- Clavierübung (Bach)
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Johann Sebastian Bach hat im Laufe seines Lebens eine Anzahl seiner Werke für Cembalo oder Orgel im Druck veröffentlicht; in den Jahren von 1731 bis 1741 in einer vierteiligen Sammlung unter dem Namen Clavierübung. Er bedachte hier systematisch alle Instrumente mit Klaviatur: Einmanualiges Cembalo oder auch Clavichord im ersten Teil, Orgel mit und ohne Pedal im dritten Teil und zweimanualiges Cembalo im zweiten und vierten Teil.
Mit Suite, Konzert, Präludium und Fuge, Choralbearbeitung und Variation bot Bach hier die meisten der gängigen Gattungen und Kompositionsstile. Auch wenn der Titel „Übung“ heute ein Lehrwerk assoziiert, waren und sind die Kompositionen alles andere als leicht zu spielen und richteten sich keineswegs an Instrumentalschüler. Vielmehr zeigten sie ganz systematisch das kompromisslos hohe kompositorische und spieltechnische Niveau ihres Autors.
Das Wort „Übung“ ist hier also nicht im heutigen Sinne des beim Etüdenspiel im Vordergrund stehenden neuen Erlernens zu verstehen, sondern vielmehr im höheren Sinn als umfassende geistige und technische Aneignung, Vertiefung und Meditation des Spielers einerseits, als Aus-Übung des Tonsetzerberufs andererseits.
Inhaltsverzeichnis
Clavierübung Teil I: Partiten
Von 1726 bis 1731 veröffentlichte Bach jeweils eine Partita für Cembalo – also eine Suite. 1731 fasste er die sechs Kompositionen noch einmal zusammen und veröffentlichte sie – unter Verwendung der Originaldruckplatten – als sein Opus 1 (mit 46 Jahren, als anerkannter Komponist – denn mit Opus wurden damals nur veröffentlichte Werke bezeichnet und gezählt).
Der Originaltitel lautet:
- „Clavir-Übung / bestehend in / Præludien, Allemanden, Couranten, Sarabanden, Giguen, / Menuetten, und anderen Galanterien ; / Denen Liebhabern zur Gemüths Ergoetzung verfertiget / von / Johann Sebastian Bach / Hochfürstl: Sächsisch Weisenfelsischen würcklichen Capellmeistern / und / Directore Chori Musici Lipsiensis. / OPUS 1 / In Verlegung des Autoris / 1731.“
Alle Partiten folgen grundsätzlich der von Johann Jakob Froberger initiierten Satzfolge (Allemande – Courante – Sarabande – Gigue), fügen aber meist zusätzliche Tänze vor der Gigue oder der Sarabande ein, oder ersetzen diese durch andere Tänze. Besonders auffällig ist die große Bandbreite der Einleitungssätze – alle gängigen Typen kommen vor, von Präludium über Fantasie und französische Ouvertüre bis hin zur Toccata. Die Einzelsätze stehen ausnahmslos in der Grundtonart des jeweiligen Werks.
In Anlehnung an die Französischen und Englischen Suiten nannte Albert Schweitzer sie „Deutsche Suiten“; diese Bezeichnung hat sich nicht durchgesetzt. Die Forschung ist sich weitgehend einig, dass Bach hier eine Art Integration der beiden vorherrschenden musikalischen Stile unternahm – des französischen und italienischen Stils.
Partita I B-Dur BWV 825
Sätze
Partita II c-Moll BWV 826
Sätze
- Sinfonia: Grave Adagio – Andante – 3/4
- Allemande
- Courante 3/2
- Sarabande 3/4
- Rondeau 3/8
- Capriccio 2/4
Partita III a-Moll BWV 827
Sätze
Partita IV D-Dur BWV 828
Sätze
Partita V G-Dur BWV 829
Sätze
Partita VI e-Moll BWV 830
Sätze
Clavierübung Teil II
1735 veröffentlichte Bach den zweiten Teil seiner Clavierübung, bestehend aus dem Italienischen Konzert F-Dur und der Französischen Ouvertüre h-Moll unter dem Originaltitel:
- „Zweyter Theil der / Clavier Übung / bestehend in / einem Concerto nach Italiaenischen Gust / und / einer Ouverture nach Französischer Art, / vor ein / Clavicymbel mit zweyen / Manualen. / Denen Liebhabern zur Gemüths-Ergötzung verferdiget, / von / Johann Sebastian Bach / Hochfürstl: Saechss: Weissenfelss:Capellmeistern / und / Directore Chori Musici Lipsiensis. / in Verlegung / Christoph Weigel Junioris.“.
Die meisten Autoren sehen die musikalische Bedeutung hier auch in der quasi archetypischen Gegenüberstellung der beiden musikalischen Stile und betrachten die verwendeten Tonarten F-Dur und h-Moll – durch einen Tritonus voneinander getrennt – nicht als einen Zufall.
Das Italienische Konzert wird heute sehr häufig – auch auf dem Klavier – gespielt; die Ouvertüre ist im Konzertleben heute nahezu unbekannt.
