Prozess von Riom

Prozess von Riom

Der Prozess von Riom (19. Februar 1942 - 21. Mai 1943) war ein Gerichtsverfahren in Vichy-Frankreich gegen die Führer der letzten Regierungen der Dritten Französischen Republik der Front populaire unter Léon Blum. Der von Marschall Pétain vorangetriebene Schauprozess sollte die Verantwortlichkeit der Angeklagten für die Kriegserklärung Frankreichs vom 3. September 1939 an das Deutsche Reich, zwei Tage nach Beginn des deutschen Invasion Polens, und die Niederlage von 1940 feststellen. Dabei ging es vor allem auch darum, den als Juden angesehenen Mitgliedern der Regierung die Schuld für den Kriegsausgang in die Schuhe zu schieben. Der international beachtete Prozess fand in Riom in der von Pétain gehaltenen Zone statt.

Inhaltsverzeichnis

Hintergrund und Angeklagte

Der durch Dekret vom 30. Juli 1940 gegründete oberste Gerichtshof[1] wurde von der Vichy-Regierung per Verordnung ermächtigt "darüber zu urteilen, ob die früheren Minister oder ihre direkten Mitarbeiter die Angelegenheiten ihrer Ministerien durch Handlungen verraten haben, die dazu beitrugen vor dem September 1939 vom Friedens- in den Kriegszustand überzuleiten und dadurch die Folgen der entstandenen Situation zu verschlimmern." Die vom Gericht untersuchte Periode erstreckte sich vom Beginn der Volksfront-Regierung Blum 1936 bis zum Kabinett Reynaud 1940.

Die Angeklagten waren:

Sie wurden im Schloss Chazeron gefangen gehalten. Aufgrund der internationalen Lage, die sich durch das Unternehmen Barbarossa verändert hatte, beschloss Marschall Philippe Pétain den Prozess zu beschleunigen. Durch Gesetz vom 27. Januar 1941 schuf er das Conseil de justice politique[2] und fällte nach dessen Anhörung das Urteil gegen die ersten fünf Angeklagten. Dabei gab es gegen Reynaud und Mandel nicht einmal eine Anklage. Alle wurden am 16. Oktober 1941 zu lebenslänglicher Haft verurteilt. Den Deutschen erschien das Urteil zu milde. Deshalb erzwang der deutsche Botschafter Abetz einen neuen Prozeß, der in Riom für Februar 1942 angesetzt wurde. Reynoud und Mandel wurden den Deutschen ohne Prozeß am 20. November 1942 ausgeliefert und in KZ Oranienburg gebracht ; Mandel wurde gegen Ende des Krieges am 4. Juli 1944 an die faschistische Miliz des Joseph_Darnand ausgeliefert, die ihn am 7. Juli 1944 nach dem Attentat auf Philippe Henriot ermordete [3].

Verfahren

Der Prozess begann am 19. Februar 1942 vor dem Obersten Gerichtshof Vichy-Frankreichs. Etwa 400 Zeugen wurden aufgerufen, viele davon waren Soldaten, die zur mangelnden technischen Ausrüstung der Streitkräfte vor dem deutschen Einmarsch aussagten. Der Blum-Regierung wurde vorgeworfen mit den Accords de Matignon, den Arbeitsgesetzen von 1936, Frankreichs industrielle und Verteidigungskapazitäten herabgesetzt zu haben. Die Gesetze hatten die 40-Stunden-Woche, Urlaubsgeld und die Verstaatlichung von Rüstungsunternehmen beschlossen.

Gamelin erkannte die Rechtmäßigkeit des Gerichts nicht an und schwieg. Daladier und Blum führten die Verteidigung. Blum, selbst Anwalt und durch dubiose Verteidigungen während der Dritten Republik zu Vermögen gekommen, nahm die Regierungszeugen ins Kreuzverhör. Er argumentierte, dass die Reduzierung der Verteidigungsausgaben unter Pétain als Kriegsminister und Pierre Laval als Premierminister begonnen hatten. Andererseits hätte die Volksfrontregierung die größte Steigerung der Rüstungsausgaben seit 1918 vorgenommen. Im übrigen schoben die Angeklagten die Schuld dem französischen Generalstab zu. Der Waffenstillstand von Compiègne 1940 hätte stattgefunden trotz genügend Streitkräften in France métropolitaine.

