Sofja Andrejewna Tolstaja

Sofja Andrejewna Tolstaja

Sofja Andrejewna Tolstaja (russisch Со́фья Андре́евна Толста́я; * 22. Augustjul./ 3. September 1844greg. in Pokrowskoje-Streschnjowo, heute zu Moskau; † 4. November 1919 in Jasnaja Poljana) war eine russische Autorin, die fast fünfzig Jahre lang mit Lew Tolstoi verheiratet war.

Inhaltsverzeichnis

Leben

Familienbild 1887
Sofja Tolstaja

Sofja Andrejewna Behrs wuchs im Kreml in einer Familie auf, in der ihr Urgroßvater Hans Behrs vom preußischen König Mitte des 18. Jahrhunderts als Instruktor in die Armee der Zarin Elisabeth nach Russland entsandt worden war, ihr Vater war Arzt im Kreml. Die Mutter war Ljubow Alexandrowna, geb. Islawinoj (1826-1886). Sofja war die zweite von drei Töchtern. Sie legte zu Beginn der sechziger Jahre die Prüfung zur Hauslehrerin ab, in einer Zeit als die Leibeigenschaft abgelöst wurde und mit dem Roman Väter und Söhne von Turgenew sich im Großbürgertum eine Aufbruchstimmung breitmachte. Mit achtzehn Jahren machte ihr der 16 Jahre ältere, zu dieser Zeit bereits literarisch erfolgreiche Graf Tolstoi, der ein Bekannter der Familie war, einen Heiratsantrag (S. 226)[1]. Die Verlobungszeit war knapp eine Woche, am 23. September 1862 heirateten sie im Kreml in der Mariä-Verkündigungs-Kathedrale. Tolstaja zog auf Tolstois Landgut Jasnaja Poljana.

Ihre jugendlichen Schreibversuche gab sie auf und verbrannte diese und ihre Tagebücher (S.225). Tolstoi wiederum gab ihr seine Tagebücher zu lesen, aus denen sie entnehmen konnte, dass er vor dieser seiner großen Liebe schon viele Frauen gehabt hatte (diese Szene wiederholte er dann später literarisch in Anna Karenina und im 5. Kap. der Kreutzersonate).

Tolstoja war sechzehnmal schwanger[2], hatte drei Fehlgeburten, von den dreizehn Kindern erreichten acht das Erwachsenenalter, eine Empfängnisverhütung lehnte Leo ab. Für Tolstoi las sie mit großer Begeisterung die Entwürfe zu seinem Roman Krieg und Frieden und fertigte sieben Reinschriften an. In der Phase der Entstehung der Anna Karenina starben drei der Kinder und zwei Tanten und Sofja erkrankte schwer(S.239), so dass eine gemeinsame Arbeit nicht möglich war. In den achtziger Jahren zog die Familie nach Moskau, um den Kindern eine Ausbildung in der Stadt zu ermöglichen, das Ehepaar entfremdete sich zunehmend. Er entfernte sich, aber nicht im alltäglichen Leben, sondern in seinen Schriften, seinen Predigten an die Menschen, wie man leben solle“ (S. 250f).

Ehepaar 1910

Der Roman Die Kreutzersonate entstand um 1890, da waren die beiden 25 Jahre verheiratet. Es wird ein krankhaft eifersüchtiger Mann dargestellt, der sich der Versuchung durch die weibliche Sexualität hilflos ausgesetzt sieht und der sich nur durch Mord aus den Fesseln der Ehe und der Sinnlichkeit befreien kann. Sie sei die Quelle seiner Lust, er sei die Quelle ihres Auskommens.

In der Leseöffentlichkeit wurde die Frau mit Sofja gleichgesetzt. Obwohl Tolstaja sich durch die Darstellung zutiefst gedemütigt sah, setzte sie sich doch bei der Zensurbehörde für das Werk ein, in der vergeblichen Hoffnung, dass durch eine Veröffentlichung die durch Abschriften des Manuskripts bereits kursierenden Gerüchte sich auflösen würden. Sie schrieb einen Gegenentwurf: „Wessen Fehl? Die Erzählung einer Frau. (anläßlich der „Kreutzersonate“ Lew Tolstois. Niedergeschrieben von der Gattin Lew Tolstois in den Jahren 1892/1893)“, aber es kam nicht zu einer Veröffentlichung.

Die Krise der Ehepartner wurde dramatisch, als Tolstoj sich von jeglichem Besitz trennen wollte. Zuletzt verließ er mit seinem „Schüler“, dem slowakischen Arzt Dušan Makovický das Gut Jasnaja Poljana und starb unter den Augen der herbeigeeilten Weltöffentlichkeit auf einer Bahnhofsstation.

