Deutscher Corporate-Governance-Kodex

Deutscher Corporate-Governance-Kodex

Der Deutsche Corporate Governance Kodex (abgekürzt DCGK) ist ein von einer Regierungskommission der Bundesrepublik Deutschland erarbeitetes Regelwerk, das vor allem Vorschläge enthält, was eine gute Corporate Governance, also ethische Verhaltensweisen von Mitarbeitern und Führungen von Unternehmen und Organisationen, ausmacht.

Inhaltsverzeichnis

Entstehungsgeschichte

Das Thema Corporate Governance hat in den letzten Jahren an Bedeutung gewonnen. Auch die Bundesregierung hat sich deshalb mit diesem Thema befasst und im Mai 2000 eine Regierungskommission „Corporate Governance - Unternehmensführung - Unternehmenskontrolle - Modernisierung des Aktienrechts“ unter dem Vorsitz des Juristen Theodor Baums eingesetzt. Unter anderem hat diese Kommission empfohlen, einen „Code of Best Practice“ für deutsche Unternehmen zu entwickeln.

Hierfür wurde vom Bundesministerium der Justiz im September 2001 die „Regierungskommission Deutscher Corporate Governance Kodex“ gebildet. Diese Kommission hat am 26. Februar 2002 der Bundesregierung den von ihr erarbeiteten „Deutschen Corporate Governance Kodex“ überreicht. Die offizielle Erstveröffentlichung des Kodex im elektronischen Bundesanzeiger erfolgte am 20. August 2002.

Der Kodex wird seitdem jährlich von der „Regierungskommission Deutscher Corporate Governance Kodex“ überprüft und wurde zuletzt am 6. Juni 2008 angepasst.

Ziele

Der Deutsche Corporate Governance Kodex soll dazu beitragen, die in Deutschland geltenden Regeln für Unternehmensleitung und -überwachung sowohl für nationale als auch für internationale Investoren transparent zu machen. Damit soll letztlich das Vertrauen in die Unternehmensführung deutscher Gesellschaften und damit mittelbar in den deutschen Kapitalmarkt gestärkt werden. Der Kodex berücksichtigt die in der Vergangenheit – vor allem von internationalen Investoren – geäußerten Kritikpunkte an der deutschen Unternehmensverfassung, beispielsweise mangelhafte Ausrichtung auf Aktionärsinteressen (siehe auch shareholder value), mangelnde Transparenz deutscher Unternehmensführung oder mangelnde Unabhängigkeit deutscher Aufsichtsräte. Ziel ist auch eine Vereinheitlichung und Standardisierung der Maßnahmen, die zur Erfüllung einer guten Corporate Governance gehören, zu erreichen.

Des Weiteren will der Deutsche Corporate Governance Kodex den deutschen Unternehmen einen Rahmen von Normen (im Sinne von Regeln) und Werten für eine gute und verantwortungsvolle Unternehmensführung vorgeben. Hierzu gehört vor allem, dass die Unternehmen ihre Unternehmensziele in einer Weise zu erreichen suchen, die in einer langfristigen Sicht der Organisation selbst, ihren Eigentümern, aber auch externen Interessengruppen (Geldgebern, Absatz- und Beschaffungsmärkten, der Gesellschaft, den Bürgern) dienen.

Gleichzeitig soll den Investoren und Aktionären ein Beurteilungskatalog zur Bewertung guter Unternehmensführung bereitgestellt werden.

Rang in der Normenhierarchie

In Gestalt der Regeln des Corporate Governance Kodex hat das deutsche Recht eine neue Gattung von Normen bekommen, die bisweilen fälschlicherweise als Soft Law bezeichnet wird. Der Begriff ist irreführend, da es sich bei den Kodexstandards nicht um „Recht“ handelt. Vielmehr handelt es sich um Vorstellungen von „Best Practice“.

