- Otto Stucken
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Otto Stucken (* 13. Dezember 1896 in Einbeck; † 1. Juli 1934 bei Breslau) war ein deutscher SA-Führer, der während des so genannten Röhm-Putsches erschossen wurde.
Inhaltsverzeichnis
Leben und Wirken
Frühes Leben (1896 bis 1928)
Nach dem Schulbesuch nahm Stucken am Ersten Weltkrieg teil. Anschließend schloss er sich einem Freikorps an. In den frühen 1920er Jahren stand er der Schwarzen Reichswehr nahe. Zu dieser Zeit war er in mehrere Fememorde verwickelt, weswegen er später vom Schwurgericht Schwerin in Mecklenburg zu einer sechsjährigen Zuchthausstrafe verurteilt wurde (Aktenzeichen k9/25), von der er dreieinhalb Jahre verbüßte. Um 1923 soll Stucken Mitglied der Deutschsoziale Partei von Richard Kunze gewesen sein oder dieser zumindest nahegestanden haben. Außerdem gehörte er zu den Führern der Treuschaft Lützow, einem der nationalsozialistischen SA ähnlichen Verband. Circa 1923 heiratete er eine Frau namens Gertrud (* 29. August 1897), die wie er ein frühes Mitglied der NSDAP (56.338) und Träger des Goldenen Parteiabzeichens war. Stuckens offizieller Parteieintritt erfolgte am 1. August 1928. Eigenen Angaben zufolge will er aber bereits seit einigen Jahren mit der Partei sympathisiert und zusammenarbeitet haben.
SA-Führer in Magdeburg und Ermittlungen gegen Stucken (1928 bis 1933)
Ende der 1920er Jahre wurde Stucken Mitglied der SA, in der er rasch Führungsaufgaben übernahm. Um 1930 wurde er SA-Brigadeführer (?) in Magdeburg, wo er am Alten Brückentor 8/10 wohnte. In den Jahren 1931 bis 1934 ermittelte die Staatsanwaltschaft gegen Stucken wegen des Verdachtes auf Vorbereitung zum Hochverrat. Namentlich soll er laut einer Aussage des Monteurs Hans Engler (* 29. Juni 1905 in Magdeburg), der Stucken im Januar 1931 in Magdeburg kennengelernt haben will, diesen dazu angestiftet haben, ihm, Stucken, Duplikate von verschiedenen Schlüsseln für die Anlage der örtlichen Encke-Kaserne (2. Kompanie der 2. Kraftfahrabteilung) - so für das Tor, das Stabsquartier und insbesondere der Waffenkammer - sowie eine Karte des Geländes zu beschaffen, um im Fall eines gewaltsamen Putsches der Nationalsozialisten gegen den Staat organisatorisch möglichst gut vorbereitet zu sein.
Konkret soll Stucken den Plan gefasst haben, das Gelände in einem Stoßtruppunternehmen von einem SA-Kommando besetzen zu lassen. Die Karte sollte zu einer möglichst schnellen und effektiven Orientierung innerhalb des Geländes dienen, während die Schlüssel sicherstellen sollten, dass Sicherheitstüren als Hindernis umgangen werden könnten. Ziel sei es gewesen, in einem Schlag die lokalen Armeekräfte durch die Inbesitznahme ihrer Waffenkammer auszuschalten - und dabei eventuell Teile der Armee auf die Seite der Putschisten zu ziehen - und gleichzeitig den im Vergleich zur Armee relativ schwach ausgerüsteten SA-Einheiten stärkere Waffen für die Auseinandersetzung mit anderen Reichswehrkräften zu beschaffen. Engler konnte sich auf dem Gelände der Encke-Kaserne problemlos bewegen, da die Firma seines Vaters, ein Installationsunternehmen, dort regelmäßig Instandhaltungsaufgaben wahrnahm. Überdies sollen der für die Verwaltung der Einrichtung mitzuständige Oberverwaltungssekretär Paul Teichmüller (* 1. November 1892 in Cottbus) und seine Frau Mathilde, geborene Hichel, beide Anhänger der NSDAP, in das Unternehmen verwickelt gewesen sein, indem sie Kopien der Pläne der Kaserne anfertigten, die sie an Engler weitergaben, der sie, wie die Abdrücke der Schlüssel der Anlage, teilweise an Stucken selbst und teilweise an Vertrauensleute von diesem aushändigte. Eine direkte Übergabe der Kopien von Schlüsseln und Geländeplänen durch das Ehepaar Teichmüllers an Stucken sollte vermieden werden, da beide aufgrund ihrer politischen Sympathien unter Beobachtung standen und beim Verlassen der Kaserne - wie auch Stucken der sie dort häufig besuchte - häufig streng überprüft wurden.
