Liturgiereform der Karwoche von 1955

Liturgiereform der Karwoche von 1955

Inhaltsverzeichnis

Historische Entwicklung

Eine bedeutende Veränderung des Missale Romanum vor dem Zweiten Vatikanischen Konzil war die in den Jahren 1951 bis 1957 unter Papst Pius XII. durchgeführte Neuordnung der Liturgie der Karwoche und der Osternacht. Die Feier der Auferstehung Christi wurde von der frühen Kirche als Vigil, das heißt Nachtwache, in der Nacht zum Ostersonntag gefeiert, woraus sich die Bezeichnung Osternacht bzw. Ostervigil ableitet. Die Liturgie dauerte mehrere Stunden, was durch die hohe Zahl an Taufen und Firmungen der Katechumenen und durch die Zahl und Länge der Lesungen bedingt war. Mit der Zeit ging die Zahl an Erwachsenentaufen immer weiter zurück, weshalb sich auch die Zeitdauer der Vigil verkürzte; schließlich endete die Feier der Osternacht schon vor Mitternacht.[1] Ab dem 8. Jahrhundert begann man immer früher am Abend und schließlich bereits am Vormittag mit dem Beginn der Feier. Dies geschah zunächst mit kirchlicher Duldung, bis Papst Pius V. hieraus eine Vorschrift machte und die Abendmessen selbst am Vorabend von Ostern untersagte.[2]

Im Zuge der liturgischen Erneuerung im 20. Jahrhundert wurde die Auferstehungsfeier am Morgen des Karsamstags zunehmend als unpassend und unzeitig empfunden. Zum einen führte der frühe Zeitpunkt der Feier dazu, daß die Auferstehungsfeier mitten im Tag der eigentlichen Grabesruhe Christi lag, zum anderen wurde anschließend trotz des Osterjubels in der Heiligen Messe weiter gefastet , denn das Osterfasten endete erst um Mitternacht. Die Gläubigen konnten zudem an den morgendlichen Gottesdiensten des Triduum Sacrum in der Regel nicht teilnehmen, weil Karfreitag und Karsamstag inzwischen normale Arbeitstage geworden waren. Die wichtigsten Feiern im Kirchenjahr fanden also oft als reine Klerikergottesdienste statt.

Schon in den 1930er Jahren gab es daher Experimente auf Gemeindeebene mit einer Rückverlegung der Auferstehungsfeier in die Osternacht. In den 1940er Jahren wurde das Anliegen dem Papst vorgetragen. Pius XII. beauftragte die Kongregation für die Riten 1946 mit der Überarbeitung des Ordo Hebdomadae Sanctae, der liturgischen Ordnung für die Heilige Woche. Am 9. Februar 1951 erließ diese Kongregation auf Geheiß des Papstes ein Dekret zur Wiederherstellung der Ostervigil. Die Regelungen galten zunächst „ad experimentum“ für ein Jahr, 1952 wurden sie für drei weitere Jahre verlängert. Am 16. November 1955 erließ die Ritenkongregation das Generaldekret Maxima redemptionis nostrae mysteria, mit dem die ganze Liturgie der Heiligen Woche neu gefasst wurde. Wesentlicher Grundsatz war die zeitliche „Wahrheit“ (veritas) der Feiern. Daher fand die Messe vom Letzten Abendmahl am Gründonnerstag wieder am Abend statt (frühestens 16 Uhr, spätestens 20 Uhr), die Feier vom Leiden und Sterben Christi am Karfreitag zur biblisch überlieferten Sterbestunde Jesu (die „neunte Stunde“ des Tages = 15 Uhr) und die Auferstehungsfeier in der Nacht zum Ostersonntag.

Daneben wurden die Rubriken und Messformulare deutlich verändert und zwar nicht durch Restauration einer bestimmten Phase ihrer Entwicklungsgeschichte, sondern im Geist gesunder Tradition unter Beachtung des seelsorgerlichen Nutzens.

Liturgische Veränderungen

Liturgische Kleidung

Der Diakon und Subdiakon trugen nicht mehr gefaltete Kaseln bzw. eine breite Stola ("Stola largior"), sondern wie sonst üblich Dalmatik und Tunicella. In der Liturgie nach dem 2. Vatikanum wurde diese Vorschrift dann komplett, z. B. auch für den Advent, gestrichen.

Veränderungen in der Liturgie des Palmsonntags

Die Anzahl der Orationen zur Palmweihe wurde reduziert und die Weihepräfation unterblieb gänzlich. Dazu war Rot als die liturgische Farbe für Palmweihe und Prozession vorgegeben, um den Gedanken an das Königtum Christi deutlicher hervorzuheben. Für die Messe blieb die liturgische Farbe noch bis zum Zweiten Vatikanischen Konzil Violett. Beim Einzug in die Kirche unterblieb das dreimalige Anklopfen mit dem Schaft des Vortragekreuzes an die geschlossene Kirchentür. Auch das Evangelium, in dem nach wie vor die Passion gelesen wird, wurde gekürzt, die entsprechenden Abschnitte wurden nun in den Heiligen Messen der Karwoche gelesen. Das Evangelium des Palmsonntags beginnt nun mit dem Gang nach Gethsemani.