Ouvertüre h-Moll BWV 831
Sätze
- Ouverture – 6/8
- Courante 3/2
- Gavotte I – II – I
- Passepied I – II – I
- Sarabande 3/4
- Bourrée I – II – I
- Gigue 6/8
- Echo
- Werk
Mit elf Sätzen ist diese Komposition nicht nur deutlich umfangreicher als die Partiten des ersten Teils. Sie besitzt auch eine wesentlich freiere Satzfolge – so fehlt auffälligerweise gleich die Allemande (die deutschen Komponisten schon wegen des Namens wohl nicht als 'typisch französisch' empfanden). Das Werk ähnelt damit mehr den Orchestersuiten Bachs mit ihrer freien Folge modischer Tänze.
Ein weiterer Unterschied ist die schlichtere Melodik, also ein deutlicher Verzicht auf ausgeschriebene Verzierungen (die typisch für französische Musik ist, da Verzierungen dort ja vom Spieler hinzugefügt wurden). Die Verwendung der beiden Manuale schreibt Bach durch forte und piano vor. Dies betrifft besonders die Ouverture und natürlich – der Titel lässt es bereits vermuten – den Schlusssatz.
Neben der Fassung in h-Moll existiert eine Frühfassung der Ouvertüre in c-Moll, die in einer um 1730 angefertigten Abschrift Anna Magdalena Bachs erhalten ist.[1]
Italienisches Konzert F-Dur BWV 971
Sätze
- Werk
Die in Italien von Komponisten wie Arcangelo Corelli und Giuseppe Torelli angestoßene und von Antonio Vivaldi weiterentwickelte Form des Solokonzerts stellt ein Einzelinstrument einem größeren Klangkörper gegenüber. Bach hatte früh typische Vertreter dieser Form kennengelernt und hatte sich damit auseinandergesetzt, indem er bereits in Weimar Orgel- und Klavierauszüge davon anfertigte („Sechs“ beziehungsweise „Sechzehn Konzerte nach verschiedenen Meistern“, BWV 592-597 und 972-987).
Im Italienischen Konzert führte er diesen Gedanken weiter; das Werk stellt die beiden Manuale des Cembalos einander gegenüber und basiert dabei deutlich auf von Vivaldi entwickelten Elementen wie dem Ritornellthema, das nach und nach auf verschiedenen Stufen auftritt, und den dazwischenliegenden, geringstimmig begleiteten Solopartien. Die ganze Komposition kokettiert sozusagen mit der Idee, sie sei ein Klavierauszug eines echten Orchesterwerks.
In einer Rezension schrieb Johann Adolf Scheibe 1739[2]:
- „Wer wird aber auch nicht sofort zugestehen, daß dieses Clavierconcert als ein vollkommenes Muster eines wohleingerichteten einstimmigen Concerts anzusehen ist? Allein, wir werden auch noch zur Zeit sehr wenige, oder fast gar keine Concerten von so vortrefflichen Eigenschaften, und von einer so wohlgeordneten Ausarbeitung aufweisen können. Ein so großer Meister der Musik, als Herr Bach ist, der sich insonderheit des Clavier fast ganz allein bemächtiget hat [...] mußte es auch seyn, uns in dieser Setzart ein solches Stück zu liefern.“
Clavierübung Teil III
Als dritten und mit 77 Seiten umfangreichsten Teil veröffentlichte Bach 1739 eine Folge von Orgelwerken. Den Rahmen bilden Präludium und Fuge in Es-Dur, dazwischen befinden sich 21 Choralbearbeitungen. Albert Schweitzer hat das Ganze auch als Orgelmesse bezeichnet, da die verwendeten Choräle nicht an bestimmte Zeiten des Kirchenjahres gebunden sind und etwa im Verlauf eines Gottesdienstes angeordnet wurden, beginnend mit Kyrie, Gloria und Credo.
Bach schreibt systematisch für zwei unterschiedliche Orgeltypen – jeder Satz ist eindeutig entweder für eine große mehrmanualige Orgel mit Pedal oder für eine kleine pedallose Orgel geschrieben. Für jede Choralmelodie gibt es also zwei Bearbeitungen; dem Satz für die große Orgel folgt jeweils eine Fassung ohne Pedal. Das einleitende Präludium und die abschließende fünfstimmige Fuge setzen schon in der Überschrift „pro Organo pleno“ eine große Orgel mit Pedal voraus. Für pedalloses Spiel enthält die Sammlung weiter vier als Duette bezeichnete zweistimmige Kompositionen.
Der Originaltitel:
- „Dritter Theil / der / Clavier Übung / bestehend / in / verschiedenen Vorspielen / über die / Catechismus- und andere Gesaenge, / vor die Orgel: / Denen Liebhabern, und besonders denen Kennern / von dergleichen Arbeit, zur Gemüths Ergezung / verfertiget von / Johann Sebastian Bach, / Koenigl. Pohlnischen, und Churfürstl. Saechs. / Hoff-Compositeur Capellmeister, und / Directore Chori Musici in Leipzig. / In Verlegung des Authoris“.
