- Disseminierte intravasale Koagulopathie
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Klassifikation nach ICD-10 D65 Disseminierte intravasale Gerinnung [Defibrinationssyndrom] ICD-10 online (WHO-Version 2011) Eine disseminierte intravasale Koagulopathie (von lat.: disseminiert = "verstreut"; intravasal = "im Gefäß"; Koagulation = Gerinnung) oder DIC (als Abkürzung des englischen Begriffs Disseminated Intravascular Coagulation) ist ein erworbener lebensbedrohlicher Zustand, bei dem durch eine übermäßig stark ablaufende Blutgerinnung im Blutgefäßsystem Gerinnungsfaktoren verbraucht werden und daraus schließlich eine Blutungsneigung resultiert.
Synonym verwendet werden die Begriffe Verbrauchskoagulopathie und Defibrinationssyndrom. Diese Begriffe beschreiben die Pathogenese des Krankheitsbilds nur unvollständig.[1]
Inhaltsverzeichnis
Grundlagen
→ Hauptartikel: Hämostase
Kommt es durch Verletzung von Blutgefäßen zu Blutungen, so wird, um den übermäßigen Austritt von Blut zu vermeiden, ein komplexes System, bestehend aus den Blutplättchen (Thrombozyten), der inneren Auskleidung des betroffenen Blutgefäßes (Gefäßendothel), dem Gewebe außerhalb des Gefäßes sowie im Blutplasma enthaltenen Gerinnungsfaktoren, aktiviert. Dieses bildet die Grundlage für die Wundheilung. Wichtig ist, dass dieser Prozess auf den Ort der Verletzung beschränkt bleibt und nicht fälschlicherweise durch andere Ereignisse wie Entzündungen oder Infektionen ausgelöst wird.
Durch die Verletzung der Gefäßwand wird darunterliegendes Kollagen freigesetzt. An dieses lagern sich Thrombozyten an, die infolgedessen Stoffe freisetzen, die einerseits weitere Thrombozyten anregen sich an die Verletzung anzulagern, und andererseits die so genannte Gerinnungskaskade auslösen. Infolgedessen entsteht ein fester Pfropfen aus Fibrin, der die Wunde verschließt.
Verläuft dieser Prozess unreguliert und im ganzen Körper, so kommt es zur Verbrauchskoagulopathie.
Ursachen und Auslöser
Die Verbrauchskoagulopathie ist keine eigenständige Erkrankung, sondern tritt als zusätzliche Komplikation bei einer Vielzahl unterschiedlicher Krankheitsbilder auf. Sie wird unterschieden in eine akute und eine chronische Form.
Ursachen der akuten Form sind Schock, ausgedehnte Verbrennungen und Polytraumatisierungen in Folge schwerer Unfälle. Weiterhin kann es als Komplikation bei der Geburt, ausgelöst durch septischen Abort, vorzeitige Plazentalösung, Fruchtwasserembolie, Präeklampsie und Eklampsie auftreten. Weitere mögliche Ursachen sind Blutvergiftungen (durch gramnegative Keime, Rickettsiosen, Viruserkrankungen), hämolytische Syndrome, Organnekrosen (akute Pankreatitis, akute Lebernekrose) und Komplikationen chirurgischer Eingriffe, insbesondere an Lunge, Bauchspeicheldrüse, Prostata, Leber und Herz.
Die chronische Form kann als Komplikation der Leberzirrhose, Herzfehler, metastasierende Karzinome, Hämoblastosen (insbesondere akute Leukämien) und angeborene Riesenhämangiome (Kasabach-Merritt-Syndrom) auftreten.
Stadien der DIC
- Pathologische Aktivierung des Gerinnungssystems
- Erkennbares Defizit des Gerinnungspotentials
- Defibrinierung
1. Stadium: Pathologische Aktivierung
Hier ist die unphysiologische Reaktion klinisch und diagnostisch noch kompensiert, das heißt man erkennt noch keine Abweichung von der Norm, obwohl der Fehlprozess schon in Gang gesetzt wurde. TFPI und Antithrombin werden jedoch schon verbraucht.
Eingeleitet wird die Verbrauchskoagulopathie durch die gerinnungsfördernde Wirkung verschiedener Bestandteile der Gerinnungskaskade, welche durch einen abnormal hohen Spiegel körpereigener Botenstoffe wie Histamin, Serotonin und Adrenalin, durch bakterielle Endotoxine oder direkt durch die Zerstörung von Blutplättchen in zu großer Menge freigesetzt werden.
