Deinhardstein

Deinhardstein

Johann Ludwig (Ferdinand) Deinhardstein (* 21. Juni 1794 in Wien; † 12. Juli 1859 ebenda), auch Deinhard-Deinhardstein, Pseudonym Dr. Römer, war ein österreichischer Schriftsteller, Literaturkritiker, Dramaturg und Hofbeamter.

Inhaltsverzeichnis

Leben

Lithographie von Josef Kriehuber, 1833

Der Anwaltssohn Deinhardstein studierte zunächst Rechts- und Staatswissenschaft und trat danach in den Staatsdienst ein. Von dieser Tätigkeit unbefriedigt, wendete er sich der Klassik und Ästhetik zu. Bereits 1811 waren von ihm erste Werke, d.h. Gedichte und einaktige Komödien, erschienen. Rasch stieg er zu einer zentralen Figur der Wiener Literaturszene auf.

Im Jahre 1827 erhielt er den Lehrstuhl für Ästhetik jeweils an der Universität Wien und als Nachfolger Lorenz Leopold Haschkas am Wiener Theresianum.

Zwei Jahre später übernahm er die Redaktion der Wiener Jahrbücher der Litteratur, die er bis 1849 behielt. Unter seiner Leitung entwickelte sich das vierteljährlich erscheinende Werk zu einem bedeutenden Organ der literarischen Kritik im deutschsprachigen Raum, für das Zeitgenossen von Rang und Namen wie Eichendorff, Feuchtersleben, Fouqué, Goethe, die Gebrüder Grimm, Hebbel, W. v. Humboldt, Immermann, Rückert und A. W. Schlegel Beiträge verfassten. Im Mittelpunkt standen dabei Neuerscheinungen auf dem Gebiet der Geisteswissenschaften. Trotz der Mitarbeit jener fortschrittlichen Geistesgrößen vermochte es der konservative Deinhardstein, in den Jahrbüchern eine partriotisch-restaurative Grundhaltung durchzusetzen.

Deinhardstein trat 1832 die Nachfolge Joseph Schreyvogels als Dramaturg und Vizedirektor des Hofburgtheaters an. Angeregt hatte diese Besetzung der Theaterdirektor Johann Rudolf Czernin. Er engagierte in dieser Position namhafte Schauspieler wie Christine Enghaus und Carl von La Roche und führte vorwiegend Konversationsstücke auf, darunter besonders Übersetzungen französischer Dramen. Zwar traf er damit den Geschmack der mehrheitlich adeligen Zuschauer, konnte aber durch die geringe Berücksichtigung klassischer Stücke qualitativ nicht an seinen Vorgänger anknüpfen. Die Autoren Eduard von Bauernfeld, Friedrich Halm und Friedrich Hebbel erhielten unter seiner Regie erste Aufmerksamkeit in der Öffentlichkeit.

Seit 1829 zensierte Deinhardstein nebenberuflich die am Theater eingereichten Dramen. Nachdem seine Anstellung am Theater 1841 ihr Ende gefunden hatte, nahm er diese Aufgabe bis 1848 hauptberuflich als Regierungsrat der Polizeihofstelle wahr. Danach war er als Beirat der Landesregierung in literarischen, insbesondere das Theater betreffenden Angelegenheiten tätig.

Im Alter von 65 Jahren starb Deinhardstein 1859 in seiner Geburtsstadt Wien. Sein Ehrengrab befindet sich auf dem Wiener Zentralfriedhof (Gruppe 0, Reihe 1, Nummer 20).

Künstlerisches Schaffen

Schriftstellerisch trat Deinhardstein vor allem als Dramatiker hervor, der elegante, heitere Stücke mit geschichtlichem Hintergrund schuf. Unter diesen ragen die sogenannten „Künstlerlustspiele“ heraus. Deinhardstein schuf mit ihnen eine neue Gattung dramatischer Poesie, die historischen Lokalkolorit und sentimentale Ränke miteinander verband. Zu den wichtigsten zählen

Mit Erzherzog Maximilians Brautzug lieferte er 1832 eine fünfaktige Bearbeitung des Theuerdanks von Maximilian I.. Unter Deinhardsteins ernsteren Dramen finden sich vor allem kleinere, empfindsame Stücke wie Der Gast und Floretta. Einige Übersetzungen aus dem Französischen erschienen unter dem Pseudonym „Dr. Römer“.

Deinhardsteins Dramen gewannen durchaus den Applaus des Publikums, waren aber hinsichtlich ihres literarischen Wertes massiver Kritik ausgesetzt. Den Werken wurde das Fehlen von Originalität, charakterlicher Tiefe und idealistischer Haltung vorgeworfen, auch hätte seine rege Schreibtätigkeit zu Flüchtigkeitsfehlern und Massenproduktion geführt.

