Vollnkirchen

Vollnkirchen
Vollnkirchen
Gemeinde Hüttenberg
Koordinaten: 50° 30′ N, 8° 33′ O50.4919444444448.5511111111111264Koordinaten: 50° 29′ 31″ N, 8° 33′ 4″ O
Höhe: 264–275 m ü. NN
Einwohner: 422 (30. Juni 2010)
Eingemeindung: 1. Jan. 1977
Postleitzahl: 35625
Vorwahl: 06447

Vollnkirchen ist der kleinste Ortsteil der Gemeinde Hüttenberg. Die Gemeinde befindet sich in Mittelhessen im Lahn-Dill-Kreis.

Inhaltsverzeichnis

Lage

Der Ort liegt von Wald umgeben in einem Wiesental am nordöstlichen Rand des Naturparks Hochtaunus südlich von Wetzlar. Durch den Ort fließt der Vollnkirchener Bach, auch Geschwindbach genannt.

Geschichte

Der mündlichen Überlieferung zufolge soll sich hier um das Jahr 1000 ein Bauer namens Fol(l)enius mit seiner Familie und Gesinde niedergelassen und die ersten Häuser erbaut haben. Nachdem die Siedlung um weitere Häuser angewachsen war, errichtete der Bauer auch eine Kirche, und das Dorf wurde nach seinem Gründer "Fol(l)eniuskirchen" genannt. Aus Foleniuskirchen wurde Follenkirchen und später Vollnkirchen. Die Legende um den Bauer Folenius geht auf einen Eintrag in Friedrich Kilian Abichts Buch "Der Kreis Wetzlar-historisch, statistisch, topographisch" [1] zurück. Abicht schreibt, dass in einem Dekanatsverzeichnis von Wetzlar aus dem 10. Jh. der Ort Follenkirchen erwähnt wird und zitiert dazu ein Buch von F.W. Freiherr von Ulmenstein [2]. Näheres zur Gründungszeit oder seinem Gründer ist aber auch hier nicht zu finden.

Die älteste urkundliche Erwähnung von Vollnkirchen findet sich in einer Urkunde des Klosters Seligenstadt im Westerwald (Gemeinde Seck, Verbandsgemeinde Rennerod, nicht zu verwechseln mit Seligenstadt am Main) und stammt vom 12. September 1276. Hierin werden Pfründe in Höhe von zwei Maltern Getreide genannt, die jährlich aus Volkinkirgin an das Kloster zu liefern sind [3][4]. Wann genau der Ort gegründet und eine Kirche erbaut wurde, lässt sich nicht nachvollziehen. Die älteste Urkunde, in der die Kirche als Bauwerk explizit erwähnt wird, stammt aus dem Jahre 1373 und steht im Zusammenhang mit Schenkungen an das Marienstift in Wetzlar [5]. Ein alter Taufstein, der sich zur Zeit am Treppenaufgang zum Kirchhof unter den Kastanienbäumen befindet, weist darauf hin, dass hier im 12. Jh eine Kirche gestanden haben muss. Aufgrund der für die Stauferzeit typischen Ornamente konnte die Entstehungszeit des Taufsteins auf die Jahre 1170 bis 1180 datiert werden.[6]

