Orgel der Evangelischen Kirche Worfelden

Orgel der Evangelischen Kirche Worfelden
Orgel der Evangelischen Kirche Worfelden
Worfelden Orgel freigestellt.jpg
Allgemeines
Ort Ev. Kirche Worfelden
Orgelerbauer Adam Knauth
Baujahr 1623/24
Letzte(r) Umbau/Restaurierung 1982/83 durch Jürgen Ahrend
Epoche Renaissance/Frühbarock
Orgellandschaft Hessen
Technische Daten
Anzahl der Register 6
Anzahl der Pfeifenreihen 7
Anzahl der Manuale 1
Spieltisch
Im 17. Jh. ergänzter Engelkasten für die Zusatztöne Fis und Gis
Registerzüge links

Die Orgel der Evangelischen Kirche Worfelden wurde 1623/24 von Adam Knauth für die Darmstädter Schlosskirche gebaut und 1831 in Worfelden aufgestellt. Sie verfügt über sechs Register und ist nahezu unverändert erhalten. Das wertvolle historische Instrument ist eine der ältesten Orgeln Deutschlands und ein klingendes Zeugnis für den hessischen Orgelbau aus der Übergangszeit zwischen Renaissance und Frühbarock.

Inhaltsverzeichnis

Baugeschichte

Adam Knauth aus Bamberg („außm Stift Bamberg“) übersiedelte nach Darmstadt[1] und schuf im Jahr 1623/1624 für die dortige Schlosskirche ein kleines Instrument ohne Pedal mit sechs Registern. Alle Pfeifen wurden aus Metall gefertigt. Der Prospekt weist einen polygonal hervortretenden Mittelturm und zwei seitliche Flachfelder auf, die reichhaltig mit vergoldetem Schnitzwerk versehen sind. Das Gehäuse ist fast vollständig mit Ornamenten, Rankenwerk und Kartuschen verziert. Es handelt sich um einen der wenigen Orgelneubauten in Hessen während Zeit des Dreißigjährigen Kriegs.

Im Jahr 1681 führte Johann Anton Meyer (Darmstadt) eine Reparatur durch und erneuerte die farbliche Fassung; statt der ursprünglich schwarz-goldenen Fassung erhielt das Gehäuse eine blau-rot-goldene Fassung.[2] Wahrscheinlich wurden in diesem Zuge die seitlichen Engel ergänzt. Der linke verdeckt einen Pfeifenkasten, in dem die Pfeifen für die Basstöne Fis und Gis auf einer kleinen zusätzlichen Windlade ergänzt wurden. Meyer übernahm im Jahr 1696 weitere Arbeiten und nahm womöglich einen Austausch der Prospektpfeifen vor. 1709 schenkte Landgraf Ernst Ludwig der Stadt Zwingenberg (Bergstraße) die Orgel, wo sie bis 1831 ihren Dienst tat. Dann erwarb die Kirchengemeinde Worfelden das Werk, wo es seinen heutigen Standort fand. Wahrscheinlich durch Heinrich Bechstein wurden 1903 die Spanbälge durch Magazinbälge ersetzt und die Mixtur zu einer Sesquialtera verändert.[2] 1930 führte Förster & Nicolaus Orgelbau eine Reparatur durch, erneuerte die Klaviaturbelege und baute ein elektrisches Gebläse ein.[3] 1956 erfolgte eine Erneuerung des Gehäuseanstrichs.

Restaurierung 1983

Der schlechte Zustand machte 1983 eine grundlegende Restaurierung erforderlich, die Jürgen Ahrend aus Loga (Leer), einer der führenden Orgelrestauratoren, durchführte.[4] Ahrend rekonstruierte die ursprüngliche Balganlage und den Tremulanten und stellte die Sesquialtera in der ursprünglichen Zusammensetzung wieder her. Der gängige Name „Mixtur“ wurde beibehalten, obwohl auf einer Einzelpfeife die originale Inskription als „Sesquialtera“ nachgewiesen werden konnte.[2] Nur 34 der insgesamt 329 Pfeifen mussten neu angefertigt werden. Der Restaurator Hilmar Hut legte die farbliche Fassung aus dem Jahr 1681 wieder frei.

Besonderheiten

Die kleine Orgel ist als eines der ganz wenigen Werke aus dem Anfang des 17. Jahrhunderts nahezu unversehrt erhalten. Sie ermöglicht die Wiedergabe zeitgenössischer Orgelmusik aus der Renaissance und dem Barock in terzenreiner Stimmung, wie sie bis etwa 1750 bei Orgeln weithin üblich war. Nach der Orgel in Kiedrich, die jedoch weniger historische Substanz erhält, ist die Worfelder Orgel die zweitälteste in Hessen und eine der ältesten in Deutschland überhaupt.

