Einheitlicher Bewertungsmaßstab

Einheitlicher Bewertungsmaßstab
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Unter Einheitlicher Bewertungsmaßstab (EBM) versteht man im deutschen Gesundheitswesen ein Verzeichnis, nach dem vertragsärztlich erbrachte, ambulante Leistungen der gesetzlichen Krankenversicherung abgerechnet werden. Es handelt sich somit um ein Vergütungssystem der ambulanten Versorgung in Deutschland.

Inhaltsverzeichnis

Historische Entwicklung

Der EBM ist mit dem Krankenversicherungs-Kostendämpfungsgesetz (KVKG) von 1977 eingeführt worden. Bis zu diesem Zeitpunkt hatten die einzelnen Kassenarten in der Gesetzlichen Krankenversicherung (AOK, BKK, Ersatzkassen etc.) verschieden aufgebaute Gebührenordnungen mit der Kassenärztlichen Bundesvereinigung und den Kassenärztlichen Vereinigungen ausgehandelt. Dies erschwerte aus Sicht des Gesetzgebers die damals gewollte stärkere Ausgabenbegrenzung. Daher regelte der Gesetzgeber, dass ab 1978 ein "einheitlicher" Bewertungsmaßstab für alle Krankenkassen Anwendung finden müsse. Auch für den Bereich der Zahnärzte ist ein solcher einheitlicher Bewertungsmaßstab - dort heißt er: Bewertungsmaßstab zahnärztlicher Leistungen (BEMA) - seitdem vorgeschrieben.

Gesetzliche Grundlage

Grundlage des EBM ist das Fünfte Buch Sozialgesetzbuch (SGB V). In § 87 Abs. 2 SGB V ist festgelegt: "Der einheitliche Bewertungsmaßstab bestimmt den Inhalt der abrechnungsfähigen Leistungen und ihr wertmäßiges, in Punkten ausgedrücktes Verhältnis zueinander; soweit möglich, sind die Leistungen mit Angaben für den zur Leistungserbringung erforderlichen Zeitaufwand des Vertragsarztes zu versehen."
Ab dem EBM 2000plus wird zudem die Rahmenstruktur des jeweils aktuellen EBM durch das am 1. Januar 2004 in Kraft getretene GKV-Modernisierungsgesetz (GMG) vorgegeben. Neu daran ist, dass die Leistungen in Komplexen bzw. Fallpauschalen zusammenzufassen und kooperative Versorgungsformen besonders zu berücksichtigen sind.

Seit dem 1. April 2011 ist der EBM 2011 die gültige Gebührenordnung für die Behandlung gesetzlich krankenversicherter Patienten.

Der EBM gilt grundsätzlich für die ambulante Behandlung von Patienten der Gesetzlichen Krankenversicherung. Die Abrechnung erfolgt mit der zuständigen Kassenärztlichen Vereinigung, wenn der Arzt als Kassenarzt zugelassen oder als Krankenhausarzt ermächtigt ist oder - wenn er beides nicht ist - in der Notfallbehandlung. Eine Ermächtigung von Krankenhausärzten kommt nur in Betracht, wenn im Angebot der niedergelassenen Vertragsärzte eine Versorgungslücke besteht.

Autoren/Beteiligte

Der EBM wird durch den Bewertungsausschuss beschlossen, der sich paritätisch aus Vertretern des Spitzenverbandes der gesetzlichen Krankenversicherung und der Kassenärztlichen Bundesvereinigung (KBV) zusammensetzt. Im Falle teilweiser oder vollständiger Beschlussunfähigkeit wird der Bewertungsausschuss um einen unparteiischen Vorsitzenden sowie zwei weitere unparteiische Mitglieder erweitert (Erweiterter Bewertungsausschuss). Vorsitzender des Erweiterten Bewertungsausschusses ist seit September 2007 der Gesundheitsökonom Jürgen Wasem (Universität Duisburg-Essen).

Einvernehmlich im Bewertungsausschuss bzw. mit Mehrheit gefasste Beschlüsse des Erweiterten Bewertungsausschusses sind bindend. Allerdings hat das Bundesministerium für Gesundheit seit der Gesundheitsreform von 2007 die Möglichkeit, Beschlüsse zu beanstanden. Kommen gesetzlich vorgegebene Beschlüsse nicht zustande, kann das Ministerium eine Ersatzvornahme tätigen; es kann auch selber den Erweiterten Bewertungsausschuss anrufen, wenn keine der beiden Seiten ihn anruft.