Im Bereich von Blutkapillaren, Venolen und Arteriolen kommt es in der Folge zur Ausbildung kleiner Blutgerinnsel (Mikrothromben), welche diese Blutgefäße verstopfen. Am stärksten gefährdet sind hiervon die stark durchbluteten Organe Lunge, Nieren und Herz, auch die Funktion von Leber und Nebennieren kann stark beeinträchtigt werden.
2. Stadium: Defizit
Jetzt kommt es zu einem deutlichen Abfall von Thrombozyten, Gerinnungsfaktoren und Inhibitoren - sie werden verbraucht. Dies geht einher mit Fibrinolyse und labordiagnostisch erhöhten Werten von Fibrin und Fibrinspaltprodukten (D-Dimer)
Die ungerichtete Gerinnung innerhalb der Gefäße führt zu einem Verbrauch von zur Blutgerinnung nötigen Blutbestandteilen (hier vor allem Mangel an Thrombozyten (Thrombozytopenie), Fibrinogen (Hypofibrinogenämie), Prothrombinkomplexen und den Gerinnungsfaktoren V, VIII und X). Als Konsequenz ist der Organismus nicht mehr in der Lage, beschädigte Blutgefäße eigenständig zu verschließen. Es kommt zu einer Blutungsneigung (hämorrhagische Diathese).
3. Stadium: Defibrinierung
Thrombozyten, Gerinnungsfaktoren und Antithrombin sind jetzt stark vermindert. Es entsteht das Vollbild eines Schocks. Dieser kann entweder mit Multiorganversagen (durch Embolien/Thromben) oder Blutungsneigung einhergehen oder nur mit beiden, da jetzt die Gerinnungsfaktoren fehlen um Thromben zu bilden aber auch die gerinnungshemmenden Faktoren verbraucht sind.
Frische Wunden verschließen sich nicht mehr. Es kommt zu verstärkten Nachblutungen nach operativen Eingriffen. Es treten spontan Blutungen auf, d.h. Blutungen ohne entsprechende Verletzung zum Beispiel in Haut und Schleimhäuten, Magen, Darm, Nieren und Gehirn.
Therapie und Prophylaxe
Ist der Kreislauf von Blutung (oder sonstiger Auslöser) → Blutgerinnung → Verbrauch von Gerinnungsmaterial → Blutungsneigung → Blutung erst einmal in Gang, dann ist es schwer ihn zu unterbrechen. Um eine Verbrauchskoagulopathie zu verhindern wäre es theoretisch notwendig, bei entsprechend gefährdeten Patienten eine überschießende Gerinnung durch Heparin zu vermeiden.
Ein positiver Effekt durch Heparin wurde jedoch für die DIC in Studien nicht nachgewiesen, es wird daher nur zur Thromboseprophylaxe aber nicht zur Therapie oder Prophylaxe der DIC empfohlen. Bei schwerer Sepsis mit Mehrorganversagen kann aktiviertes Protein C gegeben werden. Bei Blutungen können gefrorenes Frischplasma oder auch Einzelfakoren (z. B. Faktor XIII, AT III, rekombinanter Faktor VIIa) und bei schwerer Thrombozytopenie auch Thrombozytenkonzentrate eingesetzt werden. Heparin sollte im Falle einer Blutungskomplikation nicht mehr eingesetzt werden.[2]
Am wichtigsten ist jedoch die Beherrschung der zugrundeliegenden Störung (z. B. adäquate Therapie einer Sepsis, Schocktherapie).
Laborparameter
Die wichtigsten Laborparameter sind demnach D-Dimer, Thrombozytenzahl und INR, sowie Fibrinogen, welche anhand eines DIC-Score einen Wert von ≥ 5 bei einer möglicherweise manifesten und < 5 bei einer nicht manifesten DIC erreichen. Diese Werte müssen aber in Kombination mit der zugrunde liegenden Erkrankung betrachtet werden.
Einzelnachweise
- ↑ Dimitrios A. Tsakiris: Ursachen und Pathogenese der disseminierten intravasalen Gerinnung (DIC). Schweiz Med Forum 2004;4:1109–1112. Online-Version
- ↑ C.-E. Dempfle, M. Borggrefe: Disseminierte intravasale Gerinnung. Intensivmed 43:103-110 (2006)
Quellen
- Adam Brochert: Pathologie I von Fall zu Fall. Elsevier, Urban & Fischer Verlag 2005, S. 46ff
- Hans Peter Schuster: Diagnostik und Intensivtherapie bei Sepsis und Multiorganversagen. Springer Verlag 2006, S.70ff
- Harald Renz: Praktische Labordiagnostik : Lehrbuch zur Laboratoriumsmedizin, klinischen Chemie und Hämatologie. Berlin [u.a.]: de Gruyter; 2009 S. 150ff
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