Mindestarbeitsbedingungen (Pflegebranche)

Mindestarbeitsbedingungen (Pflegebranche)

Für die Pflegebranche können durch eine Rechtsverordnung des Bundesministeriums für Arbeit und Soziales nach § 11 AEntG verbindliche Mindestarbeitsbedingungen für alle Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer dieser Branche, insbesondere ein Mindestlohn, festgelegt werden. Der Inhalt der Mindestarbeitsbedingungen wird dabei abweichend von anderen Branchen nicht in einem Mindestlohntarifvertrag festgelegt, sondern von einer Kommission vorgeschlagen, der Gewerkschaften und nicht kirchliche Pflege-Arbeitgeber sowie Dienstgeber und Dienstnehmer der Kirchen angehören. Bisher wurden allerdings noch keine Mindestarbeitsbedingungen für die Branche festgelegt.

Inhaltsverzeichnis

Gesetzliche Grundlage

Das Zustandekommen und die Wirkung der Mindestarbeitsbedingungen richtet sich nach dem Arbeitnehmer-Entsendegesetz (AEntG). Mit der Neufassung dieses Gesetzes Anfang 2009[1] wurde das ursprünglich nur für die Baubranche und den Schutz dieser Branche vor der ausländischen Billigkonkurrenz durch aus dem Ausland entsandte Arbeiter geschaffene Gesetz (daher der Name Entsendegesetz) auch auf die Pflegebranche und auf weitere Branchen ausgedehnt.[2]

Pflegebetriebe

Die Pflege-Mindestarbeitsbedingungen gelten in der Pflegebranche. Dazu gehören alle Betriebe oder selbstständige Betriebsteile, die ambulante, teilstationäre oder vollstationäre Pflegeleistungen oder ambulante Krankenpflegeleistungen für Pflegebedürftige erbringen. Keine Pflegebetriebe in diesem Sinne sind Krankenhäuser, Rehabilitationseinrichtungen oder Einrichtungen der Behindertenhilfe.

Mindestarbeitsbedingungen

Als Mindestarbeitsbedingungen können Regelungen festgelegt werden über :

Inhaltliche Festlegung der Mindestarbeitsbedingungen

Der Inhalt der Mindestarbeitsbedingungen, die durch die Rechtsverordnung rechtsverbindlich werden, also etwa die Höhe des Mindestlohns, werden von der Kommission zur Erarbeitung von Arbeitsbedingungen oder deren Änderung vorgeschlagen.

Kommissionslösung als Sonderregelung wegen der Besonderheiten im kirchlichen Pflegebereich

Mit der “Kommissionslösung” wurde eine Sonderregelung für die Pflegebranche geschaffen. Während in den anderen Branchen, in denen ein Mindestlohn möglich ist, dieser in einem Tarifvertrag festgelegt wird, der durch Rechtsverordnung allgemeinverbindlich erklärt wird, tritt in der Pflegebranche anstelle des Tarifvertrags der Kommissionsvorschlag.

Dadurch wird der Sonderrolle der Kirchen entgegen gekommen. Die Kirchen lehnen es unter Berufung auf das kirchliche Selbstbestimmungsrecht ab, Tarifverträge zu schließen oder sich Tarifverträgen zu unterwerfen. Stattdessen praktizieren die Kirchen den so genannten Dritten Weg. Das bedeutet, dass die Arbeitsbedingungen, die sonst in Tarifverträgen zwischen Arbeitgebern und Gewerkschaften vereinbart werden, in besonderen kirchlichen Regelwerken festgelegt werden, die von paritätisch besetzten Kommissionen der Dienstgeberseite (Arbeitgeber) und der Dienstnehmerseite (Arbeitnehmer) verabschiedet werden. Solche Regelwerke sind zum Beispiel die Arbeitsvertragsrichtlinien des Deutschen Caritasverbandes (AVR) oder der Diakonie oder der Bundesangestelltentarifvertrag-Kirchliche Fassung (BAT-KF).

Errichtung und Zusammensetzung der Kommission

Die Kommission wird im Einzelfall errichtet, wenn dies eine Tarifvertragspartei aus der Pflegebranche oder wenn dies die Dienstgeberseite oder die Dienstnehmerseite von paritätisch besetzten Kommissionen nach dem Sonderrecht der Kirchen beantragt.

