- Rathaus (Ulm)
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Das Ulmer Rathaus zählt nicht zuletzt wegen seiner Fresken und einer astronomischen Uhr zu den herausragenden Baudenkmälern der Stadt Ulm. Seine komplexe Baugeschichte – es besteht aus drei verschiedenen Bauteilen – begann im 14. Jahrhundert, sein jetziges Aussehen geht auf die Frührenaissance zurück.
Inhaltsverzeichnis
Baugeschichte
Gewandhaus
Den ältesten Teil des Ulmer Rathauses bildete ein (später abgerissener) Bau im Bereich des heutigen Rathausnordflügels. 1357 wird dieser als „Gewandhaus“, bzw. 1362 als „Kaufhaus“ bezeichnet. Einen Ulmer Handelsschwerpunkt dieser Zeit bildeten neben Eisen und Salz Stoffe, insbesondere der Barchent. 1369 erhielten auch die Sattler das Recht, dort ihre Ware zu verkaufen.
Neues Kaufhaus
1370 wurde als Erweiterung der heutige Ostflügel des Ulmer Rathauses – damals auch als „neues Kaufhaus“ bezeichnet – angefügt. In seinem Erdgeschoss befand sich eine 8 m hohe Verkaufshalle der Metzger. Ein zugehöriges Spitzbogentor an der Südseite ist bis heute vorhanden. 1383 wird das Gebäude auch als „Gerichtshaus“ bezeichnet, da es mittlerweile im Erdgeschoss eine nach Norden offene Laube besaß, wo das Niedergericht öffentlich tagte.
Spätestens ab 1395 verfügte auch der Ulmer Rat über eine Ratsstube in dem Gebäude, das 1419 nunmehr „Rathaus“ genannt wird. Um diese Zeit wurde über der dreischiffigen Kaufhalle ein großer Ratssaal eingezogen und die südöstliche Front des Gebäudes im 1. Stock nach 1420 mit 5 großen, spätgotischen Prunkfenstern versehen. Die zwei Fenster der Ostseite erhielten eine Kielbogenrahmung, die drei Südfenster Wimpergaufbauten. Zusätzlich wurden an den Fenstern steinerne Figuren angebracht. Während die Skulpturen der sechs Kurfürsten der Rathaussüdfenster von Meister Hartmann stammen, sind die Plastiken am Ostfenster Werke von Hans Multscher. Die Figur des Kaisers (dargestellt ist Karl der Große, da zwischen 1420 und 1433 kein deutscher Kaiser existierte) wird von zwei Schildknappen und den Königen von Böhmen und Ungarn flankiert (beide Kronen hatte damals König Sigismund inne, der 1433 auch zum deutschen Kaiser gekrönt wurde). Die Originale der heutigen Kopien am Rathaus befinden sich im Ulmer Museum.
An der Ostseite befindet sich außerdem eine Verkündigungskanzel, von der der Kaiser oder dessen Vertreter Huldigungen entgegennahmen, aber auch Todesurteile verlesen wurden. Sie muss bereits 1473 vorhanden gewesen sein, wurde jedoch 1539 und 1604 ergänzt und umgestaltet.
Roth’sches Haus
Bereits beim Bau des (neuen) Kaufhauses war im Westen des Komplexes ein älteres Fachwerkhaus („Roth’sches Haus“) angekauft worden. Dieses wurde um 1480 neu errichtet und dem Hauptbaukörper angepasst. Um 1900 wurde dieser Teil komplett abgebrochen und ersetzt.
Neugestaltung im 16. Jahrhundert
Im 4. Jahrzehnt des 16. Jahrhunderts erfolgten umfangreiche Umbauten, in deren Zuge der Nordflügel (also das ursprüngliche Gewand- oder Kaufhaus) abgerissen und der nördliche Querbau (mit Säulenarkaden) durch den Baumeister Hans Michel vollständig erneuert wurde. Vom ursprünglichen Nordbau (Gewandhaus) blieben nur die Kellergewölbe erhalten, die noch über längere Zeit als Gefängnis genutzt wurden. Der Ostflügel erhielt seine heutige Gestalt mit filigranen Säulen und Gebälken aus Terrakotta, auch das bereits vorhandene Erkertürmchen an der Südostecke wurde verändert.
1540 wurde die Martin Schaffner zugeschriebene Fassadenbemalung der Nord- und Ostseite abgeschlossen. Sie gilt als größter Freskenzyklus des 16. Jahrhunderts in Deutschland. Die Ostfassade behandelt Themen wie Göttliche Weisheit, Selbsterkenntnis und Gerechtigkeit vorwiegend anhand biblischer Beispiele. An der Nordfassade finden sich hingegen Themen der römischen und griechischen Sagenwelt wie Kriegs-Ehrbarkeit, männliche Kühnheit oder Gehorsam. Schaffner griff dabei auf Bildvorlagen – vor allem Holzschnitte für Buchillustrationen – zurück, die von Augsburger Renaissance-Künstlern stammten (u.a. Hans Schäufelin). 1576 bis 1578 muss eine weitere Umgestaltung des Altbaues erfolgt sein.
