Paul Vogt (Jurist)

Paul Vogt (Jurist)

Paul Vogt (* 27. April 1877 in Burg (bei Magdeburg); † nach 1952) war Senatspräsident am Reichsgericht. Er war der Untersuchungsrichter im Reichstagsbrandprozess.

Inhaltsverzeichnis

Leben

Der evangelische Sohn eines königlichen Musikdirektors legte die juristischen Prüfungen 1900 und 1906 jeweils mit der Note „ausreichend“ ab. 1906 ernannte man ihn zum Gerichtsassessor. 1909 wurde er zum Staatsanwalt in Insterburg befördert und 1912 nach Berlin versetzt. Am Ersten Weltkrieg nahm er als Hauptmann der Artillerie teil. 1920 stieg er zum Staatsanwaltschaftsrat auf und wurde I. Staatsanwalt bei der Generalstaatsanwaltschaft. 1922 wechselte er auf die Richterbank als Landgerichtsdirektor beim Landgericht Berlin I. In dieser Zeit war er Untersuchungsrichter beim Staatsgerichtshof zum Schutz der Republik im Tscheka-Prozess 1924/25. 1931 kam er als Hilfsrichter an das Reichsgericht. 1932 wurde er zum Reichsgerichtsrat ernannt. Er war im II. Strafsenat durchgehend tätig und somit mitverantwortlich für die regimetreue Rassenschanderechtsprechung des Senats. Im Reichstagsbrandprozess ersetzte er auf persönliche Intervention Adolf Hitlers und Hermann Görings den vormaligen Untersuchungsrichter Braune.[1][E]s war vornehmlich die Schuld Vogts, daß der Prozeß vor dem Reichsgericht einen so kläglichen Verlauf nahm.[2] 1937 erfolgte die Ernennung zum Senatspräsidenten. 1944 wurde er in den Ruhestand versetzt.[3] Nach der Besetzung Leipzigs durch die Rote Armee wurde er durch den NKWD verhaftet. Nach Aufenthalten in den Speziallagern in Mühlberg und Buchenwald wurde er 1950 im Rahmen der Waldheimer Prozesse zu 20 Jahren Zuchthaus verurteilt. Er kam 1952 frei und lebte noch Jahrzehnte nahe Stade in Niedersachsen.[4]

Vogt gilt späteren Kommentatoren der Ereignisse als „Held“ (z.B. Radbruch [...]: dass es beim Reichsgericht auch in schlimmster Zeit „aufrechte Männer gab ...“), weil er sich im Jahr 1944 gegenüber Justizminister Thierack weigerte, zwei Revisionen zurückzuweisen – ein Vorgang, der immerhin zeigt, dass Widerstand ohne Gefahr für Leib und Leben möglich war. Vgl. auch die lobende Erwähnung Vogts bei Eberhard Schmidt [...]. Vogts Mitwirkung an den besonders widerwärtigen [Rassenschande-]Urteilen des 2. Senats (Vogt war von Anfang an dabei) hat seine Heldenrolle nicht tangiert. Regina Ogorek [5]

Parteimitgliedschaften

  • 1918–1927/28 Mitglied der DNVP
  • 1. Mai 1933 Mitglied der NSDAP (Mitgliedsnummer 2.989.215)

Ehrungen

Quelle

  • Friedrich Karl Kaul, Geschichte des Reichsgerichts, Band IV (1933–1945), Ost-Berlin 1971, S. 61f

Weblinks

Einzelnachweise

  1. Hans-Georg Breydy: Der Reichstagsbrandprozeß in Leipzig 1933 (Zentral- und Landesbibliothek Berlin), abgerufen am 5. September 2011.
  2. Hans Mommsen: Der Reichstagsbrand und seine politischen Folgen, VfZ Jahrgang 12 (1964), Heft 4, S. 367.
  3. Kaul gibt als Ruhestandsdatum den 31. Oktober, Fritz Hartung: Jurist unter vier Reichen, Köln, Berlin, Bonn, München 1971, S. 616 den 6. Juni an.
  4. Ingo Müller: Der Reichstagsbrandprozess vor dem Reichsgericht, in: Dieter Deiseroth (Hrsg.) Der Reichstagsbrand und der Prozess vor dem Reichsgericht, Berlin 2006, S. 41.
  5. „Rassenschande“ und juristische Methode - Die argumentative Grammatik des Reichsgerichts bei der Anwendung des Blutschutzgesetzes von 1935, S. 298 Fn. 61.

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