Parlamentswahlen in Polen 2011

Parlamentswahlen in Polen 2011
Parlamentswahl in Polen 2011
(in %) [1]
 %
40
30
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10
0
39,2
29,9
10,0
8,4
8,2
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2,2
1,1
0,8
RP
PJN
Sonst.
Gewinne und Verluste
Im Vergleich zu 2007
 %p
 10
   8
   6
   4
   2
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  -2
  -4
  -6
-2,3
-2,2
+10,0
-0,5
-5,0
± 0,0
+2,2
+1,1
-3,3
RP
PJN
Sonst.
Anmerkungen:
f Für die Deutsche Minderheit (MN) galt die 5%-Sperrklausel nicht.

Die Parlamentswahlen in Polen 2011 fanden am 9. Oktober statt. Die Bürgerplattform (PO) gewann die meisten Sitze, damit ist Donald Tusk der erste wiedergewählte polnische Ministerpräsident seit dem Ende der Volksrepublik. Die Polnische Volkspartei (PSL), die bisher den Juniorpartner der Regierungskoalition stellte, gab an, dass sie die Koalition fortsetzen will.

Inhaltsverzeichnis

Wahl und Termin

Bei den Wahlen entschieden die Stimmberechtigten über die Wahl der Abgeordneten für den Sejm und der Senatoren für den Senat, den beiden Kammern des polnischen Parlaments. Entschieden wurde zudem nach dem Ausgang der Wahl über die Bildung eines neuen Kabinetts.

Den Termin hatte Polens Staatspräsident Bronisław Komorowski am 4. August 2011 bekanntgegeben.[2] Er bestätigte damit offiziell ein Datum, welches er bereits im Juli desselben Jahres öffentlich angeregt hatte.

Wahlsystem

Das Sejm wurde nach Verhältniswahl und der Senat nach relativer Mehrheitswahl gewählt. Es gab eine Sperrklausel von 5 % und bei Parteienbündnissen 8 %. Die Legislaturperiode betrug für beide Parlamentskammern 4 Jahre.

Spitzenkandidaten und teilnehmende Parteien

Partei Vorsitzender Ausrichtung
 Bürgerplattform (PO) Donald Tusk wirtschaftsliberal, wertkonservativ
 Recht und Gerechtigkeit (PiS) Jarosław Kaczyński nationalkonservativ
 Bund der Demokratischen Linken (SLD) Grzegorz Napieralski sozialdemokratisch
 Polnische Bauernpartei (PSL) Waldemar Pawlak gemäßigt konservativ, Interessenvertretung der Landwirte
 Palikot-Bewegung (RP) Janusz Palikot antiklerikal, linksliberal
 Polen ist das Wichtigste (PJN) Paweł Kowal wertkonservativ, sozialkatholisch (Abspaltung der PiS)
 Polnische Partei der Arbeit (PPP) Bogusław Ziętek sozialistisch

Oben genannte Parteien kandidierten in allen 41 Wahlbezirken für die Sejm. Weitere teilnehmende Parteien waren der Kongress der Neuen Rechten (KNP) (21 Bezirke), Recht der Republik (PR) (20 Bezirke), Unsere Heimat Polen (NDP) (9 Bezirke) und die Partei der deutschen Minderheit (MN) (1 Kreis). Mit Ausnahme der deutschen Minderheit, die als ethnische Minderheitenpartei von der Fünf-Prozent-Sperrklausel befreit ist, erreichte in den Wahlumfragen keine der auch als Sonstige bezeichneten Parteien den Einzug in den Sejm. Einige weitere kleinere Parteien hatten beschlossen, nicht an den Wahlen teilzunehmen, sondern sich um Kandidatenplätze auf den Wahllisten größerer Parteien zu bewerben.

Wahlkampf und Meinungsumfragen

Meinungsumfragen 2011

Donald Tusk hob auf Wahlkampfveranstaltungen die wirtschaftlichen Erfolge Polens in seiner Regierungszeit hervor. Weiter sprach er sich für eine weitere Annäherung zu Russland aus. Die Partei Recht und Gerechtigkeit führte dagegen ihren misstrauischen Kurs gegenüber Russland und Deutschland fort.[3] In seinem kurz vor der Wahl erschienenen Buch Das Polen unserer Träume warf Jarosław Kaczyński Merkel vor, sie gehöre „dieser Generation deutscher Politiker an, die die imperiale Macht Deutschlands wiederherstellen wollen“ und eine „strategische Achse mit Moskau“ bilde, in der Polen „nur ein Hindernis“ sein könne. „Unser Land muss daher unterworfen werden, auf die eine oder andere Weise.“[4]

Meinungsumfragen zur polnischen Parlamentswahl wurden erstmals am 16. Mai 2010 erstellt und bis kurz vor dem Wahltag am 9. Oktober durchgeführt. Die beiden größten Parteien, Bürgerplattform und Partei für Recht und Gerechtigkeit, verzeichneten deutliche Rückgänge in der Wählerzustimmung, als Überraschung wurde dagegen die zunehmende Popularität der Palikot-Bewegung bewertet.

