Probatorik

Probatorik

Die Bezeichnung Probatorik (lat.: probatoris), (engl.: probatory) bedeutet Versuch zur Klärung und steht als Begriff für die Erstbehandlungssitzungen bei Psychotherapeuten. Diese werden versuchsweise zur Klärung der Diagnose durchgeführt. Die Therapie erfolgt unter Annahme der wahrscheinlichsten Diagnose, die anhand des Therapieerfolgs bestätigt oder widerlegt wird.

Inhaltsverzeichnis

Probatorik als Psychotherapiebeginn

Der Start in eine Psychotherapie beginnt mit den sogenannten probatorischen Sitzungen. Im Rahmen einer Verhaltenstherapie z.B. sind dies maximal 5 Sitzungen. Der Klient/Patient hat in dieser Zeit die Möglichkeit herauszufinden, ob der Psychotherapeut ein geeigneter ist. Es wird in diesem Zeitraum abgeklärt, ob die beabsichtigte Psychotherapie bei der vorliegenden psychischen Störung erfolgversprechend und die Allianz zwischen Klienten und Psychotherapeuten tragfähig ist. Sollten diese Bedingungen erfüllt sein, so wird ein Antrag auf Kostenübernahme bei der jeweiligen Krankenkasse gestellt. Um zu klären, ob eine Psychotherapie überhaupt sinnvoll ist und ob Patient und Behandler zueinander "passen", übernimmt die Krankenkasse vorab bis zu 5 "probatorische" Sitzungen (bei analytischer Psychotherapie bis zu 8 Sitzungen). Sie werden auf Kranken- bzw. Überweisungsschein abgerechnet. Die "Kennenlern-Sitzungen" dienen dazu, sich in Ruhe darüber klar zu werden, ob der Patient einen geeigneten Psychotherapeuten gefunden hat (Frau oder Mann?).

Auch für Beihilfeberechtigte und bei vielen Privatversicherten sind probatorische Sitzungen vorgesehen. Bei Privatversicherungen, deren Tarif nur eine bestimmte Zahl von Sitzungen pro Jahr vorsieht, wird dagegen die Unterscheidung zwischen probatorischen und normalen Sitzungen nicht gemacht. Bei einigen Versicherungen ist dann auch ein ausführlicher Psychotherapieantrag erforderlich. Oft reicht hier die ärztliche Bescheinigung einer einschlägigen Diagnose aus. Besonders bei manchen Beihilfestellen kann es vorkommen, dass sich diese gegen die Durchführung von bis zu 5 probatorischen Sitzungen bei jeweils unterschiedlichen Behandlern wehren. Sie berufen sich darauf, dass die Beihilfevorschriften nur pauschal von 5 zu gewährenden probatorischen Sitzungen sprechen (ohne diese Formulierung auf einen oder mehrere Behandler zu beziehen). Die betreffenden Kostenträger stellen sich also auf den Standpunkt, dass es sich um eine Gesamtzahl handelt und nicht darum, dass man pro "ausprobiertem" Psychotherapeuten bis zu 5 finanzierte Sitzungen beanspruchen darf. Diese Auslegung widerspricht jedoch dem Sinn der Vorschriften. Denn wenn ein Patient (oder der Psychotherapeut, er hat auch das Recht "nein" zu sagen) erst nach 5 probatorischen Sitzungen zu dem Ergebnis kommt, dass beide Partner doch nicht zueinander passen, hätte der Patient keinerlei weitere Chancen mehr, einen neuen Psychotherapeuten kennen zu lernen. Andererseits kann man verstehen, dass ein Kostenträger skeptisch wird, wenn der gleiche Patient Rechnungen über 40 probatorische Sitzungen bei 8 verschiedenen Behandlern einreicht.