Die Kommission besteht aus acht Mitgliedern, die vom Bundesministerium für Arbeit und Soziales auf Vorschlag der beteiligten Gruppierungen benannt werden. Für den Vertretungsfall wird außerdem aus jeder Gruppierung ein Vertreter benannt. Die Kommission wird von einem nicht stimmberechtigten Vorsitzenden geleitet, der vom Bundesministerium für Arbeit und Soziales beauftragt wird.

Als stimmberechtigte Mitglieder gehören der Kommission gehören je zwei Personen aus folgenden Gruppierungen an:

  • die Gewerkschaften, die in der Pflegebranche tarifzuständig sind
  • die Vereinigungen der (nicht-kirchlichen) Arbeitgeber in der Pflegebranche
  • die kirchliche Dienstnehmerseite
  • die kirchliche Dienstgeberseite

Die erste Kommission wurde am 11. September 2009 auf die Vorschläge von ver.di, dem Arbeitgeberverband Pflege, der Vereinigung der kommunalen Arbeitgeberverbände sowie den Arbeitsrechtlichen Kommissionen des Diakonischen Werks der Evangelischen Kirche Deutschlands bzw. des Deutschen Caritasverbands berufen[3]. Vorsitzender der Kommission ist Rainer Brückers, der auch geschäftsführendes Vorstandsmitglied der Arbeiterwohlfahrt (AWO) ist.[4]

Beschlüsse der Kommission

Die Kommission ist nur beschlussfähig, wenn alle acht Mitglieder anwesend oder vertreten sind.

Ein Beschluss kommt erst zustande, wenn in vier verschiedenen Gruppen jeweils eine Dreiviertelmehrheit dafür stimmt. Es müssen also vier Abstimmung erfolgen, an der jeweils unterschiedliche Kommissionsmitglieder teilnehmen. Erforderlich ist jeweils eine Dreiviertelmehrheit

  1. der Mitglieder der nicht-kirchlichen Arbeitnehmer und der nicht-kirchlichen Arbeitgeber
  2. der Mitglieder der kirchlichen Arbeitnehmer und der kirchlichen Arbeitgeber
  3. der Mitglieder der nicht-kirchlichen Arbeitnehmer und der kirchlichen Arbeitnehmer
  4. der Mitglieder der nicht-kirchlichen Arbeitgeber und der kirchlichen Arbeitgeber

Pflege-Mindestlohn

Nachdem sich die Kommission am 11. September 2009 auf einen Mindestlohn geeinigt hatte[5], erließ das Bundesministerium für Arbeit und Soziales am 15. Juli 2010 die Pflegearbeitsbedingungenverordnung[6]. Mit Wirkung zum 1. August 2010 gilt damit in Deutschland erstmals ein Pflege-Mindestlohn. Der Mindestlohn gilt für alle Arbeitnehmer, die in Deutschland in der Pflegebranche arbeiten, unabhängig davon, ob der Arbeitgeber ein inländisches oder ein ausländisches Pflegeunternehmen ist.

West-Deutschland Ost-Deutschland
ab 1. August 2010 8,50 Euro/Stunde 7,50 Euro/Stunde
ab 1. Januar 2012 8,75 Euro/Stunde 7,75 Euro/Stunde
ab 1. Juli 2013 9,00 Euro/Stunde 8,00 Euro/Stunde

Quellen

  1. Arbeitnehmer-Entsendegesetz vom 20. April 2009 (BGBl. I S. 799)
  2. Gegenüber dem ursprünglichen Gesetzentwurf der Bundesregierung vom 7. Oktober 2008 (BT-Drucksache 16/10486) wurden aufgrund der Beschlussempfehlung und des Berichts des Ausschusses für Arbeit und Soziales vom 21. Januar 2009 (BT-Drs. 16/11669) eine besondere "Kommissionslösung" für die Pflegebranche in den Gesetzentwurf aufgenommen, der in der veränderten Fassung am 22. Januar 2009 vom Bundestag beschlossen wurde (Plenarprotokoll 16/200)
  3. Liste der Mitglieder der Kommission
  4. Pressemitteilung der BMAS
  5. Verdi Pressemitteilung vom 25. März 2010
  6. Verordnung über zwingende Arbeitsbedingungen für die Pflegebranche (Pflegearbeitsbedingungenverordnung – PflegeArbbV) vom 15. Juli 2010, Bundesanzeiger Ausgabe Nr. 110 vom 27. Juli 2010, Seite 2571

Weblinks

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