Amylnitrit

Amylnitrit
Strukturformel
Struktur von Amylnitrit
Allgemeines
Name Amylnitrit
Andere Namen
  • 3-Methyl-1-nitrosooxybutan
  • Isopentylnitrit
  • Isoamylnitrit
  • Nitramyl
  • (3-Methylbutyl)-nitrit
  • Pentyl Alkohol-nitrit (mehrdeutig)
  • Poppers
Summenformel C5H11NO2
CAS-Nummer 110-46-3
ATC-Code

V03AB22

Eigenschaften
Molare Masse 117,15 g·mol−1
Dichte

0,87 g·cm−3 (20 °C)[1]

Siedepunkt

97–99 °C[1]

Sicherheitshinweise
Bitte beachten Sie die eingeschränkte Gültigkeit der Gefahrstoffkennzeichnung bei Arzneimitteln
GHS-Gefahrstoffkennzeichnung aus EU-Verordnung (EG) 1272/2008 (CLP) [2]
02 – Leicht-/Hochentzündlich 07 – Achtung

Gefahr

H- und P-Sätze H: 225-332-302
EUH: keine EUH-Sätze
P: 210-​241-​261-​280-​303+361+353-​501Vorlage:P-Sätze/Wartung/mehr als 5 Sätze [3]
EU-Gefahrstoffkennzeichnung aus RL 67/548/EWG, Anh. I [2]

F
Leichtent-
zündlich

Xn
Gesundheits-
schädlich
R- und S-Sätze R: 11-20/22
S: (2)-16-24-46
LD50

505 mg·kg−1 (Ratte p.o.)[1]

Soweit möglich und gebräuchlich, werden SI-Einheiten verwendet. Wenn nicht anders vermerkt, gelten die angegebenen Daten bei Standardbedingungen.

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Amylnitrit (genauer Isoamylnitrit) ist der Ester des aliphatischen Alkohols Isoamylalkohol mit Salpetriger Säure. Er gehört chemisch zur Gruppe der Alkylnitrite wie auch 1-Pentylnitrit, 1-Butylnitrit, Isobutylnitrit, Isopropylnitrit, Ethylnitrit.

Eine durch Amylnitrit herbeigeführte Methämoglobinämie hilft bei der Behandlung einer Zyanid-Intoxikation, da das Methämoglobin dabei zu verträglicherem Cyanomethämoglobin reagiert (heute ist diese Methode aber nicht mehr das Mittel der Wahl; vgl. Cyanide). Ursprünglich war es als Herzmittel zur temporären Erweiterung der Herzkranzgefäße und Senkung des Blutdrucks in den Handel gekommen, heute wird dafür verdünntes Nitroglycerin (Handelsname Nitrolingual®) benutzt.

Als Arzneimittel wegen seiner kurzen Wirkdauer nicht mehr verwendet, wird es heute eher beim Sex, Partys und Tanzveranstaltungen als psychotrope Substanz verwendet – was aus medizinischer Sicht einen Missbrauch darstellt – und unter dem Namen Poppers verkauft.

Dagegen wird es weiterhin, wie Nitrate, als Zündbeschleuniger für Dieselkraftstoffe verwendet. In der präparativen organischen Chemie wird es auch als Nitrosierungsmittel gebraucht.

Inhaltsverzeichnis

Eigenschaften

3-Methylbutyl-1-nitrit (Isoamylnitrit; im Alltagsgebrauch oft einfach aber unzutreffend Amylnitrit genannt), ist eine blassgelbe, leichtbewegliche Flüssigkeit mit einer Dichte von 0,87 g·cm−3 (20 °C)[1] und einem Siedepunkt von 98–99 °C. Die Verbindung ist unbegrenzt mischbar mit den meisten organischen Lösungsmitteln, aber wenig löslich in Wasser, wird aber (besonders in Gegenwart von Basen oder Säuren) leicht verseift. Sie besitzt einen charakteristischen, süßlich-dumpfen Geruch.

Wirkung

Organische Nitrite sind NO-Donatoren. In den Endothelzellen von Blutgefäßen wirkt das Stickstoffmonoxid NO durch Second-Messenger-Mechanismen muskelrelaxierend und somit gefäßerweiternd. Da die venösen Blutgefäße durch bessere enzymatische Ausstattung stärker auf NO-Donatoren reagieren, kommt es im normalen Dosisbereich zunächst zu verstärkter Durchblutung und verbesserter Sauerstoffversorgung (Rötung im Gesichtsbereich (Flush)). Überdosierung kann zu akutem Blutdruckabfall, im Extremfall zum Schock führen, wenn durch die Gefäßerweiterung im Körper die Blutversorgung des Gehirns nicht mehr gewährleistet werden kann. Unabhängig von umstrittenen Thesen zu Mutagenität, Toxizität und Immunsuppression wurden Nitrite in der Behandlung von Angina pectoris jahrzehntelang verwendet. Die Wirkung von Amylnitrit hält jedoch nur wenige Minuten an, weshalb heute länger wirksame organische Nitrate eingesetzt werden.

Nebenwirkungen

Schwindel, Benommenheit, Herzrasen, Blutdruckabfall, eingeschränkte Artikulationsfähigkeit, Kopfschmerzen, Übelkeit, Orientierungslosigkeit, Hautrötung, Hitzewallungen. Es kann zu Steigerungen des Hirndruckes und des Augeninnendruckes kommen.

