Dinarischer Karst-Blockhalden-Tannenwald

Dinarischer Karst-Blockhalden-Tannenwald
Paläoendemischer Dinarischer Karst-Blockhalden-Tannenwald ist im Orjen-Gebirge auf glazialen Schichttreppen häufig

Die Vegetation des Karst-Gebirges und der anderen verkarsteten Mittelgebirge entlang der kroatischen Adriaküste ist sehr reich an Pflanzenarten. Ein wichtiger Grund für den Artenreichtum besonders der Waldgesellschaften ist vermutlich, dass das Gebiet in den Eiszeiten nicht vergletschert war, wodurch die Alpen vermutlich eine Vielzahl von Arten und Lebensgemeinschaften verloren haben. Einige Pflanzengesellschaften können als Relikte der tertiären Waldvegetation Europas vor dem Pleistozän aufgefasst werden.

Eine dieser endemischen Waldgesellschaften, die außerhalb der Dinariden fehlt, ist der Karst-Blockhalden-Tannenwald Oreoherzogio-Abietum, der entlang der Adria in Kroatien, Herzegowina und Montenegro vorkommt. Karst-Blockhalden Tannenwälder sind in den regenreichen Dinariden auf extrem bodentrockenen Karst-Standorten oder Blockhalden anzutreffen. Sie weisen einen lockeren Bestandsschluss auf, durch die lichten Baumkronen erreicht also viel Licht den Boden. Wichtigste Bauart ist die Weißtanne, auch die Schlangenhaut-Kiefer kommt öfter vor.

Inhaltsverzeichnis

Dinarischer Tannen-Buchenwald

Dinarischer Tannen-Buchen-Urwald im Orjen

Im Waldtyp des dinarischen Tannen-Kalkbuchenwalds tritt Weißtanne stark hervor. Tannen besitzen ähnliche ökologische Ansprüche wie die Rotbuche, beide Arten sind besonders in den Alpen und den Mittelgebirgen häufig vergesellschaftet. Auf dem unvergletscherten nordwestlichen Balkan, von den Pflanzengeographen nach dem antiken Landschaftsnamen Illyrien genannt, nimmt man eiszeitliche Refugien dieser Wälder an, als das unvergletscherte Europa durch Tundrenvegetation geprägt war und keine Wälder beherbergen konnte. Diese Wälder sind deshalb hier am artenreichsten (floristisches Mannigfaltigkeitszentrum). Der dinarische Tannen-Buchenwald (Abieti-Fagetum dinaricum) ist deshalb sehr artenreich und besitzt viele Charakterarten. Dies gilt auch noch für seine Untergesellschaften. Es sind bisher über 20 Subassoziationen ausgegliedert worden. Die Gesellschaften wurden durch den Vegetationskundler Franz Fukarek eingehend untersucht und beschrieben.

Reinbestände der Weißtanne finden sich in der illyrischen und balkanischen Buchenwaldzone nur auf "nadelholzfördernden" Böden, auf denen die Rotbuche nicht gedeihen kann. Beschrieben sind die Verbände Blechno-Abietetum auf sauren Böden und Oreoherzogio-Abietum (Karst-Blockhalden-Tannenwälder) auf basischen Böden in der hochmontanen Höhenstufe. Die Karst-Blockhalden-Tannenwälder Oreoherzogio-Abietum (syn. Rhamno-Abietum) sind schwerpunktmäßig auf warm-trockenen Hartkalkgesteinen in der Gebirgsstufe der Mittelmeerregion ("oromediterran") verbreitet. Hier ist die bodenbasische Unterlage als tannenfördernd anzusehen, ebenso sind bodenfrische, bodensaure Moder- bis Rohhumusstandorte bevorzugt. Vor allem Schichttreppen und Rundhöcker werden besiedelt. Die Standorte sind stark verkarstet und dem Typus des Glaziokarstes zuzurechnen. Zumeist sind die Standorte in Klimaxgesellschaften des Tannen-Buchenwaldes eingebettet und nehmen nur lokal größere Flächen ein. Schön entwickelt sind diese insbesondere in den Gebirgszügen Velebit und Orjen.

Standorte, Ökologie und Verbreitung

Dinarischer Karst-Blockhalden-Tannenwald im Orjen

Der lichte Karst-Blockhalden-Tannenwald wächst auf der kahlen Unterlage mesozoischer Kalksteine. In Spalten zwischen Steinblöcken bildet sich aus organischem Detritus der Bodentyp Kalkomelanosol. Kennzeichnende Arten sind Krainischen Faulbaum Rhamnus rupestris und Schlangenhaut-Kiefer Pinus leucodermis. Der Waldtyp ist im Velebit, Velež, Prenj, Treskavica, Cincar, Malovan, Njegoš, Vojnik und Orjen verbreitet.