Das Erbe Tolstois, das sie verwalten wollte, wurde ihr durch eine vor ihr verheimlichten Änderung des Testaments entzogen, mit welchem Wladimir Grigorjewitsch Tschertkow[3] Nachlaßverwalter und Herausgeber der Werkausgabe wurde (S. 251, S. 293). Sie überlebte Tolstoi um neun Jahre.

Sie hinterließ eine große Sammlung von eigenen Fotografien, sowie Tagebücher und Erinnerungen. Der Gegenroman zur „Kreutzersonate“ wurde mit einhundert Jahren Verspätung in Russland herausgegeben und 2008 unter dem Titel Eine Frage der Schuld ins Deutsche übersetzt. Ihr Kurzroman "Lied ohne Worte", den sie in den Jahren 1897–1900 niederschrieb, erschien 2010 als Weltpremiere in deutscher Übersetzung. Das Werk ist in Russland bis heute unveröffentlicht.

Werke

  • Lied ohne Worte. Aus dem Russischen übersetzt von Ursula Keller. Mit einem Nachwort von Natalja Sharandak. Manesse Verlag, Zürich 2010, ISBN 978-3-7175-2210-2
  • Eine Frage der Schuld. Aus dem Russischen übersetzt von Alfred Frank. Manesse Verlag, Zürich 2008, ISBN 978-3-7175-2150-1
    • darin: Kurze Autobiografie der Gräfin Sofja Andrejewna Tolstaja mit Datum vom 28. Oktober 1913, übersetzt von Ursula Keller, S. 217-286
    • darin: Nachwort der Herausgeberin Ursula Keller, S. 299-315
  • Meine Ehe mit Leo Tolstoi : mit 7 Bildtaf. u. 1 Bibliographie d. Werke Leo Tolstois, Deutsch von Bernhard Hirschberg-Schrader, Leipzig : C. Weller & Co. Verl. 1928 DNB
  • Tagebücher Aus d. Russ. von Johanna Renate Döring-Smirnov u. Rosemarie Tietze, Königstein/Ts. : Athenäum 1982
  • Leo Tolstoj, Briefe an seine Frau. Hrsg. von Dimitrij Umanskij. Eingel. von Tatjana Suchotina Tolstaja, Berlin ; Wien ; Leipzig : P. Zsolnay 1925 DNB
  • Autobiography of Sophie Andreevna Tolstoi engl. online bei archive.org

Literatur

  • Ursula Keller, Natalja Sharandak: Sofja Andrejewna Tolstaja. Ein Leben an der Seite Tolstojs, Frankfurt, M.; Leipzig Insel-Verl. 2009, ISBN 978-3-458-17408-0.
  • Lew Tolstoj - Sofja Tolstaja: Eine Ehe in Briefen. Hrsg. und aus dem Russischen übersetzt von Ursula Keller, Natalja Sharandak. Berlin: Insel Verlag 2010, ISBN 3-458-17480-X. - Vorwort Leseprobe pdf
  • Leah Bendavid-Val, Song without words: the photographs & diaries of countess Sophia Tolstoy, Washington, DC National Geographic 2007.
  • Anne Edwards: Die Tolstois. Krieg und Frieden in einer russischen Familie. Ullstein, Frankfurt am Main 1988. ISBN 3-548-27563-X.
  • Cynthia Asquith: Ein Leben mit Tolstoj : Die Ehe d. Gräfin Sofja mit Leo Tolstoj, München : Biederstein Verl. 1962.
  • Alexandra Tolstoy, René Fülöp Miller [Hrsg.]: Tolstois Flucht und Tod, geschildert von seiner Tochter Alexandra. Mit den Briefen und Tagebüchern von Leo Tolstoi, dessen Gattin, seines Arztes und seiner Freunde. Die russ. Orig.-Dokumente wurden übers. von Vera Mitrofanoff-Demelič, Zürich: Diogenes 2008 ISBN 3-257-23670-0.
  • Gisela von Wysocki: Russische Rosenkriege. Leo Tolstoi und Sofja Tolstaja, in: Literaturen, Heft 11, 2008, S.24-28.

Siehe auch

Weblinks

 Commons: Sofja Andrejewna Tolstaja – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien

Einzelnachweise

  1. Seitenangaben aus der „Kurzen Autobiografie“
  2. Ursula Keller, Nachwort S. 308
  3. siehe englische Wikipedia en:Vladimir Chertkov

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