Präludium und Fuge Es-Dur BWV 552
- Zwei Sätze
Siehe auch Präludium und Fuge Es-Dur BWV 552.
Choralbearbeitungen BWV 669-689
- 21 Sätze
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- Kyrie, Gott Vater in Ewigkeit g-phrygisch a 2 Clav. e Pedale
- Christe, aller Welt Trost g-phrygisch a 2 Clav. e Ped.
- Kyrie, Gott Heiliger Geist g-phrygisch a 5 con Organo pleno
- Kyrie, Gott Vater in Ewigkeit 3/4 G-Dur Alio modo. Manualiter
- Christe, aller Welt Trost 6/8 C-Dur
- Kyrie, Gott Heiliger Geist 9/8 G-Dur
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- Dies sind die heil'gen zehn Gebot' 6/4 G-Dur „a 2 Clav. e Pedale“
- Fughetta super: Dies sind die heil'gen zehn Gebot' 12/8 G-Dur „Manualiter“
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- Vater unser im Himmelreich 3/4 „a 2 Clav. e Pedale“
- Vater unser im Himmelreich 6/8 „Alio modo. Manualiter“
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- Aus tiefer Not schrei' ich zu dir „a 6 in Organo pleno con Pedale doppio“
- Aus tiefer Not schrei' ich zu dir „Alio modo. Manualiter“
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- Jesus Christus unser Heiland „a 2 Clav.“
- Fuga super: Jesus Christus unser Heiland „a 4 Manualiter“
Vier Duette BWV 802-805
- Vier Sätze
Anders als der Titel den heutigen Leser vermuten lässt, sind diese vier Sätze für ein pedalloses Tasteninstrument geschrieben und können auf Orgel oder Cembalo gespielt werden. Der Titel bezieht sich also auf ihre durchgängige Zweistimmigigkeit; es sind kontrapunktische und gleichzeitig virtuose Sätze ähnlich den Inventionen, aber von wesentlich größerem Umfang. Obwohl das Bach-Werke-Verzeichnis sie unter den Cembalowerken einreiht, sind sie im Kontext ihrer Veröffentlichung sicher eher als Orgelkompositionen anzusehen.
Clavierübung Teil IV: Goldberg-Variationen
Zwei Jahre nach dem dritten Teil der Clavierübung schrieb Bach einen Zyklus von 30 Variationen über die 32-taktige Basslinie einer Aria für zweimanualiges Cembalo; dieses Werk ist heute unter dem Namen Goldberg-Variationen bekannt (BWV 988). Bach veröffentlichte diesen Zyklus im gleichen Jahr (1741) unter dem Titel:
- „Clavier Übung / bestehend / in einer / ARIA / mit verschiedenen Veraenderungen / vors Clavicimbal / mit 2 Manualen. / Denen Liebhabern zur Gemüths-/ Ergetzung verfertiget / von / Johann Sebastian Bach / Königl. Pohl. u. Churf. Saechs. Hoff/Compositeur, Capellmeister, u. Directore / Chori Musici in Leipzig. / Nürnberg in Verlegung / Balthasar Schmids.“
Das Werk beginnt mit der – stark verzierten – Arie und lässt dreißig stilistisch höchst unterschiedliche Sätze folgen, ehe die Arie am Schluss unverändert wiederholt wird. Ähnlich wie in Teil I (Eröffnungssatz von Partita IV), markiert auch hier eine Französische Ouvertüre den Beginn des zweiten Teils (Variation 16).
Clavierübung Teil V?
Manche Forscher vertreten die Auffassung, Bach müsse die Kunst der Fuge als fünften Teil der Clavierübung geplant haben. Als Zielinstrument wird dann entweder das Clavichord oder der Silbermann-Flügel (eine Frühform des Hammerklaviers, von dem Friedrich der Große mehrere Exemplare besaß) angeführt.[3] Allerdings sind entsprechende Absichten Bachs dokumentarisch nicht belegt, und so bleibt all dies Spekulation.
Einzelnachweise
- ↑ Christoph Wolff, Vorwort zum Zweiten Teil der Klavierübung, Bärenreiter Verlag, 1977
- ↑ hier nach: Christoph Wolff: Johann Sebastian Bach, 2. Auflage 2007. S. Fischer, Frankfurt am Main, ISBN 978-3-596-16739-5
- ↑ Eva Badura-Skoda: Komponierte Bach „Hammerklavier-Konzerte“? in Bach-Jahrbuch 1991.
Noten
- Sechs Partiten: Noten im International Music Score Library Project.
- Französische Ouvertüre: Noten im International Music Score Library Project.
- Italienisches Konzert: Noten im International Music Score Library Project.
- Präludien und Fugen für Orgel (darunter Es-Dur, BWV 552): Noten im International Music Score Library Project.
- Choralvorspiele BWV 669-678: Noten im International Music Score Library Project.
- Vier Duette: Noten im International Music Score Library Project.
- Goldberg-Variationen: Noten im International Music Score Library Project.
Hörbeispiele
Kategorien:- Werk von Johann Sebastian Bach
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