Das Oreoherzogio-Abietum zeichnen meridionale Charakterarten aus. Typisch ist das Vegetations- und Standortmosaik mit Nadelwaldarten, säureliebenden Moosen, artenreicher Kalkflora (z.B. Echter Seidelbast Daphne mezereum) und speziell Kalkfelspionieren (z.B. Braunstieliger Streifenfarn Asplenium trichomanes). Bodenfrischere Felsspalten besiedeln Türkenbundlilie Lilium cattaniae (syn. L. martagon subsp. cattaniae), Hunds-Zahnlilie Erythronium dens-canis, Berg-Baldrian Valeriana montana, Kleb-Kratzdistel Cirsium erisithales. Kennzeichnende Arten sind auch Viburnum maculatum, Lonicera glutinosa, Sorbus aria (Echte Mehlbeere), Berberis illyrica, Juniperus communis var. saxatilis (Zwergwacholder), Saxifraga rotundifolia (Rundblättriger Steinbrech) und Dominanz der Reitgrasarten Calamagrostis arundinacea und Calamagrostis varia. Das Artenspektrum ist zudem aus illyrisch-mitteleuropäisch und oromediterran verbreiteten Arten zusammengesetzt. Durch den aufgelockerten Bestandesschluss dringen außerdem wärmeliebende submediterrane Flaumeichenwaldelemente ein (Sedum boloniense, Doronicum columnae, Rhamnus fallax, Lonicera glutinosa, Paeonia daurica (Krim-Pfingstrose), Schwertlilienarten: Iris pallida, Iris orjenii). Zwei Subassoziationen, eine mit Fichte in Kroatien und eine mit Baumhasel in Montenegro und der Herzegowina, sind beschrieben.

Artenreicher Mischwald warmer Standorte mit Tanne, Linde und Baumhaselnuß
55 m hohe und 1,5 m starke Urwaldtanne (Abies alba) aus dem Orjen in Montenegro
Pfingstrosen-Wald im Orjen
Art Plot 1 Plot 2
Paeonia daurica - Krim-Pfingstrose 4 3
Abies alba - Weiß-Tanne 4 3
Fagus sylvatica - Rot-Buche 4 5
Corylus colurna - Baumhasel 3 0
Ostrya carpinifolia - Europäische Hopfenbuche 0 4
Acer pseudoplatanus - Berg-Ahorn 3 3
Acer intermedium 0 2
Fraxinus excelsior - Esche 3 2
Sorbus aria - Mehlbeere 2 0
Euonymus europaea - Pfaffenhütchen 0 2
Crataegus montanus 2 0
Prunus prostrata - Niederliegende Kirsche 0 2
Lonicera glutinosa 3 0
Rosa pendulina – Alpen-Heckenrose 0 2
Sesleria autumnalis 5 4
Aremonia agrimonoides 2 2
Heracleum sphondylium - Wiesen-Bärenklau 3 0
Asphodelus albus - Weißer Affodill 2 2
Lilium cattaniae (L. martagon subsp. cattaniae) - Türkenbundlilie 2 2
Iris orjenii - Orjen Schwertlilie 0 2
Bryonia dioica – Rotfrüchtige Zaunrübe 2 2
Dentaria enneaphyllos – Quirlblättrige Zahnwurz 2 0
Hedera helix - Efeu 3 0
Tamus communis – Schmerwurz 3 0
Sedum maximum – Große Fetthenne 2 2
Dryopteris filix-mas – Echter Wurmfarn 2 0
Hieracium murorum – Wald-Habichtskraut 0 2
Pteridium aquilinum - Adlerfarn 2 0
Lamium spec. - Taubnesseln 0 2
Anemone nemorosa - Buschwindröschen 2 0
Frangula rupestris 0 2
Viola riviniana – Hain-Veilchen 2 2
Prenanthes purpurea – Hasenlattich 2 0
Polygonatum odoratum – Echtes Salomonssiegel 0 2
Dentaria bulbifera – Zwiebel-Zahnwurz 2 2
Melica nutans – Nickendes Perlgras 2 2
Thalictrum minus – Kleine Wiesenraute 0 2
Crocus dalmaticus 0 2
Cirsium erisithales – Kleb-Kratzdistel 2 0
Sesleria robusta 3 0
Sedum ochroleucum – Ockergelbe Fetthenne 2 2
Rubus idaeus – Himbeere 2 0
Cicerbita alpina – Alpen-Milchlattich 2 0
Rosa spec.- Rosen 0 2
Vicia cracca – Vogel-Wicke 0 2
Convallaria majalis - Maiglöckchen 2 0
Festuca ovina – Schaf-Schwingel 0 3
Fragaria vesca – Wald-Erdbeere 2 0
Myrrhis odorata – Süßdolde 5 0
Asyneuma pichlerii 2 0
Geranium robertianum – Ruprechtskraut 2 0
Galium lucidum 0 5
Thalictrum aquilegifolium – Akeleiblättrige Wiesenraute 0 2

* Syntaxonomische Tabelle supramediterraner Felswälder aus dem Orjen mit Krim-Pfingstrose

Artenreichtum

Paläoendemischer Karst-Blockhalden-Tannenwald glazialer Schichttreppen im Orjen

Typische Arten für den zur Austrocknung neigenden basenreichen Moderboden (Kalkomelanosol) des Verbandes:

C. OREOHERZOGIO-ABIETALIA Fuk. 1969
a) O r e o h e r z o g i o-A b i e t i o n Ht. emend. Fuk.
1. Oreoherzogio-Abietetum Fuk.