Montag der Karwoche

Das Gebet "Gegen die Verfolger der Kirche" („Contra persecutores Ecclesiae“) in der Messe wurde abgeschafft.

Dienstag und Mittwoch der Karwoche

Bei der Verlesung der jeweiligen Passion (nach Markus bzw. Lukas) fällt der Abschnitt vom Letzten Abendmahl weg.

Gründonnerstag

Die Verlegung der Fusswaschung (Mandatum) in die Messe vom Letzten Abendmahl war die deutlichste Veränderung. Dieser Ritus kann seither nicht nur in Bischofs- und Abtei- sondern auch in Pfarrkirchen ausgeübt werden. Für die Übertragung des Allerheiligsten wird nicht mehr nur eine einzige Hostie verwendet, sondern das Ziborium, das in der Hl. Messe zusätzlich konsekrierte Hostien für die Feier vom Leiden und Sterben Christi am Karfreitag enthält. Zuvor war es üblich, dass der Priester die Hostie für den Karfreitag in den Kelch legte, den er mit einer umgedrehten Patene und dem Korporale bedeckte. Bei der Entblößung des Altares werden im Gegensatz zum vorherigen Ritus auch das Altarkreuz und die Leuchter entfernt.

Veränderungen in der Feier vom Leiden und Sterben Christi

Auch bei der „Fürbitte für die Juden“ beugen die Gläubigen nun das Knie. Der Altar wird erst zu den Großen Fürbitten mit einem Altartuch bedeckt. Zuvor wurde es bereits zu Beginn der Feier während der Prostratio aufgelegt. In der Karfreitagsliturgie wird kein Weihrauch verwendet. Die Kreuzverehrung wurde dahingehend vereinfacht, dass statt der doppelten eine einfache Kniebeuge erfolgte. Auch die Verwendung eines violetten Kissens mit einem das Grabtuch symbolisierenden weißen Leinentuch bei der Kreuzverehrung entfällt. Die hl. Kommunion in Form der vorgewandelten Gaben wird auch den Gläubigen gespendet. Eine weitere Änderung betraf die liturgischen Gewänder und deren Farbe. Trug der Priester vor der Reform nahezu während der gesamten Feier eine schwarze Kasel (die er allein zur Kreuzverehrung ablegte), trugen die Zelebranten nach der Reform im ersten Teil der Feier gar kein liturgisches Obergewand, sondern nur Albe und Stola (schwarz). Zu den Großen Fürbitten legte der Hauptzelebrant dann einen schwarzen Chormantel an und zur Kommunionfeier eine violette (!) Kasel. Diakon und Subdiakon trugen entsprechend Dalmatik und Tunicella (schwarz zu den Fürbitten, violett zur Kommunionfeier), die gefalteten Kaseln (schwarz) und die Stola largior wurden auch in der Karfreitagsliturgie abgeschafft.

Osternacht

Der Triangelleuchter vor 1955.

Die Osterkerze wird am Osterfeuer vor der Kirche bereitet und auch bereits für die Lichtfeier benutzt. Bis dahin weihte man am Osterfeuer lediglich die fünf Weihrauchkörner, die Osterkerze hingegen erst im Exsultet. Die Lichtfeier wurde vorher mit einem dreiarmigen Kerzenleuchter, welcher die drei Marien und auch die Dreifaltigkeit symbolisierte, durchgeführt. Die Osterkerze hatte ihren Platz nun nicht mehr auf der Evangelienseite, sondern mitten im Chorraum der Kirche. Die zwölf Lesungen aus dem Alten Testament wurden auf vier reduziert. Nach dem zweiten Vatikanum wurde deren Zahl wieder auf sieben erhöht. In der Allerheiligenlitanei wurden nicht mehr jede Anrufung und deren Antwort doppelt gesungen. Die Allerheiligenlitanei wurde zu Beginn der Tauffeier gesungen; Bei der Weihe des Taufwassers durfte das Waser auch in einem geeigneten Gefäß im Chorraum geweiht werden. Auf die Feier der Taufe folgt die völlig neu eingeführte Erneuerung des Taufversprechens der Gläubigen.

Links und Quellen

Einzelnachweise

  1. Heidi-Maria Stowasser: Die Erneuerung der Vigilia Paschalis; Dissertation 1987; S. 89 f.
  2. Heidi-Maria Stowasser: Die Erneuerung der Vigilia Paschalis; S. 90.

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