Waffenstillstand von Compiègne (1940)

Waffenstillstand von Compiègne (1940)

Der Waffenstillstand von Compiègne im Zweiten Weltkrieg wurde am 22. Juni 1940 zwischen dem Deutschen Reich und Frankreich geschlossen und beendete den Westfeldzug. Er sah die Besetzung von 60 Prozent des französischen Territoriums durch die deutsche Wehrmacht vor, weitere Teile Frankreichs wurden annektiert. Im unbesetzten Teil Frankreichs bildete sich das eng an Deutschland angelehnte Vichy-Regime.

Inhaltsverzeichnis

Politische Rahmenbedingungen

Nachdem am 10. Mai 1940 das Oberkommando der Wehrmacht den Befehl zum Angriff auf Frankreich gegeben hatte, erlitt die französische Armee eine beispiellose militärische Niederlage. Durch die Strategie des Blitzkrieges gelang es der deutschen Wehrmacht, die französischen und britischen Truppen in Belgien und Nordfrankreich vernichtend zu schlagen. Am 14. Juni 1940 wurde Paris zur offenen Stadt erklärt und von deutschen Truppen eingenommen. Der Regierungschef der Dritten Republik Paul Reynaud verkündete angesichts der totalen Niederlage am 16. Juni 1940 seinen Rücktritt. Als neuer Staatschef wurde Marschall Pétain bestimmt. Bereits einen Tag darauf bat der seit Schlacht von Verdun im Jahre 1916 als Nationalheld gefeierte Offizier um einen Waffenstillstand mit dem Deutschen Reich.

Verhandlungsverlauf

Waffenstillstandsverhandlungen zwischen Frankreich und Deutschland Juni 1940; links Wilhelm Keitel als deutscher Verhandlungsleiter, ihm gegenüber rechts Charles Huntziger, der die Bedingungen des NS-Regimes akzeptieren musste
Hitler (Hand in die Seite gestützt) betrachtet die Statue des französischen Marschalls Foch, bevor der Waffenstillstand unterzeichnet wird. (Filmszene)

Der deutsche Diktator Adolf Hitler sah in diesem Ersuchen die willkommene Gelegenheit, sich für die Niederlage von 1918 zu rächen. Als Ort wählte er wieder denselben Platz nahe Compiègne, an dem der Erste Waffenstillstand von Compiègne unterzeichnet worden war, und ließ auch den Wagen von Compiègne wieder auf die Gleise stellen, der eigens aus dem Museum herbeigeholt wurde. Die Verhandlungen liefen dann auch in dem 22 Jahre zuvor verwendeten Waggon ab. Wiederum wurden die Waffenstillstandsbedingungen weitgehend diktiert, wenn auch diesmal von deutscher Seite. Diese kamen einer Kapitulation Frankreichs gleich, denn sie beendeten die Existenz eines souveränen französischen Staates zu Gunsten des Kollaborationsregimes von Vichy.

Vertragsbedingungen

Die deutschen Forderungen des Jahres 1940 ergaben sich teilweise aus der Notwendigkeit für die deutsche Armee, die Gebiete gegenüber von Großbritannien für eine weitere Kriegsführung nutzbar zu machen, und übertrafen die Sanktionen der Entente im Ersten Weltkrieg. Nordfrankreich und die Küstengebiete zum Atlantik (insgesamt 60 % des Landes) fielen direkt unter deutsche Besatzung. Die Départements Nord und Pas-de-Calais unterstellte man dem Militärbefehlshaber Belgien und Nordfrankreich. Der verbliebene französische Rumpfstaat verlor seine außenpolitische Souveränität; seine Neutralität im weiteren Kriegsverlauf wurde erzwungen. Im gleichen Zug wurde die französische Armee auf eine Stärke von 100.000 Mann festgesetzt. Des Weiteren wurde eine Freilassung der französischen Kriegsgefangenen nicht in Aussicht gestellt. Ihr Status sollte in einem folgenden Friedensvertrag geklärt werden. Ebenso regelte das Vertragswerk den Zugriff der deutschen Behörden auf sämtliche in Frankreich lebenden Mitglieder der jüdischen Minderheit. Paragraph 19 sah vor, dass Frankreich sämtliche vom Deutschen Reich benannten deutschen Staatsbürger (Flüchtlinge und Emigranten), die sich auf französischem Territorium befanden, auszuliefern hatte.[1] Um die wirtschaftliche Belastung noch zu steigern, verfolgte auch die Wehrmacht in Frankreich die Strategie weiter, ihre Besatzungstruppen aus dem besiegten Land zu ernähren. Somit wurde der amputierte französische Staat auch noch dazu verpflichtet, die Kosten der deutschen Besatzung zu übernehmen, die sich auf 20 Millionen Reichsmark pro Tag summierten.[2] Als einziges Zugeständnis ließ der deutsche Diktator die inneren Verhältnisse der französischen Kolonien unangetastet, da sie militärisch keine Rolle zu spielen schienen.

