Siegfried Rataizick

Siegfried Rataizick

Siegfried Rataizick (* 29. Mai 1931 in Halle (Saale)) war von 1963 bis 1989 Leiter der ehemaligen Untersuchungshaftanstalt Berlin-Hohenschönhausen und Chef der zentralen Gefängnisverwaltung des Ministeriums für Staatssicherheit (MfS). Als solcher war er verantwortlich für die Verwahrung tausender verhafteter DDR-Oppositioneller und Spione.

Inhaltsverzeichnis

Kindheit und Jugend

Rataizick wurde 1931 als uneheliches Kind in Halle an der Saale geboren. Zur Herkunft seiner Mutter verschwieg Rataizick in einem Fragebogen des MfS, dass diese eine 1931 verurteilte Strafgefangene war. Nach 1989 gab er mehrfach an, seine Mutter sei 1939 im Konzentrationslager Waldheim verstorben. Sein Pflegevater war Tischler. Von 1937 bis 1945 besuchte er die Volksschule in Glesien und nahm anschließend eine Lehre und Arbeit als Klempner auf. Später arbeitete er als Schleifer, ab 1950 als Kraftfahrer. 1946 trat Rataizick der FDJ bei, fünf Jahre später auch der SED.

Stasi-Laufbahn

Im August 1951 trat er im Alter von 20 Jahren in den Dienst des MfS.[1]. Anfangs war er Wachmann in der Länderverwaltung Sachsen-Anhalt, ab Ende 1951 als Wärter im Kellergefängnis in Berlin-Hohenschönhausen tätig. Schrittweise arbeitete er sich dort zum Sach-, später Hauptsachbearbeiter der Haftabteilung (Abteilung XIV) hoch. 1953 wurde er zum Leutnant befördert und übernahm 1956 kommissarisch die Leitung des Referates 1. Zwischen 1957 und 1958 besuchte er die Bezirksparteischule der SED in Bad Blankenburg. Danach wurde er Oberleutnant und Referatsleiter. Der gestiegene Personalbedarf des MfS in Folge des Mauerbaus begünstigte Rataizicks beruflichen Aufstieg. 1963 wurde er zum Chef der Abteilung XIV - und damit der zentralen Gefängnisverwaltung des MfS - ernannt. Bereits am 1. Oktober 1962 hatte er diesen Posten als kommissarischer Nachfolger des entlassenen Hans Bialas übernommen. Ab 1963 besuchte er die Zentrale Abendschule des Ministerium des Innern der DDR. 1964 wurde Rataizick zum Major befördert. Ein vierjähriges Fernstudium an der HU-Berlin schloss er 1968 als Diplom-Kriminalist mit der Note „gut“ ab. 1975 wurde er zum Oberst befördert. 1984 promovierte er zum Dr. jur. mit weiteren MfS-Offizieren an der MfS-Hochschule Potsdam über Die aus den politisch-operativen Lagebedingungen und Aufgabenstellungen des MfS resultierenden höheren Anforderungen an die Durchsetzung des Untersuchungshaftvollzugs und deren Verwirklichung in den Untersuchungshaftanstalten des MfS[2]. Trotz dieser Promotion wurde er nicht mehr in den Rang eines Generals befördert, so wie es beim MfS für Hauptabteilungsleiter oder Offiziere in vergleichbaren Positionen üblich war. Seine Vorgesetzten bescheinigten ihm Gewissenhaftigkeit, Kompromisslosigkeit und Klassenhass; er erhielt 42 Belobigungen und Auszeichnungen. Im Zuge der Auflösung des MfS wurde er im Januar 1990 entlassen.[3]

Leben nach 1990

Die Zustände in MfS-Gefängnissen hat er nach der Wende immer wieder verharmlost und gerechtfertigt[4]. So erklärte er 2002 im Tagesspiegel: „Ich möchte keinen Tag missen, würde es jederzeit wieder machen“[5]. Im März 2001 unterzeichnete Rataizick einen offenen Brief, indem er und 22 weitere hochrangige ehemalige MfS-Offiziere die angebliche „Hexenjagd“ auf ehemalige Mitarbeiter der Staatssicherheit anprangerten.[6] Als einer von neun ehemaligen MfS-Mitarbeitern kam Rataizick 2003 in dem Film "Das Ministerium für Staatssicherheit - Alltag einer Behörde" zu Wort.[7] Rataizick ist Mitglied der geschichtsrevisionistischen Gesellschaft zur Rechtlichen und Humanitären Unterstützung (GRH), in der sich ehemalige MfS-Angehörige und andere DDR-Funktionäre zusammengeschlossen haben.

Schriften

Literatur

Weblinks

  • Jürgen Schreiber: Dressiert, lebenslang - Ein Interview mit Siegfried Rataizick im Tagesspiegel vom 15. Mai 2002.

Einzelnachweise

  1. Vgl. Karl Wilhelm Fricke: DDR-Staatssicherheit - Die Schönfärber verhöhnen ihre Opfer, in: Frankfurter Rundschau vom 16. November 2007. Online-Version
  2. Vgl. Wilhelm Bleek/Lothar Mertens: Bibliographie der geheimen DDR-Dissertationen, Bd. 1, München 1994, S. 587.
  3. Vgl. Hubertus Knabe: Die Täter sind unter uns - Über das Schönreden der SED-Diktatur, Berlin 2007, S. 291-298.
  4. Vgl. Steffen Alisch: Wir brauchen eine solche so genannte Gedenkstätte nicht…", in: Einsichten und Perspektiven 02/2006. Online-Version
  5. Jürgen Schreiber: Dressiert, lebenslang, in: Der Tagesspiegel vom 15. Mai 2002. Online-Version
  6. Vgl. Bericht auf Stasiopfer.de, eingesehen am 15. Juni 2009.
  7. IMDb-Eintrag zu Das Ministerium für Staatssicherheit - Alltag einer Behörde

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