Werkausgaben

  • Dichtungen für Kunstredner (Hrsg., 1815)
  • Dramatische Dichtungen (Wien 1816)
  • Theater (zwei Bände, 1827 und 1833)
  • Skizzen einer Reise von Wien über Prag (Wien 1831)
  • Theater von Dr. Römer (drei Bände, Wien und Leipzig 1837–41)
  • Gedichte (Berlin 1844)
  • Künstlerdramen (zwei Bände, Leipzig 1845)
  • Erzählungen und Novellen (Pest 1846)
  • Gesammelte dramatische Werke (sieben Bände, Leipzig 1848–57)
  • Klassisches Theater des Auslandes (Hrsg., 1855–56)

Literatur

  • C. Fischer: Deinhardstein, Johann Ludwig. In: Walther Killy (Hrsg.): Literaturlexikon. Autoren und Werke deutscher Sprache. Directmedia, Berlin 2005, ISBN 3-89853-409-X (1 CD-ROM)
  • Hans Landsberg: Ein vergessener Burgtheaterdirektor. In: Masken. Zeitschrift der deutschen Theaterkultur. Band 5, 1910
  • S. Lechner: Eine Ästhetik der Zensur. In: Alberto Martino u.a. (Hrsg.): Literatur in der sozialen Bewegung. Aufsätze und Forschungsberichte zum 19. Jahrhundert. Niemeyer, Tübingen 1977, ISBN 3-484-10289-6.
  • Ilse Leithner: Deinhardstein als Kritiker. Dissertation, Universität Wien 1929.
  • Wilhdelm Treichlinger: Johann Ludwig Deinhardstein. Dissertation, Universität Wien 1926.
  • Deinhardstein, Johann Ludwig. In: Constant von Wurzbach: Biographisches Lexikon des Kaiserthums Oesterreich. 3. Band, Wien 1858, S. 207–210

Weblinks


Wikimedia Foundation.

Игры ⚽ Нужен реферат?

Schlagen Sie auch in anderen Wörterbüchern nach:

  • Deinhardstein — Deinhardstein, Joh. Ludw., geb. 1794 in Wien, war erst Assessor beim dortigen Criminalgericht, wurde 1827 Professor der Ästhetik u. klassischen Literatur, 1832 Vicedirector des Hofburgtheaters, 1841 Regierungsrath u. Referent der Polizeihofstelle …   Pierer's Universal-Lexikon

  • Deinhardstein — Deinhardstein, Johann Ludwig, Bühnendichter, geb. 21. Juni 1794 in Wien, gest. daselbst 12. Juli 1859, widmete sich hier anfangs juridischen, dann philologischen und ästhetischen Studien und erhielt 1827 eine Professur der klassischen Literatur… …   Meyers Großes Konversations-Lexikon

  • Deinhardstein — Deinhardstein, Johann Ludwig, beliebter Bühnendichter und Lyriker, geb. 1789 zu Wien, 1827 Professor der Aesthetik daselbst, von 1832–41 Censor und Vicedirector des Hoftheaters, gegenwärtig Beirath des Statthalters. Seine Stücke fanden Beifall… …   Herders Conversations-Lexikon

  • Deinhardstein — Deinhardstein,   Johann Ludwig, österreichischer Schriftsteller, * Wien 21. 6. 1794, ✝ ebenda 12. 7. 1859; war 1832 41 stellvertretender Direktor des Burgtheaters, schrieb zahlreiche bühnenwirksame Schauspiele (viele Lustspiele), gilt als der… …   Universal-Lexikon

  • Deinhardstein, Ludwig Franz — Deinhardstein, Ludwig Franz, einer der begabtesten wiener Dichter, ist den Damen gewiß schon durch sein Lustspiel »Hans Sachs« bekannt, das auf den meisten deutschen Theatern mit dem glücklichsten Erfolge gegeben wurde und namentlich jungen… …   Damen Conversations Lexikon

  • Johann Ludwig Deinhard-Deinhardstein — Johann Ludwig (Ferdinand) Deinhardstein (* 21. Juni 1794 in Wien; † 12. Juli 1859 ebenda), auch Deinhard Deinhardstein, Pseudonym Dr. Römer, war ein österreichischer Schriftsteller, Literaturkritiker, Dramaturg und Hofbeamter. Inhaltsverzeichnis… …   Deutsch Wikipedia

  • Johann Ludwig Deinhardstein — Lithographie von Josef Kriehuber, 1833 Johann Ludwig (Ferdinand) Deinhardstein (* 21. Juni 1794 in Wien; † 12. Juli 1859 ebenda), auch Deinhard Deinhardstein, Pseudonym Dr. Römer, war ein österreichischer Schriftsteller, Literatu …   Deutsch Wikipedia

  • Дейнгардштейн — (Deinhardstein, Иоганн Людвиг) немецкий драматург (1794 1859). Был вице директором венского придворного театра, затем цензором. Не обладая особыми дарованиями, Дейнгардштейн писал литературно, с добродушным юмором, и хорошо знал условия сцены;… …   Энциклопедический словарь Ф.А. Брокгауза и И.А. Ефрона

  • Ave Maria (Schubert) — Ellens dritter Gesang (Ellens Gesang III „Hymne an die Jungfrau“, D 839, Op. 52 Nr. 6) ist eine Komposition von Franz Schubert aus dem Jahre 1825. Inhaltsverzeichnis 1 Herkunft 2 Stellung innerhalb des Zyklus 3 Text von Ellens drittem Gesang 4 …   Deutsch Wikipedia

  • Burgschauspieler — Das Burgtheater an der Wiener Ringstraße Das Burgtheater am Dr. Karl Lueger Ring in Wien ist ein österreichisches Bundestheater. Es gilt als eine der bedeutendsten Bühnen Europas und ist nach der Comédie Française das zweitälteste europäische,… …   Deutsch Wikipedia

Share the article and excerpts

Direct link
Do a right-click on the link above
and select “Copy Link”