Renovierung um 1900
1898 bis 1905 wurde das mittlerweile teils verfallene Ulmer Rathaus eingehend renoviert und teilweise umgestaltet, obwohl sich zahlreiche Stimmen für eine Aufgabe des Gebäudes und einen Neubau an anderer Stelle ausgesprochen hatten. Das Roth’sche Haus wurde abgetragen und durch einen besser in die Gesamtanlage integrierten Neubau ersetzt. 1903 erhielt dieser Gebäudeteil im Nordwesten zusätzlich eine Freitreppe. Die inzwischen stark verblasste Fassadenbemalung wurde restauriert bzw. nach alten Vorlagen rekonstruiert, die zwischenzeitig abgebrochene Verkündigungskanzel wiederhergestellt, ebenso die astronomische Uhr instandgesetzt.
Die ursprüngliche Bemalung der Südfassade ist nicht erhalten und wurde 1905 neu gestaltet. Im Südgiebel ist eine Ulmer Schachtel abgebildet, darüber die Wappen der Städte und Länder, mit denen Ulm in Handelsbeziehung stand. Im unteren Bereich ist die Heimkehr der siegreichen Ulmer über den Belagerer Kaiser Karl IV. im Jahr 1376 dargestellt.
Ab dem Zweiten Weltkrieg
Bei einem schweren Luftangriff auf Ulm am 17. Dezember 1944 wurde das Innere des Ulmer Rathauses größtenteils zerstört. Die äußere Form sowie die Wandgemälde blieben jedoch, wie auch die gewölbten Räume der unteren Geschosse, weitgehend intakt. Eine früher ausgebaute Saaltüre von Jörg Syrlin d. J. von 1509 blieb erhalten (sie befindet sich heute im Ulmer Museum). Nach dem Krieg wurden die Gebäudeteile zunächst mit Notdächern versehen. Ab 1951 konnten die wichtigsten städtischen Ämter und der Oberbürgermeister wieder in das Rathaus einziehen. Ende der 1950er-Jahre sowie 1973 wurden die Fresken am Ulmer Rathaus ausgebessert.
1987 bis 1989 erfolgte ein weiterer tiefgreifender Umbau des Rathausinneren. Unter anderem wurde – in Ergänzung des (nunmehr kleinen) Ratssaales im Südosten – ein zweiter, großer Ratssaal im Nordflügel eingebaut.
Astronomische Uhr
Die astronomische Uhr des Ulmer Rathauses an der Ostfront des Gebäudes stammt von etwa 1520. Um 1580 wurde der Straßburger Uhrmacher Isaak Habrecht vom Ulmer Rat mit deren Erneuerung beauftragt. Ihre Mechanik wurde im Zweiten Weltkrieg zerstört und 1952 erneuert.
Sonstiges
Im Lichthof des Rathauses ist heute eine Nachbildung des Hängegleiters des „Schneiders von Ulm“, Albrecht Ludwig Berblinger, ausgestellt.
Im (kleinen) Ulmer Ratssaal sind Glasscheiben aus der Zeit um 1600 erhalten, in einem der östlichen Ratsfenster zudem eine Glassonnenuhr, die wohl auf die Zeit der Umgestaltung um 1540 zurückgeht.
Auf dem Platz südöstlich des Rathauses befindet sich ein Brunnen von Jörg Syrlin d. Ä. aus dem Jahr 1482. In diesem sogenannten Fischkasten wurden an Markttagen Fische ausgesetzt.
Literatur
- Hans Koepf: Das Ulmer Rathaus. Herausgegeben vom Hauptamt der Stadt Ulm, Süddt. Verlagsgesellschaft, 1981, 48 S.
- Hans Koepf: Ulmer Profanbauten. Forschungen zur Geschichte der Stadt Ulm (Hrsg. Stadtarchiv Ulm), Band 4, 1982, W. Kohlhammer, Stuttgart, ISBN 3-17-007078-9, S. 146-149.
- Hans Koepf: Schwäbische Kunstgeschichte, Bd. 2, Baukunst der Gotik. Jan Thorbecke, Konstanz u. Stuttgart, 1961. S. 100-101
- Stadt Ulm (Hrsg.): Das Rathaus. Baudokumentation anlässlich der Neueröffnung nach dem Umbau von 1987 bis 1989. 79 S.
Weblinks
Commons: Rathaus Ulm – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien- Das Ulmer Rathaus, Flyer; Hrsg.: Stadt Ulm, Zentrale Dienste, Öffentlichkeitsarbeit und Repräsentation 11/99, Text: Henning Petershagen
- Kurzinformation bei tourismus.ulm.de
- Ausführliche Informationen zur Astronomischen Uhr am Ulmer Rathaus
48.3969749.993326Koordinaten: 48° 23′ 49″ N, 9° 59′ 36″ OKategorien:- Kulturdenkmal in Ulm
- Rathaus in Baden-Württemberg
- Bauwerk in Ulm
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