Der Kodex wiederholt in weiten Teilen geltendes Gesetzesrecht („Muss“) und enthält zudem Empfehlungen, („Soll“). Empfehlungsabweichungen sind zu begründen und offenzulegen. Weiterhin enthält er Anregungen („Sollte“, „Kann“), bei denen eine Abweichungen ohne Offenlegung möglich ist.

Allerdings hat der Gesetzgeber den im Kodex niedergelegten Prinzipien über eine reine Signalwirkung hinaus Nachdruck verliehen: gemäß § 161 AktG müssen Vorstand und Aufsichtsrat einer jeden börsennotierten Gesellschaft jährlich eine Erklärung abgeben, dass den Empfehlungen des Kodex entsprochen wurde und wird oder welche Empfehlungen nicht angewendet wurden oder werden (sog. Entsprechenserklärung). Somit wirkt sich das Befolgen der Prinzipien unmittelbar auf die Außendarstellung eines Unternehmens und sein Verhältnis zu den Aktionären und letztlich dem Kapitalmarkt aus.

Das Oberlandesgericht München hat in seiner Entscheidung (Az: 7 U 5628/07) bestimmt, dass Verstösse gegen den Kodex zu einer Nichtigkeit eines Beschlusses des Aufsichtsrats oder einer Entscheidung der Hauptversammlung führen kann.[1]Haben Vorstand oder Aufsichtsrat die Absicht, gegen den Kodex einen Entschluss herbeizuführen, so müssen sie auf diese Veränderung gegenüber dem Kodex hinweisen. Diese Verpflichtung zum Hinweis leitet sich aus dem Grundsatz des Vertrauensschutzes der Anteilseigner ab.

Regierungskommission Deutscher Corporate Governance Kodex

Der Regierungskommission Deutscher Corporate Governance Kodex gehören an:

  • Paul Achleitner (Vorstand Allianz)
  • Hans-Friedrich Gelhausen (Vorstand PricewaterhouseCoopers)
  • Manfred Gentz (Aufsichtsrat Deutsche Börse)
  • Dietmar Hexel (DGB-Bundesvorstand)
  • Ulrich Hocker (Hauptgeschäftsführer der Deutschen Schutzvereinigung für Wertpapierbesitz)
  • Max Dietrich Kley (Aufsichtsrat BASF)
  • Klaus-Peter Müller (Vorsitzender) (ehemals Vorstandsvorsitzender Commerzbank, heute Aufsichtsratsvorsitzender Commerzbank)
  • Peer M. Schatz (Qiagen-Vorstandschef)
  • Christian Strenger (Aufsichtsrat DWS-Investment)
  • Axel von Werder (Prof. an der TU Berlin)
  • Daniela Weber-Rey (Anwältin bei Clifford Chance)
  • Wendelin Wiedeking (Vorstandsvorsitzender Porsche)

Die Regierungskommission blieb auch nach der Veröffentlichung des Kodex bestehen. Sie soll die Entwicklung von Corporate Governance in der Gesetzgebung und Praxis in Deutschland begleiten und mindestens einmal im Jahr prüfen, inwieweit der Kodex anzupassen ist.

Der Kodex

Der Deutsche Corporate Governance Kodex gliedert sich in sieben Teile:

  1. Präambel
  2. Aktionäre und Hauptversammlung
  3. Zusammenwirken von Vorstand und Aufsichtsrat
  4. Vorstand
  5. Aufsichtsrat
  6. Transparenz
  7. Rechnungslegung und Abschlussprüfung

Inhaltlich enthält der Kodex drei Arten von Bestimmungen, die sich durch den Grad ihrer Verbindlichkeit voneinander unterscheiden:

  • Wiedergabe wesentlicher gesetzlicher Regelungen hauptsächlich des AktG
  • Empfehlungen („Soll“-Vorschriften)
  • Anregungen („Kann“-Vorschriften)

Im Gegensatz zu den gesetzlichen Regelungen, die Aufgrund ihres Gesetzesstatus verbindlich anzuwenden sind, besteht für die Empfehlungen und Anregungen des Deutschen Corporate Governance Kodex keine Anwendungspflicht, ihre Befolgung ist freiwillig.

