Cyanide

Cyanide

Cyanide sind Salze und andere Verbindungen der Blausäure (Cyanwasserstoff, HCN). In der organischen Chemie ist "Cyanid" eine veraltete, aber durchaus noch gebräuchliche (in der Betrachtungsweise als Ester der Blausäure) Bezeichnung für Nitrile mit der allgemeinen Formel R–C≡N. Der Name Cyanid leitet sich vom griechischen κυανός (kyanos) „blau“ ab und rührt von der Gewinnung aus Eisenhexacyanidoferrat (Berliner Blau) her, einem Pigment mit blauer Farbe.[1]

Inhaltsverzeichnis

Eigenschaften

Die salzartigen Cyanide enthalten das Cyanid-Anion [C≡N], die organischen Cyanide die funktionelle Gruppe –C≡N. Wasserlösliche Cyanide werden an feuchter Luft teilweise hydrolysiert und riechen dadurch nach Blausäure.

Einfache Verbindungen

Alle Cyanide der Alkali- und Erdalkalimetalle sind hochgiftig und in Wasser leicht löslich, wie zum Beispiel Kaliumcyanid (Zyankali). Die Giftigkeit dieser Salze liegt an der Freisetzung der Blausäure bei der Reaktion mit der Salzsäure des Magens:

\mathrm{KCN + HCl \longrightarrow HCN + KCl}

Kaliumcyanid spielt eine Rolle in der Galvanik.

Komplexverbindungen (Cyanoverbindungen)

Die Struktur des Hexacyanidoferrat(II)-Anion

Das Cyanidanion ist sehr reaktiv und bildet mit anderen Metallen (abgesehen von Alkali- und Erdalkalimetallen) wie insbesondere mit Eisen sehr stabile Komplexverbindungen. Meist bildet sich ein Anion, in dem das Metall das Zentralatom der Cyanid-Bausteine bildet. Das Metall bildet die Mitte und wird von den Cyanidionen umgeben, wie beim [Fe(CN)6]4−. Es hat sich ein Verbindungstyp gebildet, der als Komplex bezeichnet wird.[2] Mit Kationen bilden sich Salze wie K4[Fe(CN)6], Kaliumhexacyanidoferrat(II), das sogenannte gelbe Blutlaugensalz. In vielen Komplexverbindungen ist das Cyanid fest gebunden, so dass seine Giftigkeit (Reaktivität) verloren geht. Die Blausäure lässt sich zum Teil durch Zugabe heißer verdünnter Schwefelsäure freisetzen, Cyanid-Komplexe sind daher mit einer gewissen Vorsicht zu handhaben. Konzentrierte Schwefelsäure setzt keine Blausäure frei, da sie die entstehende Blausäure sofort zu Kohlenstoffmonoxid hydrolysiert. Analytisch lässt sich allerdings in wässrigen Lösungen der Komplexe kein Cyanid nachweisen.

Verwendung von Komplexverbindungen in der Lebensmittelindustrie

In der Lebensmittelindustrie werden die Cyanido-Komplexe Natriumferrocyanid (E 535, Natriumhexacyanidoferrat(II)), Kaliumferrocyanid (E 536, Kaliumhexacyanidoferrat(II)) und Calciumferrocyanid (E 538, Calciumhexacyanidoferrat(II)) als Lebensmittelzusatzstoff verwendet. Diese Salze sind in geringen Mengen als künstliche Rieselhilfe, Trennmittel und Stabilisator für Kochsalz und Kochsalzersatz zugelassen.

Natürliches Vorkommen

Cyanide sind in den meisten Kernen von Früchten enthalten, so etwa in Tomaten und Birnen.

Giftwirkung

Der Mechanismus der Cyanid-Vergiftung beruht auf der Hemmung des Enzyms Cytochrom-c-Oxidase in der Atmungskette.[1] Dadurch wird die Sauerstoffverwertung in der Zelle verhindert. Gegengifte sind 4-Dimethylaminophenol-Hydrochlorid (4-DMAP), Natriumthiosulfat, Hydroxycobalamin (Vitamin B12a, im Cyanokit),[3] Amylnitrit. Die Bindung des Cyanids an Fe(II)-Ionen ist vergleichsweise gering. Die Inaktivierung des Hämoglobins durch Bindung des Fe(II)-Ions spielt daher bei Vergiftungen eine untergeordnete Rolle. Die hellrote Färbung der Haut ist ein typisches Anzeichen einer Vergiftung mit Cyaniden: Das venöse Blut ist noch mit Sauerstoff angereichert, da der Sauerstoff von den Zellen nicht verwertet werden konnte.

Entgiftungsprozess

Die meisten Zellen besitzen das Enzym Rhodanase, das Schwefel an das Cyanid-Ion (CN) bindet, es entsteht Rhodanid (SCN). Diese Entgiftung im Körper läuft mit einer Rate von 0,1 mg pro kg Körpergewicht und Stunde ab. Daher ist eine längere Aufnahme von kleineren Mengen an Cyanid ungefährlich, Vergiftungserscheinungen entstehen durch die Stoßaufnahme.

Therapie

In der Regel werden 4-DMAP (4-Dimethyl-Aminophenol) oder Ethylendiamintetraessigsäurecobalt(II)-Komplexe als Gegenmittel verabreicht.

Nachweis

Der qualitativ chemische Nachweis von Cyaniden kann mit Fe3+-Ionen in salzsaurer Lösung nach Umsetzung mit Ammoniumpolysulfid erfolgen. Dabei entsteht das tiefrot gefärbte Eisenthiocyanat Fe(SCN)3.[4] Allerdings sollte beachtet werden, dass dieser Nachweis in Anwesenheit von Fe(II), wegen der Bildung von Berliner Blau, einem Komplex des Fe(II) mit dem Hexacyanidoferrat(III) als Liganden, nicht funktioniert. Ebenso kann aber der Nachweis mit einer Mischung aus Eisen(II)- und Eisen(III)-salz durchgeführt werden, wobei sich Berliner Blau bildet.[4]

Entsorgung

Um Cyanide zu entsorgen, verwendet man ein geeignetes Oxidationsmittel, wie Natriumhypochlorit (NaOCl) oder Wasserstoffperoxid (H2O2). Das Cyanid wird dabei in unschädlichen Stickstoff und Kohlenstoffdioxid überführt.[1]

\mathrm{CN^- + H^+ + OCl^- \longrightarrow CNCl + OH^-}
\mathrm{CNCl + 2 \ OH^- \longrightarrow OCN^- + Cl^- + H_2O}
\mathrm{2 \ OCN^- + 3 \ OCl^- + H_2O \longrightarrow 2 \ CO_2 + N_2 + 3 \ Cl^- + 2 \ OH^-}

Einzelnachweise

  1. a b c Thieme Chemistry (Hrsg.): RÖMPP Online – Version 3.13. Georg Thieme Verlag KG, Stuttgart 2011
  2. Holleman-Wiberg, Lehrbuch der Anorganischen Chemie, 101. Auflage, de Gruyter Verlag 1995 ISBN 3-11-012641-9
  3. Mutschler, Arzneimittelwirkungen, 9. Auflage, Wissenschaftliche Verlagsgesellschaft Stuttgart, 2008 ISBN 978-3-8047-1952-1
  4. a b Jander-Blasius, Lehrbuch der analytischen und präparativen anorganischen Chemie, 8. Auflage, S. Hirzel Verlag Stuttgart, 1969

Weblinks

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