Sehenswürdigkeiten

Kulturdenkmäler in Vollnkirchen

siehe Liste der Kulturdenkmäler in Vollnkirchen

Alte Dorfkirche

Die alte Vollnkirchener Dorfkirche wurde Mitte der 1950er Jahre abgerissen und durch einen Neubau an gleicher Stelle ersetzt, der Pfingsten 1957 eingeweiht wurde. Dem Kirchenneubau ging ein langer und erbitterter Streit zwischen der damals noch selbstständigen Gemeinde Vollnkirchen und der Denkmalschutzbehörde voraus. Während der Gemeinde- und Kirchenvorstand sich für den Abriss der alten Kirche und Neubau einer größeren neuen Kirche einsetzten, versuchte der Landeskonservator den Abriss bis zuletzt zu verhindern. Er stellte fest, dass die Kirche aus dem 12. Jahrhundert stammte (1656 wurde sie um einen Anbau erweitert) und wollte sie unter Denkmalschutz stellen lassen. Doch alle Bemühungen des Landeskonservators halfen nichts, das alte Gotteshaus kam „Nun doch unter die Spitzhacke“, wie ein Bericht in der Wetzlarer Neuen Zeitung titelte. Er konnte aber zumindest erreichen, dass die wertvollsten Teile der alten Kirche den Abriss unbeschadet überstanden haben, um sie in der neuen Kirche an bevorzugter Stelle wiederverwenden zu können. Doch nach jahrzehntelanger Zwischenlagerung in einer Scheune sind die meisten Stücke verloren gegangen. So sind heute nur noch wenige Teile aus der alten Dorfkirche erhalten geblieben: die alte Glocke und das mechanische Uhrwerk versehen immer noch ihren Dienst und der Taufstein fristet heute als Blumenkübel sein Dasein. Die alte Orgel aber wurde tatsächlich an bevorzugter Stelle in der neuen Kirche wiederverwandt.

Alte Dorfschule

In Nachbarschaft zur Kirche befand sich die alte Dorfschule. Wann die erste Schule in Vollnkirchen gebaut wurde, ist nicht bekannt. 1658 planten die Vollnkirchener einen Schulneubau und baten den Grafen von Nassau-Saarbrücken um finanzielle Hilfe, da sie alleine das Geld dafür nicht aufbringen konnten [7]. 1824 schrieb damalige Lehrer Johann Schweizer an den Landrat und beklagt den schlechten Zustand des Schulgebäudes: Der Dielenfußboden der Schulstube weise so viele Löcher auf, dass schon Kinder in den Keller gefallen seien. Weil auch die Kirchhofstür in der unteren Hälfte verfault sei, müsse man aufpassen, dass die Schweine nicht unten durchkriechen würden und den benachbarten Kirchhof verwüsteten. Auch das äußerliche Erscheinungsbild der Schule ließ 1824 sehr zu wünschen übrig, der „Speiß ist los, die Gefache sind verfallen, die Fenster sind aus den Rahmen“, so dass Fremde schon geglaubt hätten, es wäre ein verfallenes Backhaus. Schlimmer als die baulichen Mängel aber sei der Umstand, „dass nur 2 kleine Schultische vorhanden sind, und viele Kinder auf den Bänken schreiben müssen“ [8].

1843 wurden Schule und Lehrerwohnung zum Abbruch versteigert und an gleicher Stelle ein neues Schulhaus „nebst Stall“ zum Preis von 1427 Thalern, acht Silbergroschen und einem Pfennig erbaut. Bis 1965 wurden die Schulkinder in dieser „einklassigen Volksschule“ unterrichtet, danach begann der Unterricht für alle Dorfschulen an der Mittelpunktschule in Rechtenbach, um „dem Schulkind auf dem Lande“ bessere Bildungs- und Zukunftschancen einzuräumen[9]. In den Jahren nach 1965 diente der Schulsaal im ersten Stock als Turnraum des neu gegründeten Turn- und Sportvereins, ehe das Gebäude 1970 dem Abrissbagger zum Opfer fiel. Am ehemaligen Standort der Schule befindet sich heute der neugestaltete Dorfmittelpunkt mit dem neuen Bürgerhaus (2005 eingeweiht).

Politische Zugehörigkeiten

  • Bis 1970 selbständige Gemeinde.
  • Am 1. Januar 1971 schlossen sich Vollnkirchen, Rechtenbach und Weidenhausen zur neuen Gemeinde Schwingbach zusammen.
  • Am 1. Januar 1977 wurde aus Hüttenberg (Zusammenschluss der Gemeinden Hochelheim und Hörnsheim 1968 hervorgegangen), Reiskirchen, Schwingbach und Volpertshausen die neue Großgemeinde Hüttenberg gebildet.