Kritik am DCGK

Auf der Jahrespressekonferenz der Schutzgemeinschaft der Kapitalanleger (SdK) am 3. August 2004 wurde viel Kritik am DCGK bzw. an dessen folgenloser Nichteinhaltung durch einen großen Teil der Aktiengesellschaften laut.

Noch immer weigerten sich zwei Drittel der führenden Aktiengesellschaften in Deutschland, die Bezüge ihrer Vorstandsmitglieder seriös offen zu legen. Das sei ein eklatanter Verstoß gegen das Transparenz-Gebot des DCGK. Die Bundesjustizministerin wurde aufgefordert, umgehend eine entsprechende Novelle zu erarbeiten, in der Vorstands- und Aufsichtsratsmitglieder darauf verpflichtet werden, ihre gesamten Bezüge einzeln öffentlich zu machen. Als Antwort auf die geäußerte Kritik wurde im Sommer 2005 das Gesetz über die Offenlegung von Vorstandsvergütungen (VorstOG) erlassen, nach dem Vorstände ihre Vergütung individuell aufgeschlüsselt offenlegen müssen. Dies schließt auch Abfindungen für ausgeschiedene Vorstandsmitglieder ein. Das Gesetz erlaubt es jedoch, dass die Aktionäre auf der Hauptversammlung mit einer 3/4 Mehrheit beschließen können, auf die Offenlegung zu verzichten.

Ebenfalls monierte die SdK den „inzwischen überall üblichen Automatismus“ beim Wechsel von Vorstandsvorsitzenden in die Aufsichtsräte von Aktiengesellschaften. Bei 16 von 30 Unternehmen des DAX 30 seien die Aufsichtsratsvorsitzenden ehemalige Vorstandssprecher. Das komme einer „faktischen Selbsternennung von Aufsichtsratsvorsitzenden“ gleich und sei eine „Entmachtung der Kapitaleigner“.

Auch das Regelwerk selbst ist nicht unumstritten. Vor allem die Regel, dass Aufsichtsratsmitglieder erfolgsabhängig vergütet werden sollen, wird häufig kritisiert und von zahlreichen Unternehmen nicht umgesetzt.

Literatur

  • Baums, Theodor (Hrsg.): Bericht der Regierungskommission Corporate Governance - Unternehmensführung - Unternehmenskontrolle - Modernisierung des Aktienrechts, Köln 2001
  • Littger, Michael: „Deutscher Corporate Governance Kodex - Funktion und Verwendungschancen“, 315 Seiten, Nomos 2006, ISBN 9783832917852
  • Cromme, Gerhard (Hrsg.): Corporate Governance Report 2002, Stuttgart 2002
  • Cromme, Gerhard: „Die Bedeutung des Deutschen Corporate Governance Kodex für die Praxis“, in: Kreditwesen 2002, Seite 502
  • Kirschbaum, Tom/Wittmann, Martin: „Selbstregulierung im Gesellschaftsrecht: Der Deutsche Corporate Governance Kodex“, in: JuS 2005, Seite 1062
  • Henrik-Michael Ringleb, Thomas Kremer, Marcus Lutter, Axel von Werder: Kommentar zum Deutschen Corporate Governance Kodex. Kodex-Kommentar. 3. Aufl., C.H. Beck, München 2008.
  • Hörisch, Felix: Corporate-Governance-Politik in der Bundesrepublik Deutschland, Großbritannien und der Schweiz im Vergleich. München. ISBN 3638710955

Weblinks

Einzelnachweise

  1. jja, Kodex-Erklärung muss stimmen, Frankfurter Allgemeine Zeitung, 28. Januar 2009

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