· 1. BAUMSCHICHT

Abies alba
Pinus heldreichii
Fagus sylvatica
Corylus colurna
Ostrya carpinifolia
Pinus nigra
Fraxinus excelsior
· 2. STRAUCHSCHICHT
Berberis illyrica
Lonicera glutinosa
Viburnum maculatum
Rhamnus fallax
Sorbus aria
Euonymus europaeus
Rosa pendulina
Juniperus communis var. saxatilis
Sambucus nigra
Cotoneaster integerrimus
Daphne mezereum
Lonicera xylosteum
Frangula rupestris
· 3. KRAUTSCHICHT
Calamagrostis varia
Lilium cattaniae (L. martagon subsp. cattaniae)
Fritillaria gracilis
Cirsium erisithales
Valeriana montana
Scrophularia nodosa
Scrophularia bosniaca
Polygonatum viviparum
Cystopteris fragilis
Arabis turrita
Actaea spicata
Astrantia major
Viola riviniana
Vicia cracca
Arabis hirsuta
Cardamine glauca
Urtica dioica
Paeonia daurica
Muscari botryoides
Satureja montana
Seseli globuliferum
Iberis sempervirens
Myosotis sylvestris
Taraxacum officinalis
Aposeris foetida
Hypericum alpinum
Doronicum columnae

Epilobium montanum

Ononis natrix
Melica nutans
Corydalis ochroleuca
Ceterach officinarum
Sedum boloniense
Cicerbita alpina
Erysimum humile
Stellaria graminea
Verbascum spec.
Lotus alpinus
Saxifraga marginata
Symphytum tuberosum
Asplenium trichomanes
Cardamine glauca
Hieracium murorum
Convallaria majalis
Actaea spicata
Rubus idaeus
Thalictrum aquilegifolium
Thalictrum minima
Potentilla speciosa
Potentilla argentea
Myrrhis odorata
Scilla litardieri
Sesleria robusta
Peucedanum longifolium
Gentiana lutea
Lamium spec.
Aremonia agrimonoides
Polystichum lonchitis
Achillea spec.
Origanum vulgare
Lotus corniculatus
Heracleum sphondylium
Gentiana verna
Luzula luzuloides
Silene spec.
Sedum maximum
Aquilegia dinarica
Moltkia petraea
Asphodelus albus
Asplenium ruta-muraria
Asplenium adiantum-nigrum
Amphoricarpos neumayerii
Ornithogalum umbellatum
Epilobium angustifolium
Biscutella cichorifolia

(Aus ca. 50 Vegetationsaufnahmen im Orjen)

Entwicklung und Sukzession

Der beschriebene Weiß-Tannenwald kommt auf Schichttreppen überwiegend in reinen Wäldern oder zusammen mit Berg-Ahorn, häufiger auch der Baum-Hasel vor. Rot-Buche fehlt zumeist, kommt aber auf angrenzenden Flächen immer vor. Weniger entwickelte Felsstandorte lassen fließende Übergänge zum Tannen-Buchenwald erkennen. Die azonale Dauergesellschaft besiedelt im Karstgebiet spaltengründige Böden steiler Grobblockböden und Schichttreppen (Moder- bis Tangelhumus), die Pionierarten begünstigen. Unter den Moos- und Zwergstrauchdecken erreichen die Wurzeln der Nadelbäume die sich langsam durch Humus auffüllenden Spalten. Im fortgeschrittenen, geschlossenen Phasen werden die Auflagenhumusdecken mineralisiert, so dass dann die Wurzelgeflechte freiliegen. Buchenverjüngung kommt erst bei fortgeschrittener Boden- und Vegetationsentwicklung (Mull bis Moder) im Schirm von Tanne auf, wobei Mulden durch lange Schneelage und in den hohlraumreiche Blockhalden abströmende Kaltluft für die Buche ausscheiden. Grobblockige Steilhalden hemmen die Entwicklung der Buche, während Tanne gegen Schneeschub geschützt und hier weniger durch Schneeschimmel (Herpotrichia nigra) gefährdet ist. Der Wuchs der Weißtanne ist in der Regel gedrungen und zwieselig.

Referenzen

  • Cikovac P.:Soziologie und standortbedingte Verbreitung tannenreicher Wälder im Orjen-Gebirge - Montenegro. Diplomarbeit an der LMU, Department of Geography, München (2002).

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