Kostenübernahmeantrag

Soll nach Ablauf der Probatorik und ggf. weiteren notwendigen diagnostischen Abklärungen der Antrag auf Kostenübernahme gestellt werden, muss als Teil des Antragsverfahrens eine Bestätigung eines Arztes, der Konsiliarbericht beigefügt werden und dem Psychotherapeuten vorliegen. Durch den Konsilarbericht wird ausgeschlossen, dass aus körperlichen Gründen eine Psychotherapie nicht kontraindiziert ist. Zur Einholung des Konsiliarberichtes überweist der Psychotherapeut spätestens nach Beendigung der Probatorik und vor Beginn der Psychotherapie den Patienten an einen Konsiliararzt. Der Bericht ist dem Psychotherapeuten durch den Konsiliararzt spätestens drei Wochen nach der Untersuchung zu übermitteln. Zur Abgabe eines Konsiliarberichtes sind alle Vertragsärzte mit Ausnahme der folgenden Arztgruppen berechtigt: Laborärzte, Mikrobiologen, Infektionsepidemiologen, Nuklearmediziner, Pathologen, Radiologen, Strahlentherapeuten, Transfusionsmediziner und Humangenetiker. Der Psychotherapeut hat den Konsiliarbericht im verschlossenen Umschlag dem Bericht an den Gutachter beizufügen.

Die Antragsstellung

Die Feststellung der Leistungspflicht für Psychotherapie erfolgt durch die Krankenkasse auf Antrag des Versicherten. Zu diesem Antrag teilt der Psychotherapeut vor der Behandlung der Krankenkasse die Diagnose mit, begründet die Indikation und beschreibt die Art des Behandlungsansatzes. Die Entscheidung über die Kostenübernahme erfolgt dann auf der Grundlage der Stellungnahme eines Gutachters anhand des anonymisierten Berichts des behandelnden Psychotherapeuten. Dies kann einige Wochen dauern.

Die Therapiegenehmigung

Die Versicherungträger (z.B. gesetzliche Krankenversicherungen, private Krankenversicherungen oder Beihilfe) übernehmen die Kosten für eine ambulante Psychotherapie nur ab dem Datum der ausdrücklichen und schriftlichen Genehmigung im genehmigten Umfang. Sie erhalten diesbezüglich eine Mitteilung durch den Kostenträger. Die psychotherapeutische Behandlung wird also erst dann beginnen können, wenn die schriftliche Kostenübernahmezusage vorliegt.

Psychotherapieverfahren

Bislang gilt die Einschränkung auf drei Psychotherapieverfahren:

Der Wissenschaftliche Beirat Psychotherapie empfahl im Mai 2002 die Gesprächspsychotherapie und im Dezember 2008 die Systemische Therapie als „wissenschaftlich anerkanntes Verfahren“ mit aufzunehmen.

Für den Patienten besteht Wahlfreiheit.

Art, Umfang und Durchführung der Behandlung

Sowohl Einzelpsychotherapie als auch Gruppenpsychotherapie ist im ambulanten Bereich möglich. Die Abrechnung erfolgt über den Einheitlichen Bewertungsmaßstab. Die Zeitkontingente für Psychotherapie sind festgelegt. Nach fünf (Verhaltenstherapie und tiefenpsychologisch fundierte Psychotherapie) oder acht (analytische Psychotherapie) probatorischen Sitzungen, die zur Indikationsprüfung dienen, kann eine Kurzzeitpsychotherapie mit bis zu 25 Stunden erfolgen. Bei nichtärztlichen Psychotherapeuten ist außerdem vor Beginn der Therapie ein ärztlicher Konsiliarbericht erforderlich, der u.a. das Nichtvorhandensein einer körperlichen Erkrankung bescheinigt und Fragen der Medikamenteneinnahme klärt.

privat Versicherte

Bei manchen Privatversicherungen sehen die Verträge vor, dass pro Kalenderjahr lediglich eine bestimmte Zahl von Psychotherapiesitzungen bezahlt wird, z.B. 25 Sitzungen. Zwischen probatorischen und regulären Sitzungen wird dann meist kein Unterschied gemacht. Wer also in einem solchen Fall mehrere Psychotherapeuten mit jeweils 5 probatorischen Sitzungen "ausprobiert", verbraucht allein dadurch möglicherweise schon sein gesamtes "Jahreskontingent" und muss mit der eigentlichen Psychotherapie dann bis zum nächsten Jahr warten oder die Behandlung selbst bezahlen.

