Charles Leonard Hamblin

Charles Leonard Hamblin

Charles Leonard Hamblin (* 1922; † 14. Mai 1985) war ein australischer Philosoph, Logiker und Computerpionier sowie Professor für Philosophie an der Technischen Universität (heute: Universität) von New South Wales in Sydney. Zu seinen bekanntesten Leistungen auf dem Gebiet der Informatik zählen die Einführung (manche Quellen meinen auch Erfindung) der umgekehrten polnischen Notation und – unabhängig von und etwa gleichzeitig mit Friedrich Ludwig Bauer und Klaus Samelson – die Erfindung des Stapelspeichers. Hamblins bekanntester Beitrag zur Philosophie ist sein Buch Fallacies, bis heute ein Standardwerk auf dem Gebiet der Fehlschlüsse.

Inhaltsverzeichnis

Leben und Wirken

Nach dem – durch den Zweiten Weltkrieg und den Radar-Dienst bei der australischen Luftwaffe unterbrochenen – Studium von Mathematik, Physik und Philosophie an der University of Melbourne promovierte Hamblin 1957 an der London School of Economics. Von 1955 war er erst Lehrbeauftragter, schließlich bis zu seinem Tode Professor für Philosophie an der damaligen Technischen Universität von New South Wales.[1]

In der zweiten Hälfte der 1950er Jahre wurde Hamblin am dritten in Australien verfügbaren Computer aktiv, einem Exemplar des DEUCE (Akronym für Digital Electronic Universal Computing Engine, „digitale, elektronische Universalrechenmaschine“), einer von der (später in Marconi und British Aerospace aufgegangenen) Firma English Electric hergestellten kommerziellen Version des von Alan Turing maßgeblich mitgeplanten ACE. Für den DEUCE entwarf Hamblin eine der ersten Programmiersprachen überhaupt, das auf umgekehrter polnischer Notation beruhende GEORGE (Akronym für General Order Generator, „allgemeiner Ablaufgenerator“), samt dem zugehörigen Compiler (Sprachübersetzer), der die in GEORGE formulierten Programme in die Maschinensprache des Rechners übersetzte.[2]

Hamblins Arbeiten gelten als die erste tatsächliche Beschäftigung mit umgekehrter polnischer Notation, weshalb er oft auch als Erfinder dieser Darstellungsweise genannt wird.[3] Unabhängig von der Frage, ob man die umgekehrte polnische Notation als eigenständige Darstellungsweise oder – wie Hamblin selbst[4] – als Variante der bereits zwischen 1920 und 1930 vom polnischen Logiker und Philosophen Jan Łukasiewicz entwickelten gewöhnlichen polnischen Notation betrachtet (und ob Łukasiewicz selber, was nahe liegt, beide Varianten gesehen hat), kommt Hamblin jedenfalls das Verdienst zu, den Vorteil der umgekehrten polnischen Schreibweise bei der Verarbeitung auf programmierbaren Computern erkannt[5] und Algorithmen hierfür angegeben zu haben.[6]

Das zweite unmittelbare Ergebnis der Beschäftigung mit der Entwicklung von Compilern war das Konzept des Stapelspeichers, das Hamblin unabhängig von Friedrich Ludwig Bauer und Klaus Samelson entwickelte, denen 1957 ein Patent für die Verwendung eines Stapelspeichers zur Übersetzung von Programmiersprachen erteilt wurde. Im selben Jahr – 1957 – stellte Hamblin sein Stapelkonzept bei der ersten australischen Computerkonferenz vor.[7] Hamblins Arbeiten gaben mit den Anstoß für die Entwicklung stapelbasierter Computer, deren Maschinenbefehle ihre Argumente von einem Stapel beziehen und das Ergebnis wieder auf diesem Stapel ablegen.[8]

In den 1960er Jahren begann sich Hamblin wieder vermehrt philosophischen Fragestellungen zuzuwenden. Neben einem einflussreichen Einführungsbuch in die formale Logik entstand sein bis heute als Standardwerk geltendes und in Druck befindliches Werk Fallacies, das sich der Behandlung von Fehlschlüssen durch die traditionelle Logik widmet und mit dem er die formale Dialektik ins Leben rief. Ebenso gilt Hamblin als einer der Begründer der modernen temporalen Logik (Zeitlogik) und der modernen Fragelogik.[9]

Einzelnachweise

  1. Siehe Peter McBurney, Charles L. Hamblin: Computer Pioneer, This Month in Automated Decision-Making 3, 3. März 2003.
  2. Hinsichtlich der Informationen dieses Absatzes deckt sich die verfügbare Literatur; beispielhaft sei auf die ausführliche Darstellung eines ehemaligen DEUCE-Wartungstechnikers hingewiesen, die auf einer Unterseite ausdrücklich auf Hamblin Bezug nimmt. Siehe die beiden im Abschnitt Werke angeführten Artikel Hamblins aus den Jahren 1957 und 1960.
  3. z. B. Peter McBurneys bereits zitierter Text oder John Kennedy: RPN Perspective, PPC [Personal Programmable Calculators] Calculator Journal, Volume 9, Number 5, August 1982, S. 26–29.
  4. „[Polish] notation [...] has some other advantages. In particular Reverse Polish [...]“ (Hamblin 1962, Seite 210, Hervorhebung im Original), beachte das „in particular“
  5. „In particular Reverse Polish [. . . ] has the property that the operators appear in the order in which they are required in computation.“ Hamblin 1962, S. 210, Hervorhebung im Original.
  6. Eine Überblicksdarstellung bietet sein Artikel Translation to and from Polish Notation aus dem Jahr 1962.
  7. Der Text hierzu, An Addressless Coding Scheme based on Mathematical Notation, ist ebenso wie die ausführlichere Darstellung GEORGE, an Addressless Coding Scheme for DEUCE, im Abschnitt Werke angeführt.
  8. „The English Electric KDF8 and Burroughs B5000 [...] each of [which] uses a ‚push down‘ [...] type of store for arithmetic operands and results, following a scheme suggested by the present author.“ (Hamblin 1962, Seite 210)
  9. Jim Mackenzie: Charles Leonard Hamblin, 1922-1985, Australasian Journal of Philosophy, Volume 63, Number 3, September 1985

Werke

Monographien

Einflussreiche Artikel

  • Translation to and from Polish Notation. In: The Computer Journal 5/3, Oktober 1962, S. 210–213
  • An Addressless Coding Scheme based on Mathematical Notation. In: W.R.E. Conference on Computing, Proceedings, Salisbury: Weapons Research Establishment 1957
  • GEORGE, an Addressless Coding Scheme for DEUCE. In: Australian National Committee on Computation and Automatic Control, Summarized Proceedings of First Conference, paper C6.1, 1960
  • Computer Languages. In: The Australian Journal of Science 20, S. 135-139. Nachgedruckt in The Australian Computer Journal 17/4, S. 195-198 (November 1985)

Weblinks


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