Deutsche Antarktische Expedition 1938/39

Deutsche Antarktische Expedition 1938/39
Landkarte der Antarktis. Das rot hinterlegte Territorium zeigt die Ausdehnung der von der Deutschen Antarktischen Expedition 1938/39 überflogenen Region Antarktikas

Die Deutsche Antarktische Expedition 1938/39 war die dritte offizielle Antarktisexpedition des Deutschen Reiches. Sie wurde durch den „Beauftragten für den VierjahresplanHermann Göring angeordnet; mit der Planung und Vorbereitung wurde Ministerialrat Helmut Wohlthat beauftragt. Die Expedition wurde vorwiegend aus wirtschaftlichen Erwägungen durchgeführt, um der deutschen Walfangflotte neue Fanggründe zu sichern und so die „Fettlücke“, d.h. die Absicht die Abhängigkeit des Deutschen Reiches vom Import technischer Fette und Nahrungsfette zu beenden. Es bestand die Absicht, eine Grundlage für eine spätere deutsche Besitzergreifung eines Antarktis-Sektors zu schaffen, daher wurden die Vorbereitungen für diese Expedition unter strengster Geheimhaltung getroffen. Das Zielgebiet der Expedition war die Region zwischen 20° West und 20° Ost.

Inhaltsverzeichnis

Vorbereitung

Im Juli 1938 wurde Kapitän Alfred Ritscher mit der Leitung einer Expedition in die Antarktis betraut. Innerhalb weniger Monate gelang es eine Expedition zusammenzustellen und auszurüsten, deren Ziel es war topographische Kenntnisse für die deutsche Walfangflotte zu schaffen, gleichzeitig ein wissenschaftliches Programm entlang der Küste unter Berücksichtigung von Biologie, Meteorologie, Ozeanographie und Erdmagnetik durchzuführen und das bis dahin unbekannte Hinterland durch Vermessungsflüge zu erkunden.

Da zur Vorbereitung nur ein halbes Jahr zur Verfügung stand, musste Ritscher auf vorhandene Schiffe und Flugzeuge zurückgreifen, die bisher im Atlantikdienst der Deutschen Lufthansa standen. Nach eiligen Umbauarbeiten am Schiff MS Schwabenland und den beiden Dornier Wal-Flugbooten Boreas und Passat verließ die Expedition am 17. Dezember 1938 Hamburg.

Durchführung

Die Deutsche Antarktische Expedition erreichte am 19. Januar 1939 das Arbeitsgebiet an der Prinzessin-Martha-Küste und entdeckte bisher völlig unbekannte, eisfreie Gebirgsregionen in deren Hinterland. In sieben Vermessungsflügen zwischen dem 20. Januar und 5. Februar 1939 konnte mit Reihenbildkameras eine Fläche von ca. 350.000 km² photogrammetrisch aufgenommen werden. An den Umkehrpunkten der Flugpolygone wurden Metallpfeile mit Hoheitszeichen abgeworfen, um hoheitsrechtliche Besitzansprüche zu begründen. Bei zusätzlichen acht Sonderflügen, an denen auch Ritscher teilnahm, wurden besonders interessante Regionen gefilmt und mit Farbfotos aufgenommen. An Bord der Schwabenland und an der Küste auf dem Meereis konnten biologische Untersuchungen durchgeführt werden, die Ausrüstung ließ aber weder Schlittenexpeditionen auf das Schelfeis noch Landungen der Flugboote in der Gebirgsregion zu.

Die eingesehene und überflogene Region zwischen 10°W und 15°O wurde von der Expeditionsleitung „Neuschwabenland“ getauft. Zwischenzeitlich hatte die norwegische Regierung durch Walfänger Informationen über die deutschen Aktivitäten erhalten und den gesamten Sektor zwischen 20°W und 45°O am 14. Januar 1939 als Dronning Maud Land zu norwegischem Territorium erklärt, ohne dessen südliche Erstreckung zu definieren.

Die Expedition verließ am 6. Februar 1939 die Küste der Antarktis und führt auf der Rückreise weitere ozeanographische Untersuchungen in der Umgebung der Bouvet-Insel und Fernando de Noronha durch. Am 11. April 1939 lief die Schwabenland wieder im Hamburger Hafen ein.

Wissenschaftliche Auswertung

Bis 1942 fertigte Otto von Gruber detaillierte topographische Karten vom östlichen Neuschwabenland im Maßstab 1:50.000 und eine Übersichtskarte Neuschwabenlands an. Die Auswertung der Resultate im westlichen Neuschwabenland wurde durch den Zweiten Weltkrieg unterbrochen und ein großer Teil der 11.600 Schrägluftbilder gingen im Krieg verloren. Neben den von Ritscher veröffentlichten Bildern und Karten überstanden nur ca. 600 Luftbilder den Krieg, die jedoch erst 1982 wiederentdeckt und ausgewertet wurden.[1] Die Ergebnisse der biologischen, geophysikalischen und meteorologischen Untersuchungen wurden erst nach dem Krieg zwischen 1954 und 1958 veröffentlicht. Von Kapitän Ritscher ist bekannt, dass er eine weitere Expedition mit verbesserten leichteren Flugzeugen auf Kufen vorbereitete, die aufgrund des Ausbruchs des Zweiten Weltkrieges jedoch nie durchgeführt wurde.[2]

Öffentliche Wahrnehmung

Infolge der geheimen Vorbereitung erfuhr die Öffentlichkeit im Vorfeld nichts von der Expedition. Auch bei der Rückkehr nahm nur die Hamburger Lokalpresse Notiz.[3]. Der Geologe der Expedition, Ernst Herrmann, veröffentlichte 1941 einen populärwissenschaftliches Buch[4], das mehr als 60 Jahre der einzige Bericht für ein breiteres Publikum war. Die dürftige Informationslage begünstigte in der Folgezeit, dass sich um die Expedition und das neuentdeckte Neuschwabenland Mythen und Verschwörungstheorien rankten.

Literatur

  • Cornelia Lüdecke (2003): In geheimer Mission zur Antarktis. Die dritte Deutsche Antarktische Expedition 1938/39 und der Plan einer territorialen Festsetzung zur Sicherung des Walfangs. Deutsches Schiffahrtsarchiv 26, S. 75-100
  • Alfred Ritscher (1942): Wissenschaftliche und fliegerische Ergebnisse der Deutschen Antarktischen Expedition 1938/39. Band 1, 304 S., Koehler & Amelang, Leipzig.
  • Alfred Ritscher (1954-58): Wissenschaftliche und fliegerische Ergebnisse der Deutschen Antarktischen Expedition 1938/39. Band 2, 276 S., Striedieck, Hamburg.

Einzelnachweise

  1. K. Brunk: Kartographische Arbeiten und deutsche Namengebung in Neuschwabenland, Antarktis. (pdf) In: Deutsche Geodätische Kommission, Reihe E: Geschichte und Entwicklung der Geodäsie. 24/I, 1986, S. 1-24
  2. Alfred Ritscher: Vor 10 Jahren. (pdf) In: Polarforschung. 18, 1948, S. 30-32
  3. Heinz Schön: Mythos Neu-Schwabenland. Für Hitler am Südpol. Bonus, Selent 2004, S. 106
  4. Ernst Herrmann: Deutsche Forscher im Südpolarmeer. Safari-Verlag, Berlin 1941

Siehe auch

Liste der Antarktisexpeditionen


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