Probatorik als Verbraucherschutz

Es empfiehlt sich aus Sicht der Klienten, den Psychotherapeuten/die Psychotherapeutin vor Beginn der Therapie kennenzulernen. Insofern gelten die bis zu fünf (VT) oder acht (PA) probatorische Sitzungen auch als Schnupper-Sitzungen um zu prüfen, ob eine tragfähige Arbeitsbeziehung aufgebaut werden kann. Erst nach dieser Phase, in der auch die Psychotherapieziele und der Behandlungsplan besprochen werden, wird ein Antrag auf Psychotherapie gestellt. Eine übereilte oder falsche Entscheidung für einen Psychotherapieplatz kann das ursprüngliche Problem auch verschärfen. Nach einem Therapieabbruch kann die Bewilligung einer Nachfolge-Psychotherapie durch die Krankenkasse in Frage gestellt sein.

Sozialrecht / Berufsrecht

Psychotherapie wird in Deutschland ausschließlich von Ärzten (mit einer entsprechenden psychotherapeutischen Zusatzausbildung) oder von Psychologischen Psychotherapeuten und Kinder- und Jugendlichenpsychotherapeuten durchgeführt. Seit 1999 gilt in Deutschland das Psychotherapeutengesetz, welches die Berufsbezeichnung „Psychotherapeut“ erstmals gesetzlich geschützt hat. Neben ärztlichen Psychotherapeuten, für die eigene berufsrechtliche Regelungen gelten, können nur Diplom-Psychologen (für Kinder- und Jugendlichenpsychotherapie auch Dipl.-Pädagogen bzw. Dipl.-Sozialpädagogen) nach erfolgreicher Absolvierung einer staatlich anerkannten Ausbildung, bei Vorliegen bestimmter, im Psychotherapeutengesetz festgelegter Voraussetzungen, die staatliche Approbation zum Psychologischen Psychotherapeuten erhalten.

Die gesetzliche Krankenversicherung und damit auch deren Verfahrensweise bezüglich der Psychotherapie ist im SGB V geregelt. Darin sind Richtlinien enthalten die für die Psychotherapie insbesondere regeln:

  • behandlungsbedürftige Krankheiten
  • zur Krankenbehandlung geeignete Verfahren
  • Antrags- und Gutachterverfahren
  • probatorische Sitzungen
  • Art, Umfang und Durchführung der Behandlung sowie den ärztlichen Konsiliarbericht

Dabei können Leistungen eingeschränkt oder ausgeschlossen werden, „wenn nach allgemein anerkanntem Stand der medizinischen Erkenntnisse der diagnostische oder therapeutische Nutzen, die medizinische Notwendigkeit oder die Wirtschaftlichkeit nicht nachgewiesen sind“.

Österreich

In Österreich ist Psychotherapie sowohl im Ärztegesetz als auch im Psychotherapiegesetz von 1990[1] geregelt.

Schweiz

In der Schweiz wird die Krankenkassen-Zulassung von psychotherapeutischen Methoden wie oben dargestellt durch die Schweizer Charta für Psychotherapie, den Schweizer Berufsverband für angewandte Psychologie, den Schweizer PsychotherapeutInnen-Verband sowie die Föderation Schweizer Psychologen organisiert.

Siehe auch

Literatur

  • Bärbel Schwertfeger u. Klaus Koch: Der Therapieführer. Die wichtigsten Formen und Methoden. Heyne, München 2002, ISBN 3-453-09133-7.
  • Rosemarie Piontek: Wegbegleiter Psychotherapie. 2. Auflage. Psychiatrie-Verlag, Bonn 2005.
  • Gerhard Stumm u. Beatrix Wirth: Psychotherapie, Schulen und Methoden. Falter, Wien 2006, ISBN 3-85439-378-4.
  • Gerhard Stumm u. Alfred Pritz (Hrsg.): Wörterbuch der Psychotherapie. Springer, Wien 2007, ISBN 3-211-70772-7.
  • Klaus Grawe, R. Donati u. F. Bernauer: Psychotherapie im Wandel. Hogrefe, Göttingen 1994.

Weblinks

Einzelnachweise

  1. Volltext des Psychotherapiegesetzes

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  • Psychotherapeutengesetz — Basisdaten Titel: Gesetz über die Berufe des Psychologischen Psychotherapeuten und des Kinder und Jugendlichenpsychotherapeuten Kurztitel: Psychotherapeutengesetz Abkürzung: PsychThG Art: Bundesgesetz …   Deutsch Wikipedia

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