Deutsche Adelsgenossenschaft

Deutsche Adelsgenossenschaft

Die Deutsche Adelsgenossenschaft (D.A.G.) war die größte Vereinigung deutscher Adliger im Deutschen Reich.

Sie wurde am 26. Februar 1874 von 30 grundbesitzenden Adligen aus den preußischen Provinzen Brandenburg, Pommern, (Ost-)Preußen, Sachsen und Schlesien in Berlin gegründet. Durch Allerhöchste Kabinetts-Ordre vom 7. März 1883 verlieh Kaiser Wilhelm I. der D.A.G. die Rechte einer juristischen Person. Sie sollte dem als verderblich angesehenen „Liberalismus“ der Zeit entgegenwirken und ein konservatives Gegengewicht setzen. Im Kaiserreich wurde die D.A.G. von der Staatsspitze gefördert.

Nach der Novemberrevolution formierte sich die D.A.G. neu. Die Satzung vom 4. Februar 1921 lässt erstmals auch Frauen als Mitglieder zu. Gleichzeitig werden Nichtdeutsche und Juden aus rassistischen Gründen ausgegrenzt: Wer unter seinen Vorfahren im Mannesstamm einen nach 1800 geborenen Nichtarier hat oder zu mehr als einem Viertel anderer als arischer Rasse entstammt oder mit jemand verheiratet ist, bei dem dies zutrifft, kann nicht Mitglied der D.A.G. sein. In etwas anderer Fassung war schon seit 1918 ein Ariernachweis verlangt worden.

Mit Art. 109 der Weimarer Reichsverfassung vom 11. August 1919 wurden die öffentlich-rechtlichen Vorrechte oder Nachteile der Geburt oder des Standes aufgehoben. Der Adel war abgeschafft. Adelstitel durften nicht mehr verliehen werden und wurden zu Namensbestandteilen. Durch Adoption oder Heirat konnten „Scheinadelige“ entstehen. Um diese zu erfassen, wurde 1923 eine eigene Abteilung geschaffen, die ab 1925 Listen mit „Scheinadeligen“ erstellte.

Da die D.A.G. politisch zunehmend ins nationalsozialistische politische Lager rückte, verbot Reichswehrminister Wilhelm Groener 1929 Angehörigen und Zivilbeschäftigten der Reichswehr die Mitgliedschaft. Ab 1933 lehnte sich die D.A.G. eng an die nationalsozialistische Politik Hitlers an, so wurde etwa der Arierparagraph noch verschärft. Dadurch wurde die Gleichschaltung der Vereinigung verhindert, allerdings um den Preis weitgehender Anpassung an das Regime. Nach dem Attentat Stauffenbergs auf Adolf Hitler am 20. Juli 1944 veröffentlichte der Adelsmarschall Fürst zu Bentheim-Tecklenburg Folgendes im „Deutschen Adelsblatt“: Mit dem Deutschen Volke begrüßt die Deutsche Adelsgenossenschaft in tiefster Dankbarkeit das Mißlingen des gegen das Leben des Führers gerichteten Anschlages. Sie verabscheut zugleich dieses verruchte Verbrechen ...

Nach dem Zweiten Weltkrieg verlor die D.A.G., die durch ihre Nähe zum Nationalsozialismus diskreditiert war, an Bedeutung. 1956 schloss sie sich mit der neu gegründeten „Arbeitsgemeinschaft deutscher Adelsverbände“ zur „Vereinigung der Deutschen Adelsverbände“ (VdDA) zusammen. Als Nachfolger der Abteilung für adelsrechtliche Fragen der D.A.G. sieht sich der 1949 gegründete und heute noch bestehende Deutscher Adelsrechtsausschuß.

Literatur

  • Georg H. Kleine: Adelsgenossenschaft und Nationalsozialismus. In: Vierteljahrshefte für Zeitgeschichte. Band 26, H. 1, 1978, S. 100–143, online (PDF; 8,64 MB).
  • Stephan Malinowski: „Führertum“ und „Neuer Adel“. Die Deutsche Adelsgenossenschaft und der Deutsche Herrenklub in der Weimarer Republik. In: Heinz Reif (Hrsg.): Adel und Bürgertum in Deutschland. Band 2: Entwicklungslinien und Wendepunkte im 20. Jahrhundert. Akademie-Verlag, Berlin 2001, ISBN 3-05-003551-X, S. 173–211 (Elitenwandel in der Moderne 2).
  • Stephan Malinowski: Vom König zum Führer. Deutscher Adel und Nationalsozialismus. Lizenzausgabe. Fischer-Taschenbuch-Verlag, Frankfurt am Main 2004 (zugl. Diss., Berlin: Akademie Verlag 2003), ISBN 3-596-16365-X (Fischer 16365 Die Zeit des Nationalsozialismus), (Zugleich: Berlin, Techn. Univ., Diss., 2001).

Weblinks


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