Struktur

Übersicht

Der EBM ist nach einigen einführenden Bemerkungen in sechs Teile gegliedert:

  • Arztgruppenübergreifende allgemeine Leistungen
  • Allgemeine diagnostische und therapeutische Leistungen
  • Arztgruppenspezifische Leistungen
  • Arztgruppenübergreifende spezielle Leistungen
  • Kostenpauschalen
  • Anhänge

Hinzu kommen derzeit vier Anhänge. In Anhang 1 findet sich das Verzeichnis der nicht gesondert abrechnungsfähigen und in Komplexen enthaltenen Leistungen, Anhang 2 definiert die Zuordnung der operativen Prozeduren nach § 301 SGB V zu den Leistungen des Kapitels 31 EBM, in Anhang 3 finden sich die Angaben für den zur Leistungserbringung erforderlichen Zeitaufwand des Arztes gemäß § 87 Abs. 2 Satz 1 SGB V in Verbindung mit § 106a Abs. 2 SGB V und in Anhang 4 werden seit Juli 2007 die nicht oder nicht mehr berechnungsfähigen Leistungen aufgelistet.

Die Teile im Einzelnen

Jede abrechenbare Leistung hat eine Ziffer, die EBM-Nummer, und eine Punktzahl. Zum Teil sind die EBM-Nummern mit Richtzeiten versehen, die für Plausibilitätsprüfungen nach der Abrechnung benötigt werden.

Die arztgruppenübergreifenden allgemeinen Leistungen stehen allen Ärzten offen. Hier finden sich Leistungen, die für die Notdienst-Ableistung erforderlich sind, "Unzeit"-Ziffern für Leistungen nachts und am Wochenende, Hausbesuche, Berichte, Schwangerschafts- und Substitutionsbetreuung und Präventionsleistungen. Alle Nummern dieses Teils beginnen mit den Ziffern 01.

Der Teil allgemeine diagnostische und therapeutische Leistungen enthält kleinere operative Leistungen wie Punktionen, Wundversorgungen, Infusionen, Transfusionen, Gipsanlage und einige physikalische Therapien. Die Leistungen dieses Kapitels stehen ebenfalls allen ärztlichen Fachgruppen offen. Die Nummern dieses Teils beginnen mit den Ziffern 02,

Der Teil mit den arztgruppenspezifischen Leistungen ist der ausführlichste. Hier stehen getrennt für Hausärzte und alle Facharztgruppen die EBM-Nummern mit den eigentlichen Betreuungsleistungen und Fach(arzt)spezifischen Komplexen. Für jede Facharztgruppe existiert ein eigenes Kapitel, die Leistungsziffern beginnen jeweils mit anderen Ziffern, etwa für Hausärzte mit 03, Kinderärzte mit 04, Augenärzte mit 06 und so weiter bis zu Urologen (26) und Fachärzten für Physikalische und Rehabilitative Medizin (27). In diesem Kapitel können die jeweiligen Fachärzte nur Leistungsziffern aus "ihrem" Kapitel abrechnen.

Die arztgruppenübergreifenden speziellen Leistungen stehen wieder allen Ärzten offen, jedoch sind für die Abrechnung Genehmigungen durch die jeweilige Kassenärztliche Vereinigung erforderlich. Diese ist im Allgemeinen an bestimmte Qualifikationen gebunden. So kann die Leistung 30201 (Chirotherapeutischer Eingriff) nur abgerechnet werden, wenn der Arzt die entsprechende Weiterbildung besucht hat. Auch operative Leistungen und Labor- und Röntgenleistungen werden in diesem Teil behandelt.

Im Teil Kostenpauschalen werden verschiedene Sachkosten-Pauschalen aufgeführt wie Porti, Wegegelder bei Besuchen und bestimmte Verbrauchsmaterialien.

Nicht Bestandteil des EBM sind Impfleistungen, da hierzu in jedem Bundesland leicht abweichende Regelungen bestehen, die auch innerhalb der verschiedenen Krankenkassenarten (z. B. Primär- oder Ersatzkassen, Knappschaft) nicht einheitlich sind.