Wahlergebnis

Ergebnisse nach Wahlbezirken. Wie schon bei vorangegangenen Wahen zu beobachten zeigt sich tendenziell eine Teilung in einen liberaleren europafreundlichen Westen (Orange) und einen konservativeren Osten (blau)
Ergebnis der Wahlen zum Senat (Farbgebung wie in der Tabelle)
Sitzverteilung im Sejm nach der Wahl 2011
Sitzverteilung im Senat:

Die liberalkonservative Bürgerplattform (PO) von Ministerpräsident Donald Tusk gewann mit deutlichem Vorsprung vor der nationalkonservativen Partei Recht und Gerechtigkeit (PiS) des früheren Regierungschefs Jarosław Kaczyński. Die Auszählung von 99 Prozent der Stimmen ergab 39,2 Prozent für die PO, die damit 207 der 460 Abgeordnetenmandate gewinnt und stärkste Partei im neuen Sejm wird. Die PiS konnte 29,9 Prozent der Stimmen auf sich vereinen was ihr 157 Abgeordnetensitze sicherte. Knapp zehn Prozent gewann die neue linksliberale Partei Palikot-Bewegung (RP) mit 40 Abgeordneten. Die Bauernpartei PSL erhielt 28 Abgeordnetensitze, der Bund der Demokratischen Linken 27 Sitze. Die Wahlbeteiligung lag bei knapp 49 Prozent.[5]

Das Wahlergebnis wird als Resultat einer jungen Mittelschicht gesehen, die Kontinuität von der Politik erwartet. Zugleich kann das Ergebnis als Bestätigung des integrationsfreundlichen europapolitischen Kurses der Bürgerplattform gesehen werden. Dass die PO es schaffte, Polen in der weltweiten Wirtschafts- und Finanzkrise stabil zu halten, war ein weiterer Grund für ihr gutes Abschneiden. Die PiS, die den Bruch mit der bisherigen Politik ankündigte, mobilisierte damit PO-Wähler, die einen solchen verhindern wollten. Das ruhige Regieren ohne hektische Reformen war eine Stütze für das Wahlergebnis der PO, allerdings stehen daher einige für die Integration in den Euro-Raum notwendigen Reformen noch an. Darüber begrenzt die Polnische Verfassung die Staatsschulden auf 60 % des jährlichen Bruttoinlandsprodukts womit eine Verminderung der Ausgaben erfolgen muss.[6] Als besonders bemerkenswert wird der Erfolg der Ruch Palikota angesehen. Vor allem junge Studenten unterstützten die Partei, die eine stärkere Säkularisierung des Staates fordert. Mit der erfolgreichen Aufstellung von Robert Biedroń und Anna Grodzka ziehen erstmals ein offen Homosexueller und eine Transsexuelle in den Sejm ein.[6]

Parteien Sejm Senat
Stimmen  % +/– Sitze +/– Sitze +/–
 Bürgerplattform (PO) 5.629.773 39,18 % –2,33 % 207 –2 63 +3
 Recht und Gerechtigkeit (PiS) 4.295.016 29,89 % –2,22 % 157 –9 31 –8
 Palikot-Bewegung (RP) 1.439.490 10,02 % +10,02 % 40 +40
 Polnische Bauernpartei (PSL) 1.201.628 8,36 % –0,55 % 28 –3 2 +2
 Bund der Demokratischen Linken (SLD) 1.184.303 8,24 % –4,91 % 27 –26
 Wahlkomitee Deutsche Minderheit (MN)(1) 28.014 0,19 % –0,01 % 1
Stimmenanteil unterhalb 5 % und somit nicht im Sejm vertreten
 Polen ist das Wichtigste (PJN)(2) 315.393 2,19 % +2,19 %
 Kongress der Neuen Rechten (KNP) 151.837 1,06 % +1,06 %
 Polnische Partei der Arbeit (PPP) 79.147 0,55 % +0,33 %
Recht der Republik – Union für Realpolitik (Prawica) 35.169 0,24 % –0,44 %
 Selbstverteidigung der Republik Polen (Samoobrona) 9.733 0,07 % –1.46 %
 Unabhängige k.A. k.A. k.A. k.A. k.A. 4 +3
Gesamt
14.369.503
460
100
Wahlbeteiligung = 48,92 % (15.050.027 von 30.762.931)
Quelle: Staatliche Wahlkommission[1]

(1) Für die Deutsche Minderheit (MN) galt die 5%-Sperrklausel nicht.
(2) PJN gab es bei der vorangegangenen Wahl zum Sejm noch nicht, jedoch hatte die Partei 15 Sitze im Sejm und einen im Senat als das vorangegagangene Parlament aufgelöst wurde.

  • Registrierte Wähler: 30.762.931
  • Ausgezählte Stimmen: 15.050.027 (48,92%)
  • Ungültige Stimmen: 680.524
  • Gültige Stimmen: 14.369.503 (95,48%)

Verweise

Weblinks

 Commons: Parlamentswahlen in Polen 2011 – Sammlung von Bildern und/oder Videos und Audiodateien

Siehe auch

Einzelnachweise

  1. a b Offizielles Wahlergebnis 2011 Staatliche Wahlkommission, (Polnisch/Englisch)
  2. Postanowienie Prezydenta Rzeczypospolitej Polskiej, Dz.U. 2011 nr 162 poz. 978, 4. August 2011. Online
  3. Poland re-elects PM Donald Tusk, BBC News, 10. Oktober 2011 (Englisch)
  4. Kaczynski: Merkel will West-Polen n-tv, 4. Oktober 2011
  5. Historischer Sieg für Tusk in Polen Abendzeitung München, 10. Oktober 2011
  6. a b Wahlanalyse 2011 Länder-Analysen, PDF-Datei

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