Bemerkenswert ist neben dem musikalischen Engel, der auf der linken Seite den später ergänzten Pfeifenkasten ziert, die Mechanik der Registerzüge, die lotrecht in eisernen Führungen verschoben und eingehakt werden.[4] Eine Zugvorrichtung mithilfe von zwei Lederriemen ermöglicht eine mechanische Windversorgung. Die ursprüngliche Mitteltönige Stimmung ist trotz der zwei Ortswechsel erhalten geblieben.[5] Die Tastatur der Bassoktave mit der kurzen Oktave verfügt über zwei nachträglich hinzugefügte Subsemitonien: D/Fis und E/Gis teilen sich eine Obertaste, sodass in der großen Oktave eine „gebrochene kurze Oktave“ entstand.

Klanglich zeichnet sich die Orgel durch eine kraftvolle Farbigkeit und trotz der geringen Registerzahl durch eine große Klangintensität aus.[2]

Disposition

I Manual CDE–c3
Principal 4′
Gedackt 8′
Spitzflöte 4′
Octave 2′
Quinte 11/3
Mixtur (Sesquialtera) II[Anm. 1][5]
Tremulant
Anmerkungen
  1. Zusammensetzung von Sesquialtera II 11/3
    C: 11/3 + 4/5
    c1: 22/3 + 4/5
    f1: 22/3 + 13/5
    fis2: 51/3 + 31/5

Technische Daten

  • 6 Register
  • 329 Pfeifen
  • Traktur:
    • Tontraktur: Mechanisch
    • Registertraktur: Mechanisch
  • Windversorgung:
    • 2 Mehrfaltenbälge im Untergehäuse
    • Manuelle Zugvorrichtung
  • Stimmung:

Galerie

Siehe auch

Literatur

  • Hans Martin Balz: Göttliche Musik. Orgeln in Deutschland. Konrad Theiss, Stuttgart 2008, ISBN 3-8062-2062-X, S. 128f (230. Veröffentlichung der Gesellschaft der Orgelfreunde).
  • Hans Martin Balz: Orgeln und Orgelbauer im Gebiet der ehemaligen hessischen Provinz Starkenburg. Ein Beitrag zur Geschichte des Orgelbaues. Bärenreiter-Antiquariat, Kassel 1969 (Studien zur hessischen Musikgeschichte 3).
  • Hans Martin Balz, Reinhardt Menger: Alte Orgeln in Hessen und Nassau. Merseburger, Kassel 1979, ISBN 3-87537-169-0 (Veröffentlichung der Gesellschaft der Orgelfreunde 72).
  • Franz Bösken: Quellen und Forschungen zur Orgelgeschichte des Mittelrheins. Bd. 1: Mainz und Vororte - Rheinhessen - Worms und Vororte. Schott, Mainz 1967, ISBN 978-3-7957-1306-5 (Beiträge zur Mittelrheinischen Musikgeschichte 6).
  • Günter Lade (Hrsg.): 40 Jahre Orgelbau Jürgen Ahrend 1954-1994. Selbstverlag, Leer-Loga 1994.

Aufnahmen/Tonträger

  • Hans Martin Balz: Konzert zum Reformationstag auf der ehemaligen Darmstädter Schlossorgel von 1624 in der Ev. Kirche Worfelden. 2010. Studio 12 GmbH (Werke von Anonymus, A. de Cabezon, H.L. Hassler, J. Cabanilles, M. Weckmann, J. Pachelbel, D. Buxtehude, J.S. Bach, G.B. Pergolesi, S.S. Wesley).
  • Orgeln in Hessen aus vier Jahrhunderten. Bauer Studios SACD 9088-3 (Reinhardt Menger in Worfelden, Hatzfeld, Nieder-Moos, Biebesheim und Frankfurt am Main/Cantate Domino)

Weblinks

 Commons: Orgeln in Worfelden – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien

Einzelnachweise

  1. Franz Bösken: Quellen und Forschungen zur Orgelgeschichte des Mittelrheins. Bd. 1: Mainz und Vororte - Rheinhessen - Worms und Vororte. Schott, Mainz 1967, ISBN 978-3-7957-1306-5, S. 29 (Beiträge zur Mittelrheinischen Musikgeschichte 6), gibt 1628 als Jahr der Übersiedlung an.
  2. a b c d Martin Balz: Göttliche Musik. Orgeln in Deutschland. Konrad Theiss, Stuttgart 2008, ISBN 3-8062-2062-X, S. 128 (230. Veröffentlichung der Gesellschaft der Orgelfreunde).
  3. Hans Martin Balz, Reinhardt Menger: Alte Orgeln in Hessen und Nassau. 2. Auflage. Merseburger, Kassel 1997, ISBN 3-87537-169-0, S. 178 (Veröffentlichung der Gesellschaft der Orgelfreunde 72).
  4. a b Günter Lade (Hrsg.): 40 Jahre Orgelbau Jürgen Ahrend 1954-1994. Selbstverlag, Leer-Loga 1994, S. 54.
  5. a b Homepage der Worfelder Kirche: Historische Knauth-Orgel, gesehen 22. Februar 2011.
49.9029828.511555

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