Donald Tusk

Donald Tusk
Donald Tusk bei der Karlspreis-Verleihung
Tusk mit Barack Obama (2011)

Donald Franciszek Tusk (['dɔnalt fran't͡ɕiʃɛk (fraɲ't͡ɕiʃɛk) tʊsk], anhören?/i; * 22. April 1957 in Danzig) ist ein polnischer Politiker kaschubischer Herkunft und seit 2002 Vorsitzender der von ihm mitbegründeten liberal-konservativen Partei Platforma Obywatelska (PO, deutsch Bürgerplattform). Seit November 2007 ist er Ministerpräsident Polens.

Inhaltsverzeichnis

Leben

Familie

Donald Tusks Großeltern gehörten sowohl väterlicher- als auch mütterlicherseits zur kaschubischen ethnischen Minderheit in der damaligen Freien Stadt Danzig. Sie überlebten den Zweiten Weltkrieg trotz Zwangsarbeit und Inhaftierung in den Konzentrationslagern Stutthof und Neuengamme. Am 2. August 1944 wurde Tusks Großvater Józef Tusk (1907–1987) aufgrund seiner deutschen Reichsbürgerschaft zur Wehrmacht einberufen. Wahrscheinlich desertierte er, denn er trat drei Monate später am 24. November 1944 der polnischen Exilarmee im Westen bei.

Bei der Präsidentschaftswahl in Polen 2005 wurde Donald Tusk im Wahlkampf von seinem politischem Gegner, der Partei Recht und Gerechtigkeit (PiS), die kurze Zugehörigkeit seines Großvaters zur Wehrmacht vorgeworfen und er selbst deshalb als „unpatriotisch“ diffamiert.

Engagement in der Solidarność

Tusks Vater war Tischler und starb, bevor der Sohn die Grundschule beendete. Die Niederschlagung des Arbeiteraufstandes 1970 hat Tusk politisch geprägt.[1] Er engagierte sich in der Opposition gegen das kommunistische Regime in Polen. Als Geschichtsstudent an der Universität Danzig war er Ende der 1970er Jahre Mitbegründer des Studentischen Komitees der Solidarität in Danzig. Die Gründung war eine Reaktion auf den Mord an dem stark in der Opposition engagierten Krakauer Studenten Stanisław Pyjas durch den polnischen Sicherheitsdienst. Er war auch für die oppositionellen Freien Gewerkschaften der Küste (poln. Wolne Związki Zawodowe Wybrzeża) tätig.[2] 1980 gehörte er zu den Mitinitiatoren des Unabhängigen Studentenverbandes (NZS) in Danzig.[2] Tusk beendete sein Studium 1980 mit einer Abschlussarbeit über den Mythos und die Legende um Józef Piłsudski.

Wenige Monate nach den August-Streiks 1980 begann Tusk eine Tätigkeit als Journalist bei der Wochenzeitschrift „Samorządność“ und wurde zum Vorsitzenden des Betriebskomitees der Solidarność in dem herausgebenden Verlag in Danzig gewählt. Nach Ausrufung des Kriegsrechts im Dezember 1981 wurde er wegen seiner Oppositionstätigkeit aus diesem staatlichen Verlag entlassen. Von 1984 bis 1989 war er als einfacher Arbeiter bei der von den Danziger Oppositionellen unter der Leitung von Maciej Płażyński gegründeten Genossenschaft "Świetlik" tätig.[2]

Liberal-Demokratischer Kongress und Bürgerplattform

1989 gründete Tusk gemeinsam mit Jan Krzysztof Bielecki und Janusz Lewandowski die Partei Liberal-Demokratischer Kongress. 1991 wurde er zum Parteivorsitzenden und erstmals in den Sejm, das polnische Parlament, gewählt. 1992 unterstützte er mit seiner Partei das Misstrauensvotum gegen Ministerpräsident Jan Olszewski und anschließend die Minderheitsregierung unter Ministerpräsidentin Hanna Suchocka. 1993 wurde der Sejm aufgelöst und seine Partei konnte bei den folgenden, vorgezogenen Wahlen die Fünf-Prozent-Hürde nicht überspringen. Nach den verlorenen Wahlen fusionierte seine Partei mit der Partei Unia Demokratyczna von Tadeusz Mazowiecki zur Unia Wolności (UW).[2] 1997 wurde Tusk mit über 230.000 Stimmen in Danzig in den polnischen Senat gewählt.

Im Jahr 2000 verließ er die UW nach einem verlorenen Kampf mit Bronisław Geremek um den Parteivorsitz. 2001 gründete Tusk gemeinsam mit Andrzej Olechowski und Maciej Płażyński die Bürgerplattform.

Als Mitglied des Sejm war er von 2001 bis 2005 dessen stellvertretender Vorsitzender und davor 1997 bis 2001 stellvertretender Vorsitzender des Senats. Seine Partei vertrat er im Parlament als Fraktionsvorsitzender von 2003 bis 2006.

