De laudibus sanctae crucis

De laudibus sanctae crucis

Das Werk De laudibus sanctae crucis („Vom Lob des heiligen Kreuzes“), auch als Opus in honorem sanctae crucis conditum[1] bzw. In honorem sanctae crucis[2] oder Liber sanctae crucis[3] bezeichnet, stammt von dem bedeutenden karolingischen Gelehrten, Fuldaer Abt und Mainzer Erzbischof Rabanus Maurus (*ca. 780-† 856) und wurde von diesem um das Jahr 810 verfasst.

Inhaltsverzeichnis

Inhalt

Vor dem Hintergrund von byzantinischem Bilderstreit und der Diskussion um die Bilder im Frankenreich (Libri Carolini) entfaltet der „Lehrer Germaniens“ seine Christusdarstellung, die eng mit der Verehrung des heiligen Kreuzes verbunden ist. Eine zentrale Stellung nehmen dabei die 28 Figurengedichte ein. Die Zahl 28 ist wie die Zahl 6 identisch mit der Summe ihrer Teiler und gilt in der Zahlensymbolik als vollkommene Zahl (numerus perfectus). Die aus der Spätantike (Publilius Optatianus Porfyrius; Venantius Fortunatus) überlieferte Technik des Figurengedichtes erlaubte die Kombination von Bild (imago) und Schrift bzw. Wort (signum) in der Weise, dass durch das Bild aus dem Grundtext ein Intext ausgegrenzt und dadurch überhaupt erst konstituiert wird. In den Fällen, in denen als Bild Buchstaben gewählt sind, ergeben sich sogar drei Textebenen. Das Bild offenbart also den verborgenen Intext und wird dadurch selbst zum Zeichen. Außerdem sind alle Bilder Repräsentationen des Kreuzes, verweisen also auf das universale Heils- und Christussymbol. Dieses wird in den Texten jedoch auch als Grundstruktur des gesamten von Gott geschaffenen Kosmos erwiesen. Es ist also nicht ein konventionelles Zeichen, sondern seine Existenz besitzt ihren realen Grund in der Schöpfung, der dadurch ihrerseits als Ganzer eine durch den Offenbarungswillen Gottes im Rahmen seines Heilsplanes vorgesehene heilsgeschichtliche Zeichenbedeutung zugesprochen wird. Methodische Prämisse der Konzeption ist die der spätantik-mittelalterlichen Bibelexegese zugrundeliegende, auf Philon von Alexandria, Origenes, Ambrosius und Augustinus und letztlich auf die antike Homerphilologie zurückgehende hermeneutische Theorie vom mehrfachen Schriftsinn, wonach zwischen sensus historicus (auch literalis oder planus) und sensus figuralis (auch spiritalis oder mysticus) zu unterscheiden ist. Jede Aussage kann also nach dem Wortsinn oder nach ihrer Zeichenbedeutung interpretiert werden. Die Zeichenbedeutung kann sich auf die moralische (auch tropologische), die heilsgeschichtliche (auch allegorische oder typologische, d. h. die Präfiguration des Neuen Testaments im Alten Testament aufweisende) oder die anagogische (endzeitliche) Bedeutungsebene beziehen. Zur Freilegung der Sinnstruktur ist daher jedem der Figurengedichte eine Erläuterung (declaratio) auf der ihm gegenüberliegenden Seite beigefügt, in deren Zentrum die Auslegung des sensus spiritalis, des geistlichen Sinns, steht. In einem zweiten Buch, die das Werk zu einem sogenannten opus geminum macht, folgen Prosaparaphrasen für jedes der Gedichte.

Programmatischen Charakter hat dabei die Darstellung des lebenden Jesus Christus im ersten Figurengedicht. Jesus wird zwar in seiner menschlichen Natur dargestellt, der Gekreuzigte – bildlich dargestellt – kann jedoch nur als Hinweis signum auf die doppelte (menschliche und göttliche) Natur Christi verstanden werden. Abbildlichkeit kommt ihm also nur im Hinblick auf die menschliche Natur Jesu zu, Zeichen (aufgrund seiner Kreuzgestalt) ist es im Hinblick auf die göttliche Natur des gekreuzigten Christus. Auch dem Bild kommt demnach Zeichencharakter zu und es ist daher Medium göttlicher Offenbarung, nicht lediglich totes und verfälschendes Abbild, wie die Bildkritiker argumentierten.

Überlieferung

De laudibus sanctae crucis ist aus dem Mittelalter in 80 Handschriften überliefert, was ein reges Interesse dieser Epoche an diesem Werk des Rabanus Maurus voraussetzt, der sich, wie die zahlreichen Dedikationsexemplare und die größtenteils auf das Fuldaer Skriptorium zurückgehende frühe Handschriftenüberlieferung zeigen, auch selbst ungewöhnlich intensiv um die Verbreitung seines Werkes bemühte. Aus der Lebenszeit des Gelehrten selbst sind erhalten:

De laudibus sanctae crucis

Codex Vaticanus Reginensis latinus 124

Darstellung Ludwigs des Frommen im Codex Vaticanus Reginensis latinus 124, fol. 4v (Fulda, saec. IX 2/4, a. 826 (?).