Engler gab bei seiner Einvernehmung durch die Staatsanwaltschaft an, dass man ihm bei einem Besuch der Reichsleitung der NSDAP in München mitgeteilt hätte, dass man von den Absichten Stuckens nichts gewusst habe, woraus er geschlossen habe, dass dieser aus eigener Initiative an ihn herangetreten sei. Zu einer Verhaftung und Anklage Stuckens kam es nicht mehr. Das Untersuchungsverfahren wurde im März 1933 eingestellt.
Ebenfalls 1931 wurde Stucken verdächtigt, mit der gegen Hitler gerichteten Erhebung des SA-Gruppenführers Walter Stennes sympathisiert zu haben. Im Rahmen des Uschla-Verfahrens gegen den Magdeburger Standartenführer Alfred Ernst wegen angeblicher Unterstützung der Stennes-Revolte durch Ernst wurde Stucken offiziell von allen Verdächtigungen in dieser Sache befreit, wiewohl unter der Hand weiterhin Argwohn gegen ihn geäußert wurde. Am 27. November 1931 wurde Stucken in anderem Zusammenhang vom Gau-Uschla des Verstoßes gegen Artikel 4 Absatz 3 der Parteisatzung für schuldig befunden worden und mit einem strengen Verweis bestraft. Von einem Parteiausschluss wurde laut Uschla-Urteil abgesehen, da Manfred Freiherr von Killinger rückhaltlos für Stucken eintrat. Vorübergehend wurde Stucken jedoch durch ein Ehrengerichtsverfahren der NSDAP seines Postens als SA-Führer enthoben, später - wahrscheinlich durch einen Gnadenakt Hitlers - aber rehabilitiert. Daneben wurde Stucken 1932 der Veruntreuung von Parteigeldern für private Zwecke beschuldigt. Ferner wurden ihm von dem SA-Standartenführer Scholz ein „Herrenleben“, finanziert u.a. auf Parteikosten, Umgang mit zwielichtigen Damen und Fahrlässigkeit bei der Verwaltung des SA-Heims Magdeburg vorgeworfen.
NS-Zeit (1933 bis 1934)
Später war Stucken Führer der zur SA-Untergruppe Oberschlesien gehörenden SA-Standarte 23 in Neiße und dann als SA-Oberführer Stafschef des Obergruppenführers von Schlesien Edmund Heines und Leiter der SA-Brigade 119 in Cosel.
Am 30. Juni 1934 wurde Stucken im Rahmen der als Röhm-Putsch bekannt gewordenen politischen Säuberungswelle der Nationalsozialisten vom Frühsommer 1934 verhaftet und in der Nacht zum 1. Juli 1934 außerhalb von Breslau von einem SS-Kommando erschossen. Die Leiche wurde später im Krematorium Breslau-Gräbschen eingeäschert und die Urne an seine Witwe übergeben. In der Liste der „Im Zuge der Aktion zur Reinigung der Partei festgenommenen, erschossenen und verunglückten Personen“ ist Stucken mit der Ziffer 688 verzeichnet. Grund für die Erschießung Stuckens war wahrscheinlich seine Stellung als Stabschef Heines - auffällig ist jedenfalls, dass sich unter den Toten der Säuberungswelle die Stabschefs verschiedener SA-Gruppenführer und -Obergruppenführer finden, so Wilhelm Sander, der Stabschef des Gruppenführers von Berlin-Brandenburg Karl Ernst und Walter Schulz, der Stabschef des SA-Gruppenführers von Pommern Hans Adam von Heydebreck. Daneben ist es denkbar, dass Stucken auf die Todesliste gesetzt wurde, da er aufgrund seines Hervortretens im Zusammenhang mit den angeblichen Hochverratsplänen, der Sympathie für Stennes und den Korruptionsvorwürfen negativ in Erinnerung geblieben war.
Schriften
- Hartmut Plaas (Herausgeber): Wir klagen an. Nationalisten in den Kerkern der Bourgeoisie, 1928. (Aufsatzbeitrag)
Archivalien
- Akte des Reichsjustizministeriums zum Untersuchungsverfahren gegen Stucken, Bundesarchiv Lichterfelde R 3003/9633.
- NSDAP-Parteikorrespondenz, Film M 89 "Stuber, Karl-Stuckard, v Rudolf", Bilder 2076-2110.
- Oberstes Parteigericht (OPG), Film J 14 "Strübing, Rudolf - Stucker, Hans", Bilder 2600-2920.
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