Bei Überdosierung: Ohnmacht, Kreislaufkollaps, Hirnschäden durch Sauerstoffmangel. Es wird weiterhin von gelb eingefärbter visueller Wahrnehmung direkt nach dem Konsum berichtet.

Bei andauerndem Missbrauch kann es zu bleibenden Konzentrationsschwächen sowie zu Verringerung der Gedächtnis- und Reaktionszeit kommen. Als weiteres Risiko bei langem und hohem Konsum werden Herzrhythmusstörungen, Nerven- und Gehirnschäden sowie Leber- und Nierenfunktionsstörungen genannt.

In höheren Konzentrationen wirkt freigesetztes Stickstoffmonoxid zytotoxisch (zellschädigend). Dieses Prinzip macht sich der Körper zunutze. So erzeugen z. B. Makrophagen und Granulozyten Stickstoffmonoxid, das zur Bekämpfung von intrazellulären Bakterien, parasitären Protozoen, Würmern, Pilzen und Tumorzellen dient. Manche Autoimmunerkrankungen und Immunkomplexkrankheiten gehen mit einer Ansammlung von aktivierten Makrophagen im Gewebe einher, welche erhöhte Konzentrationen von NO freisetzen. Dies führt möglicherweise zur Unterhaltung lokaler chronischer Entzündungszeichen. Welche Rolle NO-Donatoren in diesem Zusammenhang spielen ist noch nicht geklärt. Insbesondere der dauerhafte Missbrauch von NO-Donatoren als Partydroge (Poppers) sollte daher unterlassen werden.

Gegenmaßnahmen bei Überdosierung

Symptomorientierte Notfallbehandlung wegen der Herz-Kreislauf-bezogenen Symptome: Bewegen der Extremitäten, Kopf tief lagern, tief ein- und ausatmen (Ziel: Venenrückfluss fördern). Adrenalin ist nicht das Mittel der Wahl, da es die Schocksymptome (Schwäche, Ruhelosigkeit, Schwitzen, Blässe, Übelkeit und Erbrechen, Inkontinenz) verschärft.

Bezüglich einer möglichen Dyspnoe (Atemnot; R06.0) ist das Antidot Methylenblau pro injectione das Mittel der Wahl, da hierdurch der Abbau des Methämoglobins, das die Dyspnoe verursacht, und das durch die Nitrit-Intoxikation entsteht, beschleunigt wird. Bei gleichzeitiger Behandlung von Zyanidintoxikation ist vor dem Verabreichen des Methylenblau eine iatrogene Methämoglobinämie, die wiederum die gefährliche Zyanid-Verstoffwechselung umgehen soll, zu beachten.

Kontraindikation

Kontraindikation sind Vorliegen eines Glaukoms, eines Schädel-Hirn-Traumas oder einer Hirnblutung ersichtlich wegen der (Neben-)Wirkungen des Amylnitrit.

Die gleichzeitige Einnahme von Sildenafil (Viagra), oder anderen PDE-5-Hemmern wie Tadalafil oder Vardenafil, mit nitrathaltigen Medikamenten (z. B. das bei älteren Leuten weit verbreitete Nitrolingual-Spray) oder NO-Donatoren (dazu zählt auch das Szene-Medikament Poppers) ist kontraindiziert. Durch die kombinierte Wirkung auf den Blutdruck droht ein akuter lebensbedrohlicher Blutdruckabfall – es sollte sofort ein Notarzt alarmiert werden, der über die genommene Medikation in Kenntnis gesetzt werden muss.

Vor dem Gebrauch von Amylnitrit sollte, besonders beim Vorliegen psychiatrischer Symptome oder allgemeiner Erkrankungen, immer das medizinische Fachpersonal des eigenen Vertrauens befragt werden. Der Einsatz als Partydroge sollte aufgrund des ihm innewohnenden Risikopotenzials wohl durchdacht sein.

Sucht

Eine physische Sucht ist nicht bekannt. Die psychische Sucht äußert sich meist in Unlust an Sex ohne Amylnitrit, Verlangen nach Amylnitrit und Dosissteigerungen.

Medizin

Nitrithaltige Medikamente sind grundsätzlich verschreibungspflichtig. Die Verwechslung von Amylnitrit mit Amylnitrat ist zu vermeiden. Wer unter niedrigem Blutdruck, Herzrhythmusstörungen oder Blutarmut leidet, sollte auf keinen Fall Poppers bzw. Amylnitrit verwenden. Bei Kontakt von flüssigen Poppers bzw. Amylnitrit mit Schleimhäuten und Augen sofort mit Wasser spülen und gegebenenfalls einen Arzt aufsuchen. Schon seit den 1980er Jahren untersuchen Studien, ob inhalierbare organische Nitrite wie Amylnitrit immunsuppressive oder cancerogene Eigenschaften besitzen und so zum Wachstum von Tumoren beitragen können, bisher allerdings ohne eindeutige Ergebnisse.

Einzelnachweise

  1. a b c d Datenblatt Amylnitrit bei Merck, abgerufen am 18. Januar 2011.
  2. a b Eintrag zu CAS-Nr. 110-46-3 im European chemical Substances Information System ESIS (ergänzender Eintrag)
  3. Eintrag zu CAS-Nr. 110-46-3 in der GESTIS-Stoffdatenbank des IFA, abgerufen am 9. März 2011 (JavaScript erforderlich)

Weblinks

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