Besonders der Codex Vaticanus Reginensis latinus 124 zeigt De laudibus sanctae crucis in einer sehr schönen Fassung. Auf 61 Pergamentblättern sind ausgebreitet:

  • Widmung an Erzbischof Otgar von Mainz (fol. 1v)
  • Widmung (dedicatio, an den heiligen Martin) (fol. 2v)
  • Überreichen des Buches an den Papst (Gregor IV.) (fol. 3v)
  • Figurengedicht zu Ehren Kaiser Ludwigs des Frommen (fol. 4v)
  • 1. Hauptteil/Buch: 28 Kreuzgedichte und Erläuterungen (fol. 8v)
  • Zwischenteil: Texte der Kreuzgedichte in Hexametern (fol. 37r)
  • Vorrede zum 2. Buch (fol. 43v)
  • 2. Hauptteil/Buch: Ausführliche Erläuterungen zu den Kreuzgedichten (fol. 44r)

Der Codex war zunächst wohl für den Mainzer Erzbischof Haistulf, wurde aber nach dessen Tod mit einer Widmung an Erzbischof Otgar versehen. Er muss dann zum Bestand der Mainzer Dombibliothek gehört haben und gelangte zu einem nicht näher bestimmbaren Zeitpunkt ins Kloster Fulda zurück. Dort ist er im 16. Jahrhundert bezeugt, als Kaiser Rudolf II. († 1612) ihn – belegt durch ein Schreiben vom 15. Juni 1598 – auslieh. Die Handschrift gelangte nach Prag, wurde dort kopiert und blieb auch weiterhin in Prag, bis sie im Dreißigjährigen Krieg (1618–1648) von den Schweden erbeutet wurde. Die schwedische Königin Christina († 1689) verleibte den Codex ihrer Bibliothek ein. 1655 konvertierte sie zum katholischen Glauben und lebte danach lange in Rom, wo nach ihrem Tod 1689 ihre Bibliothek und damit die Rabanus-Handschrift an Papst Innozenz XI. gelangte.

Einzelnachweise

  1. So Spilling (siehe unten Literatur) S. 29f.
  2. So die kritische Edition von Perrin (siehe unten Literatur
  3. So Ferrari, Il 'Liber sanctae crucis' (siehe unten Literatur), der die Titelfrage S. 230-239 ausführlich diskutiert.

Literatur

  • Becht-Jördens, Gereon: Litterae illuminatae. Zur Geschichte eines literarischen Formtyps in Fulda. In: Gangolf Schrimpf (Hrsg.): Kloster Fulda in der Welt der Karolinger und Ottonen. (Fuldaer Studien 7). Josef Knecht, Frankfurt am Main 1996, S. 325-364. ISBN 3-7820-0707-7
  • Ernst, Ulrich: Carmen figuratum. Geschichte des Figurengedichts von den antiken Ursprüngen bis zum Ausgang des Mittelalters (Pictura et poesis 1). Böhlau, Köln 1991. ISBN 3-412-03589-0
  • Ferrari, Michele C.: Il liber sanctae crucis di Rabano Mauro. Testo - immagine - contesto (Lateinische Sprache und Literatur des Mittelalters 30). Peter Lang, Bern u. a. 1999. ISBN 3-906762-17-3
  • Haarländer, Stephanie: Rabanus Maurus. Ein Lesebuch mit einer Einführung in sein Leben und Werk, Mainz 2006. ISBN 3-934450-24-5
  • Holter, Klaus: Hrabanus Maurus, Liber de Laudibus Sanctae Crucis, Codex Vindobonensis 652. Akademische Druck- u. Verlagsanstalt, Graz 1972. ISBN 978-3-201-00784-9
  • Kotzur, Hans-Jürgen (Hg.), Rabanus Maurus. Auf den Spuren eines karolingischen Gelehrten (= Ausstellungskatalog), Mainz 2006. ISBN 3-8053-3613-6
  • Müller, Hans-Georg: Hrabanus Maurus. De laudibus sanctae crucis. Studien zur Überlieferung und Geistesgeschichte mit dem Faksimile-Textabdruck aus Codex Reg. Lat. 124 der vatikanischen Bibliothek (Beihefte zum Mittellateinischen Jahrbuch 11). Ratingen u. a. 1973 ISBN 3-450-12026-3
  • Perrin, Michel: Hrabanus Maurus. In honorem sanctae crucis (Corpus Christianorum, continuatio medievalis 100-100A). Brepols, Turnhout, 1997. ISBN 2-503-04001-2
  • Spilling, Herrad: Opus Magnentii Hrabani Mauri in honorem sanctae crucis conditum. Hrabans Beziehung zu seinem Werk (Fuldaer Hochschulschriften 18). Josef Knecht, Frankfurt am Main 1992. ISBN 3-7820-0656-9

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