Rudolf Lindau (Politiker)

Rudolf Lindau (Politiker)

Rudolf Lindau (Pseudonym Paul Graetz[1][2]; * 28. März 1888 in Riddagshausen; † 18. Oktober 1977 in Berlin) war ein deutscher Politiker und Historiker.

Inhaltsverzeichnis

Leben

Rudolf Lindau wurde als Sohn eines Sattlers in Riddagshausen bei Braunschweig geboren. Als Transportarbeiter schloss er sich 1904 der Gewerkschaft an, wurde 1907 Mitglied der SPD und war ab 1911 beim sozialdemokratischen Hamburger Echo angestellt. Er gehörte zum linken Parteiflügel, unterstützte Heinrich Laufenberg bei der Erstellung der Geschichte der Arbeiterbewegung in Hamburg, Altona und Umgegend und schloss sich während des Ersten Weltkrieges den Bremer Linksradikalen an, die er 1916 auf der Konferenz des Spartakusbundes vertrat. 1916 bis zur Revolution 1918 war Lindau Soldat.

Seit 1919, also von Beginn an, war er in der KPD, war leitender Funktionär in Hamburg, Sachsen und auf Reichsebene, sowie leitender Redakteur von KPD-Presseorganen wie der Kommunistischen Arbeiterzeitung, der Kommunistischen Pressekorrespondenz und der Bergischen Arbeiterstimme. Er war von 1921 bis 1924 und 1927/1928 in der Hamburgischen Bürgerschaft und vom Mai bis Dezember 1924 nach einem vom Parteivorstand erzwungenem Mandatsverzicht von Wilhelm Deisen im Reichstag. Lindau tendierte zum linken Parteiflügel, war aber über Strömungsgrenzen hinaus anerkannt, so erhielt er bei den Wahlen zum Parteivorstand auf dem VIII. Parteitag 1923 unter allen Kandidaten die meisten Stimmen.

Im Mai 1924 wurde Lindau wegen Beteiligung am Hamburger Aufstand verhaftet und war bis Ende 1925 in Untersuchungshaft. Nach seiner Freilassung wandte er sich als politischer Leiter des Bezirks Wasserkante gegen die Misswirtschaft in der Hamburger Parteiorganisation und wurde daher 1927 von dieser Funktion entbunden und durch John Wittorf ersetzt. Bis 1930 wieder als Redakteur von Parteizeitungen tätig, widmete er sich danach vermehrt historischen Studien.

Er kämpfte zunächst im Untergrund gegen die Machtübernahme Hitlers, sein Sohn (der ebenfalls Rudolf Lindau hieß) wurde von einem NS-Gericht wegen angeblicher Beteiligung am Altonaer Blutsonntag zum Tode verurteilt und 1934 hingerichtet. Lindau emigrierte 1934 in die UdSSR, forschte dort unter dem Pseudonym Paul Graetz weiter zu historischen Themen, war Lehrer an Parteischulen und an Antifa-Schulen für deutsche Kriegsgefangene und arbeitete im Nationalkomitee Freies Deutschland (NKFD).

Nach dem Kriegsende 1945 kehrte er nach Deutschland zurück, wurde 1946 Mitglied der SED und war von 1947 bis 1950 paritätischer Direktor der Parteihochschule Karl Marx. Am 12. September 1950 setzte das Politbüro der SED Hanna Wolf als Direktorin der Parteihochschule ein und Rudolf Lindau wurde wissenschaftlicher Mitarbeiter des Instituts für Marxismus-Leninismus (IML) beim ZK der SED. Sein 1960 publiziertes Buch Revolutionäre Kämpfe 1918/19 geriet unter Beschuss der Parteiführung um Walter Ulbricht, da Lindau den von der offiziellen Parteilinie abweichenden Standpunkt vertrat, dass es sich bei der Novemberrevolution um eine in der Tendenz sozialistische Revolution und nicht um eine bürgerliche Revolution gehandelt habe. Der als starrköpfig geltende Lindau weigerte sich, anders als die anderen angegriffenen Historiker, Selbstkritik zu üben und den offiziellen Standpunkt zu vertreten.

Literatur

  • Dieter Lent: Lindau, Rudolf. In: Horst-Rüdiger Jarck und Günter Scheel (Hrsg.): Braunschweigisches Biographisches Lexikon: 19. und 20. Jahrhundert. Hahnsche Buchhandlung, Hannover 1996, ISBN 3-7752-5838-8, S. 384.
  • Kurzbiographie in: Hermann Weber: Die Wandlung des deutschen Kommunismus. Die Stalinisierung der KPD in der Weimarer Republik. Band 2. Frankfurt/Main 1969, S. 208–209.

Weblinks

Einzelnachweise

  1. Rezept Korea, Artikel aus DER SPIEGEL vom 27. Oktober 1949
  2. Wolfgang Leonhard: Die Revolution entläßt ihre Kinder, Seite 267, Ullstein Verlag, ISBN 3-548-02337-1

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