Folgen des Waffenstillstands

Der Waffenstillstand trat am 25. Juni 1940 in Kraft. Er sah keine territorialen Veränderungen vor. Im Gegensatz dazu hatten die Deutschen zwischen dem 15. und dem 22. Juni die Départements Bas-Rhin, Haut-Rhin im Elsass und Moselle in Lothringen deutscher Zivilverwaltung unterstellt, de facto allerdings annektiert. Am 28. Juni zogen die Besatzer in Straßburg ein, schon am 9. Juli brannte die Synagoge der Stadt. Als Chefs der Zivilverwaltung setzte das Armee-OKW Robert Wagner, den badischen Gauleiter, und Josef Bürckel, den des Gaus Saar-Pfalz, ein, die sofort das Abkommen aushebelten. Die Franzosen waren dagegen; General Huntziger protestierte an zwölf Punkten gegen den Vertragsbruch:

  1. die Amtsenthebung französischer Beamter, wie Präfekten, Unterpräfekten und Bürgermeister;
  2. die Vertreibung des Bischofs von Metz;
  3. die Weigerung, den Bischof von Straßburg wieder einreisen zu lassen;
  4. den Zusammenschluss des Elsaß mit Baden und
  5. Lothringens mit der Saarpfalz;
  6. die Grenzverschiebung;
  7. die Einführung der deutschen Verwaltung;
  8. die Eingliederung von Post und Eisenbahn in das deutsche System;
  9. das Verbot der französischen Sprache;
  10. die Eindeutschung von Ortsnamen;
  11. die Einführung der Rasse-Gesetzgebung
  12. und damit die Austreibung der Juden und die Verweigerung der Rückkehr von Juden und die Beschlagnahme ihres Vermögens.

Ebenso erhob Huntzigers Nachfolger General Paul Doyen formell Einspruch gegen die Vertreibungen französischer Familien aus den drei Ost-Départements, die in den nicht besetzten Teil Frankreichs abgeschoben würden. Denn neben Bewohnern, die mehr oder weniger freiwillig geflüchtet waren (und nicht zurückkehren durften), hatten die Deutschen bis Ende September 1940 etwa 54.000 Elsässer und Lothringer in das verbleibende Frankreich abgeschoben. Bis zum Jahresende 1940 wurde diese Zahl noch verdoppelt.

Von den Plänen der Regierung Pétain alarmiert, setzte sich der Staatssekretär des Kriegsstaates General Charles de Gaulle nach London ab, um schon vor dem Vertragsschluss einen Aufruf an das französische Volk zu senden. Wenige Tage nach dem Abschluss des Waffenstillstands fasste der spätere Staatschef die in England verbliebenen 110.000 französischen Soldaten zur Armee des „Freien Frankreich“ zusammen und proklamierte die Fortsetzung des Krieges. Allerdings lässt sich sagen, dass der Vertrag die Bildung einer Widerstandsbewegung auf französischem Boden hinauszögerte, da das autoritäre Kollaborationsregime diese durch Repressionen unterdrückte. Als direkte militärische Folge des Waffenstillstands beschoss die britische Marine wenige Tage nach den Ereignissen die französische Flotte bei Mers-el-Kébir, um sie nicht in deutsche Hände fallen zu lassen (siehe Operation Catapult).

Unterzeichner

Herausfahren des Eisenbahnwaggons, in dem 1918 der Waffenstillstand unterzeichnet wurde, aus dem Museum.

Literatur

  • Hermann Böhme: Entstehung und Grundlagen des Waffenstillstandes von 1940. Deutsche Verlags-Anstalt, Stuttgart 1966
  • Michel Launay, L'Armistice de 1940, PUF, Paris 1972

Weblinks

Einzelnachweise

  1. http://web.me.com/passageetco/ratlos-in-marseille/D_Exilplan_STATUS_PAPIERE.html
  2. Götz Aly, Hitlers Volksstaat. Raub, Rassenkrieg und nationaler Sozialismus. Fischer, Frankfurt am Main, 2005 S. 170
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