchstaben) und der Aufsicht über den Biur (eine grammatikalische Bibelerklärung) bleibende Verdienste um die Hebung des Wissensstandes des bisher nur talmudisch gebildeten Judentums erworben und sowohl der deutschen als auch der hebräischen Sprache nachhaltige Impulse verliehen. Mendelssohn diente Lessing als Vorbild für die Hauptfigur seines Versdramas Nathan der Weise.
  • David Friedländer (1750–1834) gründete 1778 die erste jüdische Freischule in Berlin, deren Bildungsprogramm der Haskala verschrieben war und einen Gegenpart zur traditionellen Erziehung im Cheder bildete.
  • Isaac Euchel (1756–1804) war Herausgeber der hebräischen aufklärerischen Zeitschrift Hame'assef, Schriftsteller, Verleger und Gründer verschiedener Gesellschaften der jüdischen Aufklärung. Euchel kämpfte für die Erneuerung der hebräischen Sprache und eine Reform des Judentums.
  • Rahel Varnhagen (1771–1833) bot mit ihrem Literarischen Salon in Berlin ein Zentrum der deutschen Literatur der Romantik (→ Salon der Rahel Varnhagen). In ihren Briefen trat sie für die Rechte der Frauen und der Juden und Jüdinnen ein.
  • Israel Jacobson (1768–1828) war Theologe und Schulgründer (→ Jacobsonschule).
  • Julius Fürst (1805–1873) war der erste jüdische Professor der Universität Leipzig. In seinen Veröffentlichungen (z. B. in der Zeitschrift Der Orient, deren Herausgeber er war) förderte er die wissenschaftliche Auseinandersetzung mit den kulturellen, linguistischen und literarischen Wurzeln des Judentums.

Auch in Russland gab es im 19. Jahrhundert wichtige Vertreter der Haskala, so zum Beispiel den Schriftsteller Abraham Mapu, Schöpfer des hebräischen Romans, und den Dichter und Kritiker Jehuda Leib Gordon (→ Geschichte der Juden in Russland).

Sonstiges

Das Abgeordnetenbüro der thüringischen Politikerin Katharina König (Die Linke) in Saalfeld trägt den Namen Haskala.

Literatur

  • Christoph Schulte: Die jüdische Aufklärung. Philosophie, Religion, Geschichte. C. H. Beck, München 2002, ISBN 3-406-48880-3.
  • Isaak Euchel: Vom Nutzen der Aufklärung. Schriften zur Haskala. Hrsg. v. Andreas Kennecke, Parerga, Berlin 2000, ISBN 978-3-930450-58-9.
  • Shmuel Feiner: Haskala – Jüdische Aufklärung. Geschichte einer kulturellen Revolution. Hildesheim/Zürich/New York 2007, ISBN 978-3-487-13531-1 (Übersetzung der hebräischen Ausgabe, Jerusalem 2002; Netiva – Wege deutsch-jüdischer Geschichte und Kultur. Studien des Salomon Ludwig Steinheim-Instituts 8)
  • Karlfried Gründer/Nathan Rotenstreich: Aufklärung und Haskala in jüdischer und nichtjüdischer Sicht. Niemeyer, Tübingen 1990, ISBN 978-3-484-17514-3.
  • Gerhard Lauer: Die Rückseite der Haskala. Geschichte einer kleinen Aufklärung. Wallstein Verlag, Göttingen 2008, ISBN 978-3-8353-0345-4.
  • Uta Lohmann/Ingrid Lohmann (Hrsg.): „Lerne Vernunft!“ Jüdische Erziehungsprogramme zwischen Tradition und Modernisierung. Quellentexte aus der Zeit der Haskala, 1760–1811. Waxmann, Münster 2005, ISBN 978-3-8309-1504-1.
  • Josef Meisl: Haskalah. Geschichte der Aufklärungsbewegung unter den Juden in Russland, neu herausgegeben von Andreas Kennecke. ISBN 978-3-942047-00-5
  • Michael Graetz: Jüdische Aufklärung, Seiten 251-351; in Mordechai Breuer und Michael Graetz: Deutsch-jüdische Geschichte der Neuzeit, Band I 1600-1780, C. H. Beck, 1. Aufl., München 2000

Weblinks

  • Peter Dietrich: Kurzbiographien der Autoren. In: Uta Lohmann/Ingrid Lohmann (Hrsg.): „Lerne Vernunft!“ Jüdische Erziehungsprogramme zwischen Tradition und Modernisierung. Quellentexte aus der Zeit der Haskala, 1760–1811. Waxmann, Münster 2005, S. 532–542 (PDF).

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