Präsidentschaftswahlen 2005

Bei den Präsidentschaftswahlen am 9. Oktober 2005 erzielte Tusk im ersten Wahlgang 36,3 Prozent der Stimmen und damit das beste Ergebnis der Kandidaten, doch verfehlte er die notwendige Mehrheit von fünfzig Prozent. Er musste am 23. Oktober 2005 zur Stichwahl gegen den Warschauer Bürgermeister Lech Kaczyński (33,1 Prozent) antreten und unterlag mit 46,5 Prozent zu 53,5 Prozent.

Parlamentswahlen 2007

Bei den nach dem Zerfall der Regierungskoalition erforderlich gewordenen Parlamentswahlen am 21. Oktober 2007 setzten sich Tusk und die Bürgerplattform mit 41,51 Prozent der Stimmen gegenüber der Partei Recht und Gerechtigkeit von Ministerpräsident Jarosław Kaczyński (mit rund 32 Prozent der Stimmen) durch. Die Bürgerplattform verfügte im Sejm zusammen mit der Polnischen Volkspartei (PSL) von Waldemar Pawlak, die vor allem die Interessen der Landwirte vertritt, über eine Mehrheit von 240 der 460 Abgeordneten. Beide Parteien verständigten sich nach dem Wahlsieg auf eine Koalition.

Ministerpräsident

Seit dem 16. November 2007 führt Tusk als Ministerpräsident die polnische Regierung. In seiner ersten Regierungserklärung, am 23. November 2007, kündigte er die baldige Ratifizierung des Vertrags von Lissabon und die Einführung des Euro in Polen an. Außerdem trat er für eine Verbesserung der Beziehungen zu Deutschland ein, die in der Amtszeit seines Vorgängers Kaczyński teilweise angespannt waren. Tusk, der fließend Deutsch spricht, warb in diesem Zusammenhang für die Wiederbelebung des Weimarer Dreiecks, also einer engen Kooperation zwischen Warschau, Paris und Berlin.[3]

Schon im Wahlkampf zu den Parlamentswahlen hatte Tusk offensiv auf eine internationale Zusammenarbeit gesetzt. Staatspräsident Lech Kaczyński weilte am Tage der Regierungserklärung zu einem Staatsbesuch in Georgien. Es war dies das erste Mal, dass der polnische Staatspräsident der Regierungserklärung des Premierministers nicht beiwohnte, und ein deutliches Zeichen dafür, dass die Beziehung zwischen den beiden Politikern angespannt war.

Im Mai 2010 wurde Tusk mit dem internationalen Karlspreis der Stadt Aachen unter anderem für „den besonderen Einsatz […] für die Ratifizierung des Lissaboner Vertrags durch die Republik Polen“ geehrt.[4] Die Laudatio hielt die deutsche Bundeskanzlerin Angela Merkel.[5]

Parlamentswahlen 2011

Bei den Parlamentswahlen am 9. Oktober 2011 erreichte die Bürgerplattform 39,2 Prozent der Stimmen. Mit 206 Abgeordneten stellt sie die mit Abstand stärkste Fraktion im neuen Sejm. Zusammen mit der PSL und der Deutschen Minderheit, die einen Sitz eroberte, kommt sie auf 235 (von 460) Abgeordnete.[6] Erstmals seit dem Beginn der Dritten Polnischen Republik ist damit eine Regierung im Amt bestätigt worden.

Privates

Donald Tusk ist mit Ehefrau Małgorzata verheiratet und hat mit ihr einen Sohn und eine Tochter. Tusk wohnt in der bei Danzig liegenden Kurstadt Sopot.

Ehrungen

Werke

Tusk ist Mitherausgeber der großformatigen Fotobandreihe Był sobie Gdańsk (dt. Es war einmal Danzig, ISBN 83-912807-9-9) sowie mehrerer Fotobände über Danziger Vororte.

Verweise

Literatur

  • Adam Holesch/Axel Birkenkämper: Von Kaczyński zu Tusk. Eine deutsch-polnische Tragödie? Bouvier Verlag, Bonn 2008.

Weblinks

 Commons: Donald Tusk – Album mit Bildern und/oder Videos und Audiodateien

Fußnoten

  1. Wer ist Donald Tusk? Tagesspiegel, 21. Oktober 2007
  2. a b c d Donald Tusk. Kancelaria Prezesa Rady Ministrów. Abgerufen am 9. Oktober 2011.
  3. Tusk will Nachbarschaft zu Deutschland verbessern. (nicht mehr online verfügbar) Tagesschau, 24. November 2007
  4. Rahmenprogramm 2010, aachen.de
  5. Aachener Karlspreis für Donald Tusk. bei: dw-world.de, 13. Mai 2010 (aufgerufen am 13. Mai 2010)
  6. Klarer Sieg, große Probleme für Donald Tusk Der Tagesspiegel, 10. Oktober 2011
  7. Premier Donald Tusk przebywa z oficjalną wizytą w Republice Peru. Kancelaria Prezesa Rady Ministrów (15. Mai 2008). Abgerufen am 9. Oktober 2011.

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