Daladier erklärte am 20. Februar, dass die zur Verfügung gestellten Kredite durch das Kriegsministerium nicht abgerufen worden wären; Petain selbst habe damals auf die Befestigung Sedans verzichtet und sich gegen die Fortführung der Maginot-Linie bis zum Meer ausgesprochen. Außerdem hätte er riesige Summen zur weiteren Befestigung dieser Linie verlangt, die dann bei den übrigen Posten des Militärbudgets fehlten. Pierre Cot, der nicht angeklagte Luftwaffenminister von 1936, erklärte, zweimal die Verdoppelung der französischen Luftstreitkräfte beantragt, aber nicht bewilligt bekommen zu haben.

Am 3. März erklärte Daladier, dass der Rüstungstrust Schneider-Creuzot Heeresaufträge abgelehnt habe. Bei dem Versuch der Verstaatlichung durch Blum hatte der Trust gedroht, Rüstungsaufträge abzulehnen, sollte es dazu kommen. Auch andere Rüstungsunternehmen schränkten die Produktion ein und entließen Arbeiter. Ziel der Unternehmer war es nach Ansicht des sowjetischen Historikers Potjomkin, die Volksfrontsozialisten, die mit dem Sozialismus der Sowjetunion sympathisierten, als regierungsunfähig darzustellen[4].

Adolf Hitler erklärte am 15. März 1942: "Was wir von Riom erwarten, ist eine offizielle Bestätigung der Verantwortung für den Krieg selbst!". Am 14. April 1942 wurde das Verfahren unterbrochen, um "weitere Informationen" zu sammeln. Der deutsche Botschafter Otto Abetz teilte Laval mit, dass der Prozess nachteilige Wirkungen hätte und aufgegeben werden sollte. Formell wurde er am 21. Mai 1943 beendet. Blum und Daladier wurden ins KZ Buchenwald verbracht und lebten dort zusammen mit anderen privilegierten Häftlingen wie Mafalda von Savoyen auf einem Sonderareal. Sie wurden im April 1945 in Südtirol befreit.

Medien

  • BLUM, Leon:LEON BLUM BEFORE HIS JUDGES At the Supreme Court of Riom March 11th and 12th, 1942. Vorwort von Clement Attlee. Einführung von Félix Gouin. London: The Labour Party Book Service.1943
  • Film:Le Procès de Riom.Henri Calef. 1979
  • Bokelmann, Elisabeth:Vichy contra Dritte Republik - Der Prozess von Riom 1942. Schöningh. 2006.

Quellen

  1. http://mjp.univ-perp.fr/france/co1940.htm#5 Acte constitutionnel n°5 du 30 juillet 1940
  2. Acte constitutionnel n°7 du 27 janvier 1941
  3. Stefan Grüner, Vom Umgang mit der demokratischen Vergangenheit. In Stefan Martens Hrsg, Frankreich und Deutschland im Krieg: (November 1942 - Herbst 1944) ; Okkupation, Kollaboration, Résistance ; Akten des Deutsch-Französischen Kolloquiums La France et l'Allemagne en Guerre (Novembre 1942 - Automne 1944) Occupation, Collaboration, Résistance ; Paris, 22. und 23. März 1999 / veranst. vom Deutschen Historischen Institut Paris und dem Centre d'Etudes d'Histoire de la Défense, Vincennes in Zusammenarbeit mit dem Institut für Zeitgeschichte, München und dem Institut d'Histoire du Temps Présent, Paris-Cachan. Hrsg. von Stefan Martens und Maurice Vaï͏sse Person(en). Bonn 2000, ISBN 3416029089, Seite 88 bis 96
  4. Potjomkin: Geschichte der Diplomatie. Bd. 3. Verl. f. Fremdsprachige Literatur.1947. S. 216

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