Beispiele

Beispiele für solche EBM-Nummern und deren Punktzahlen (EBM 2008)

  • GOP 01410 Hausbesuch 440 Punkte
  • GOP 01730 Krebsfrüherkennungs-Untersuchung bei der Frau 400 Punkte
  • GOP 03110 einmalige Pauschale im Quartal für Patienten bis zum 5. Lj. 1000 Punkte
  • GOP 03111 einmalige Pauschale im Quartal für Patienten vom 5. Lj. bis zum 59. Lj. 900 Punkte
  • GOP 03112 einmalige Pauschale im Quartal für Patienten ab 60. Lj. 1020 Punkte
  • GOP 03115 jeder weitere Arzt-Patientenkontakt im Quartal (seit 1. Januar 2008 gestrichen)
  • GOP 03321 Belastungs-EKG 565 Punkte
  • GOP 04110 einmalige Pauschale im Quartal für Kinder bis zum 5. Lj. 1000 Punkte
  • GOP 05330 Anästhesie oder Kurznarkose 2375 Punkte
  • GOP 26350 Kleiner urologisch operativer Eingriff 220 Punkte

Das ärztliche Honorar ergibt sich aus der Punktzahl, multipliziert mit dem Punktwert, der variabel ist. Dem seit 1. April 2005 gültigen EBM lag ein kalkulatorischer Punktwert von 5,11 Cent zu Grunde.

Bedeutung

Honorarverteilung

Die Punktzahlen legen das Wertverhältnis der Leistungen untereinander fest. Für eine Leistung, die mit 100 Punkten bewertet ist, erhält ein Arzt doppelt so viel Geld wie für eine, die mit 50 Punkten bewertet ist.

Vergütung innerhalb des Regelleistungsvolumens
(Orientierungspunktwert)
Jahr Vergütung je Punkt
2008 0,033600 €
2009 0,035001 €
2010 0,035048 €
2011 0,035048 €

Jedem Punkt entspricht aber nicht immer derselbe Centwert. Wie viel ein Punkt wert ist, lässt sich erst sagen, wenn der durchschnittliche Punktwert im Abrechnungszeitraum ermittelt ist. Dieser ergibt sich aus der zur Verfügung gestellten Geldmenge aller gesetzlichen Krankenkassen in einer Region und den nach EBM aufsummierten Punktzahlen aller ambulanten medizinischen Leistungen für die Patienten der Region, die bei den Krankenkassen versichert sind. Im Durchschnitt aller gesetzlichen Krankenkassen der Bundesrepublik betrug der Punktwert 1998 3,72 Cent. Der EBM ist also kein „Preisverzeichnis“ für die Krankenkassen (wie etwa die Gebührenordnung für Ärzte, die bei Privatpatienten zur Anwendung kommt), sondern sie regelt überwiegend nur die Verteilung des vorher festgelegten Gesamt-Honorarvolumens auf die verschiedenen Ärzte. Lediglich bei den sog. "extra-budgetären" Leistungen (z.B. bestimmte Präventionsleistungen, ambulantes Operieren) gilt, dass der Arzt sie in jedem Falle zum vollen Preis vergütet bekommt, den die Krankenkassen den Kassenärztlichen Vereinigung entsprechend ohne Anwendung mengenbegrenzender Regelungen vergüten.

Die durch einen Arzt gegenüber der KV abrechenbaren Punkte waren seit Mitte der neunziger Jahres des 20. Jahrhunderts über die so genannten Praxisbudgets gedeckelt, die für jede Praxis von der KV festgelegt wurden. Punkte (d. h. Leistungen), die über das Praxisbudget hinaus abgerechnet werden, wurden nicht vergütet. Seit 2004 gelten anstelle der Praxisbudgets so genannte Regelleistungsvolumina. Leistungen, die oberhalb der Regelleistungsvolumina erbracht werden, werden von den Kassenärztlichen Vereinigungen nur abgestaffelt vergütet; Leistungen innerhalb der Regelleistungsvolumina werden mit einem festen Punktwert vergütet.

Kassenärztliche Abrechnung

Viermal jährlich (quartalsweise) teilt der Arzt seiner regionalen Kassenärztlichen Vereinigung (KV) die Namen aller bei ihm in Behandlung gewesenen Versicherten der Gesetzlichen Krankenversicherungen der letzten 3 Monate, deren Diagnosen und die erbrachten Leistungen (in Form der entsprechenden EBM-Ziffer) mit.

Die regionale KV teilt das gesamte Geldvolumen, das ihr von allen Krankenkassen für diese 3 Monate zur Verfügung gestellt wird in verschiedene "Töpfe" auf. Jede Fachgruppe (z.B. Hausärzte, Dermatologen, ...) erhält einen "Fachgruppentopf" zugeteilt, der mit wechselnder Geldmenge gefüllt ist. Aufgrund der Größe des Fachgruppentopfes legt die Kassenärztliche Vereinigung darauf hin die Höhe der Regelleistungsvolumina der einzelnen Ärzte fest.

Anhand der Richtzeiten für zahlreiche EBM-Nummern errechnet die KV zudem, ob die Abrechnung der Leistungen in der Summe überhaupt plausibel ist, indem bestimmte Tageshöchst-Arbeitszeiten für die Ärzte angenommen werden.

Weblinks


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