Homo rudolfensis

Homo rudolfensis
Homo rudolfensis
Nachbildung des Schädels von KNM ER 1470

Nachbildung des Schädels von KNM ER 1470

Zeitraum
Oberes Pliozän
2,5 bis 1,8 Mio. Jahre
Fundorte
Systematik
Teilordnung: Altweltaffen (Catarrhini)
Überfamilie: Menschenartige (Hominoidea)
Familie: Menschenaffen (Hominidae)
Tribus: Hominini
Gattung: Homo
Homo rudolfensis
Wissenschaftlicher Name
Homo rudolfensis
Alexeev, 1986

Homo rudolfensis ist eine ausgestorbene Art der Gattung Homo; sie gilt als die älteste bisher entdeckte Art dieser Gattung. Der Name geht auf den Fundort bei Koobi Fora am Rudolfsee (heute Turkana-See) in Kenia zurück.

Die insgesamt bescheidene Anzahl von Funden hat dazu geführt, dass auch die Bezeichnungen „Australopithecus rudolfensis“ (wegen der zeitlichen Nähe zu den Australopithecinen), „Kenyanthropus rudolfensis“ (wegen des angeblich extrem flachen Gesichtschädels; vergl. Kenyanthropus platyops) und „Pithecanthropus rudolfensis“ (in Anlehnung an Haeckels hypothetischen Urmenschen „Pithecanthropus primigenius“) vorgeschlagen wurden. „Trotz der unvollständigen Funde besteht jedoch kaum ein Zweifel, dass Homo rudolfensis zur Abstammungslinie des Menschen gehört.“[1]

Inhaltsverzeichnis

Funde

Typusexemplar ist ein 1972 unter der Leitung von Richard Leakey von Bernard Ngeneo gefundener, stark abgeschabter und zahnloser Schädel ohne Unterkiefer mit der Katalognummer KNM-ER 1470. Diesem Schädel wurde zunächst ein Alter von 2,6 Millionen Jahren zugeschrieben; andere Messungen ergaben 1,9 Millionen Jahren.[2] Von seinen Entdeckern wurde der Fund zunächst zu keiner bis dahin benannten Art gestellt, sondern bloß der Gattung Homo zugeordnet. Erst 1986 wurde der Schädel in einer Publikation von Valerii Alexeev als Homo rudolfensis ausgewiesen.[3]

Verwahrort der Funde ist das Kenianische Nationalmuseum (daher KNM) in Nairobi.

Weitere Funde, die Homo rudolfensis zugeschrieben werden, wurden in unmittelbarer Nähe zum Typusexemplar gemacht (der Unterkiefer KNM-ER 1802) sowie in Äthiopien (Omo-Gebiet) und Malawi. In Malawi fand der deutsche Paläoanthropologe Friedemann Schrenk 1991 einen Unterkiefer (UR 501), für den ein Alter von 2,4 Millionen Jahre berechnet wurde.[4] Aufgrund dieser Datierungen gilt Homo rudolfensis als der älteste Vertreter der Gattung Homo, da seine Existenz von vor circa 2,5 bis vor mindestens 1,8 Millionen Jahren belegt ist.

Merkmale

Das älteste Fossil der Gattung Homo: der Unterkiefer UR 501 (Original, Sammlung Schrenk im Naturmuseum Senckenberg)
UR 501, seitliche Ansicht (Nachbildung)

Das Gehirnvolumen von Homo rudolfensis beträgt etwa 750 cm³; die Anordnung der Zähne in Ober- und Unterkiefer sowie die Form beider Kiefer ähnelt in vielerlei Hinsicht derjenigen von Paranthropus.[5] Da die Schädelfunde stark fragmentiert waren, ist unklar, ob Gesicht und Unterkiefer nach vorn ragten oder eher senkrecht angeordnet waren; ein Überaugenwulst ist nicht vorhanden.

Bisher wurden keine zusammenhängenden Skelettfunde von Homo rudolfensis bekannt, so dass sein Körperbau unterhalb des Kopfes ungesichert ist. Allerdings wurde in den gleichen Fundschichten eine Fülle von einzelnen Extremitäten-Knochen sowie ein Becken (Archivnummer LMN-ER 3228) entdeckt, die sich erheblich von Australopithecus-Funden unterscheiden und eher denen moderner Menschen ähneln. Sollten diese Funde zu Homo rudolfensis gehören (was insofern wahrscheinlich ist, als bisher keine anderen Zahn- oder Schädelfunde aus diesen Schichten bekannt sind, die zu einer parallel existierenden Spezies der Gattung Homo gehören könnten), dann „stand die Spezies häufig und über längere Zeit hinweg aufrecht“;[6] die Körpergröße hätte knapp 150 cm betragen, das Körpergewicht knapp 50 kg.

In unmittelbarem Fundzusammenhang mit Fossilien des Homo rudolfensis wurden bisher keine Steinwerkzeuge entdeckt, wohl aber in geringfügig jüngeren Fundhorizonten am westlichen Turkana-See. Daher ist es nicht gesichert, gilt aber als möglich,[7] dass Homo rudolfensis der erste Homininus war, der Steingeräte nutzte. Aufgrund von Zahnuntersuchungen geht man davon aus, dass Homo rudolfensis „überwiegend Pflanzenfresser“ war.[8] Begleitfunde (darunter Verwandte von Gazellen, Elefanten und Schakalen, aber auch von Flusspferden und Pavianen) deuten darauf hin, dass der Lebensraum von Homo rudolfensis eine abwechslungsreiche Mischung aus offenen, savannenartigen Graslandschaften und Galeriewäldern mit dichtem Unterholz aufwies.

Merkmal [9] Homo rudolfensis Homo habilis
Gehirnvolumen ca. 750 cm³ ca. 610 cm³
Überaugenwulst fehlt leicht entwickelt
obere Vorbackenzähne 3 Wurzeln 2 Wurzeln
untere Vorbackenzähne breite Kronen schmale Kronen
Weisheitszahn verkleinert nicht verkleinert
Extremitäten ? Pongiden-ähnlich
Oberschenkel Homo-ähnlich (?) wie Australopithecus
Fuß Homo-ähnlich (?) wie Australopithecus

Einzelnachweise

  1. G. J. Sawyer, Viktor Deak: Der lange Weg zum Menschen. Lebensbilder aus 7 Millionen Jahren Evolution. Spektrum Akademischer Verlag, Heidelberg, 2008, S. 83
  2. talkorigins.org: „KNM-ER 1470“
  3. V. P. Alexeev: The Origin of the Human Race. Moskau, 1986, Progress Publishers
  4. www.palaeo.net: „Homo rudolfensis (UR 501)“
  5. G. J. Sawyer, Viktor Deak: Der lange Weg zum Menschen..., S. 79
  6. G. J. Sawyer, Viktor Deak, S. 81
  7. G. J. Sawyer, Viktor Deak, S. 81
  8. Friedemann Schrenk: Die Frühzeit des Menschen. Der Weg zum Homo Sapiens. C.H. Beck, München 1997, S. 72
  9. entnommen aus: Friedemann Schrenk: Die Frühzeit des Menschen. Der Weg zum Homo sapiens, C. H. Beck, 1997, S. 70

Siehe auch

Weblinks

 Commons: Homo rudolfensis – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien

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