Heutiges Ortsbild

Das heute noch erkennbare Erscheinungsbild eines Straßendorfes entstand im Wesentlichen im 18. und 19. Jahrhundert. Zu beiden Seiten der Hauptstraße befanden sich große zweigeschossige Hofreiten in U- oder Winkelform, die mit überbauten Torhäusern oder hohen sog. Hüttenberger Hoftoren zur Straßenseite hin abgeschlossen waren. Die Wohnhäuser stehen in Trauf- oder Giebelstellung zur Straße, rückwärtig schließen sich Nebengebäude, Ställe und Scheunen an, dahinter wiederum Bauerngärten und Streuobstwiesen.
Auch wenn viele Wohnhäuser in der zweiten Hälfte des 20. Jh. um– oder neugebaut wurden und sich das Erscheinungsbild entsprechend geändert hat, ist bis heute ein fast intakter Scheunenkranz mit Grüngürtel auf beiden Seiten des Dorfes erhalten geblieben.
Um den alten Ortskern herum wurden Neubaugebiete erschlossen: Wiesental (Mitte der 1950er Jahre), Foleniusstraße (Mitte der 1960er Jahre) und Rädchen (1980er Jahre).
Die größten Änderungen im alten Ortskern haben sich am Dorfmittelpunkt vollzogen: Abriss der alten Dorfkirche und Kirchenneubau (Mitte 1950er Jahre), Abriss der alten Dorfschule 1970. Das Mitte der 1960er Jahre auf dem ehemaligen Schulareal gebaute Dorfgemeinschaftshaus wurde im Rahmen der Dorferneuerung 2004 abgerissen und an derselben Stelle durch das neue Bürgerhaus ersetzt. Die Einweihung fand am 28. Januar 2005 statt.
Der ÖPNV erfolgt durch die Buslinie 313 des Rhein-Main-Verkehrsverbundes.

Vereine

Vollnkirchen verfügt über ein reges Vereinsleben. Dabei tragen die Vereine auch zum gesellschaftlichen Leben im Dorf bei, in dem sie Feste veranstalten.

  • Tennisfreunde 1997 Vollnkirchen e.V., Maiglöckchenenfest am 1. Mai auf der Grillhütte
  • Freiwillige Feuerwehr, Dorffest am Bürgerhaus im Juni
  • Turn- und Sportverein 1965 e.V., Zeltkirmes am letzten Wochenende im Juli
  • Förderverein Handball Vollnkirchen e.V., Backhausfest zwischen den Jahren rund ums Bürgerhaus
  • Frauenchor

Weblinks

Einzelnachweise

  1. Friedrich Kilian Abicht: Der Kreis Wetzlar-historisch, statistisch, topographisch. Verlag Carl Wigand, Wetzlar 1836, Band 1 S. 40, Band 2 S.92f
  2. F.W. Freiherr von Ulmenstein: Geschichte und topographische Beschreibung der kaiserlich freien Reichsstadt Wetzlar. Teil 1, Hadamar 1802, S. 190 ff
  3. Wolf-Heino Struck: Quellen zur Geschichte der Klöster und Stifte im Gebiet der mittleren Lahn bis zum Ausgang des Mittelalters, Band 4 , Regesten 1156-1634, Wiesbaden 1962, Nr. 1546, S. 71-72.
  4. Originalurkunde: Hessisches Hauptstaatsarchiv Wiesbaden (HHStAW) Abt. 85 Nr U10
  5. Wolf-Heino Struck: Das Marienstift zu Wetzlar im Spätmittelalter, Regesten 1351 – 1500, Marburg 1969, Nr. 257, S. 125
  6. nach Recherchen von Walter Eberts, ehemal. Wetzlarer Stadtbildpfleger und Konservator für den Landkreis Wetzlar
  7. HHSTAW 166/167 Nr. 2220
  8. HHSTAW 423 Nr. 489
  9. Festschrift zur Einweihung der Schwingbachschule 1965

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