- Durchmusterung
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Als Durchmusterung (nach dem Englischen auch Survey) wird in der Astronomie eine systematische Durchsuchung des gesamten Himmels oder eines größeren Teils davon nach bestimmten Objekten und bis zu einer definierten Grenzhelligkeit bezeichnet.
Das Ergebnis einer Himmelsdurchmusterung nach Sternen ist in der Regel ein Sternkatalog, doch kann auch die systematische Erfassung von Veränderlichen oder Doppelsternen das Ziel sein. Andere Objekte von Durchmusterung sind Sternhaufen, Nebel, Galaxien oder Kleinplaneten.
Von Hipparch zur Kometen- und Himmelspolizei
Die ersten Sternkataloge entstanden bereits in der Antike, u. a. durch Hipparch (135 v. Chr.) und Ptolemäus (um 150 n. Chr.). Hipparchs Katalog wurde wahrscheinlich durch eine Supernova veranlasst und umfasste bereits 800-1000 Fixsterne, also rund die Hälfte der freiäugig sichtbaren Sterne. Die von beiden Astronomen und ihrem Vorgänger Aristyllos vermessenen Sternörter erlaubten ihnen, bereits gute Werte für die Präzession der Erdachse zu bestimmen. Ptolemäus hat sein Sternverzeichnis in den 8. und 9. Band des Lehrbuchs Almagest übernommen, wodurch es auf dem Umweg über Arabien im Frühmittelalter auch europäischen Astronomen zugänglich wurde.
Genauere Himmelsdurchmusterungen erfolgten erst nach der Erfindung des Fernrohrs. Große Bedeutung erhielt jene von Flamsteed (Greenwich) im letzten Viertel des 17. Jahrhunderts. Sie wurde zum Ausgangspunkt einer langen Reihe von Sternkatalogen, denen die Astronomie bis heute ihre meßtechnischen Grundlagen verdankt. Die Sternwarte zu Greenwich wurde ja u. a. gegründet, um durch genaue Sternörter die nautische Navigation und damit die Schifffahrt zu sichern. Gegen Mitte des 18. Jahrhunderts führten Bradley und seine Assistenten weitere umfangreiche Beobachtungsreihen durch, die Bessel später nochmals bearbeitete und 1818 in seine „Fundamenta Astronomiae" aufnahm.
Am bekanntesten wurde jedoch die Bonner Durchmusterung (ab 1855), die weiter unten behandelt wird.
Im 18. Jahrhundert entstanden auch Kataloge von Doppelsternen, Veränderlichen und Nebeln - u. a. durch Wilhelm Herschel und seine Schwester ab etwa 1780 (848 Doppelsterne bzw. 2500 neblige Objekte). Zuvor hatte schon der französische Astronom Charles Messier (1730–1817) alle im kleinen Fernrohr sichtbaren Sternhaufen und Nebel katalogisiert. Nach 18-jähriger Arbeit erschien sein Messier-Katalog mit 110 Objekten, der bis heute von Amateurastronomen verwendet wird. Er ist auch die Basis für einen manchmal ausgeführten Wettbewerb, den Messier-Marathon (alle 110 Objekte in nur einer Nacht mit dem Fernrohr aufzusuchen). Der Anlass zu diesem Katalog war allerdings Messiers Suche nach neuen Kometen, bei der die vielen Gasnebel der Milchstraße zu manchem „Fehlalarm“ führten.
Der für die Fachastronomen wichtigste Nebel-Katalog ist hingegen der New General Catalogue (NGC) aus den 1880er-Jahren mit 7840 Objekten. Er wurde später durch den Indexkatalog (IC) erweitert und im 20. Jahrhundert u. a. durch den Palomar Sky Survey (POSS).
Eine Durchmusterung besonderer Art war die Himmelspolizey, in der sich im Jahr 1800 etwa ein Dutzend europäische Sternwarten für die systematische Suche nach Kleinplaneten zusammenschlossen, die man richtigerweise zwischen Mars- und Jupiterbahn vermutete. Bis 1807 wurden vier dieser „Asteroiden“ entdeckt, heute kennt man aus automatischen CCD-Durchmusterungen bereits einige Hunderttausend davon.
Bonner Durchmusterung und neuere Projekte
Zur astrometrischen Grundlage vieler Jahrzehnte wurde schließlich die Bonner Durchmusterung (BD), die 1852 bis 1862 vom Astronomen Friedrich Wilhelm Argelander und seinen Assistenten visuell durchgeführt wurde. Sie erfasste 325.037 Sterne im Deklinationsbereich zwischen 89° und −2° bis zur scheinbaren Helligkeit 9,5. Wegen des ungeheuren Umfangs der Aufgabe beschränkte man sich auf eine Genauigkeit im Bereich einiger Winkelsekunden. Die Katalogsterne wurden auch als Himmelsatlas mit 36 Blättern für den Nordhimmel publiziert.
Argelanders Nachfolger Eduard Schönfeld erweiterte die Bonner Durchmusterung 1875 bis 1881 um die Südliche Durchmusterung, die mit 134.000 Sternen bis fast zum Südhorizont von Bonn reichte. Für den gesamten Südhimmel folgte schließlich die Córdoba-Durchmusterung (CD), benannt nach der argentinischen Sternwarte in Córdoba. Sie reicht sogar bis zur Grenzgröße 10,0 mag und umfasst daher mit 578.000 Sternen zwischen −22° und −89° Deklination um etwa 40% mehr Sterne pro Grad als ihr Bonner Vorbild.
Später organisierte die Astronomische Gesellschaft kooperative Durchmusterungen mehrerer Sternwarten, um daraus den AGK2-Katalog – und später den AGK3 – zu erarbeiten. Die Zahl der Sterne war jener der Bonner und Córdoba-Durchmusterung vergleichbar, die Genauigkeit aber wesentlich höher. Moderne Sternkataloge beruhen inzwischen überwiegend auf astrofotografischen Aufnahmen des Himmels, die mit hochpräzisen Fundamentalsternen zu einem einheitlichen System vereinigt werden.
Die derzeit genaueste Durchmusterung stammt vom Hipparcos-Satelliten, der in Jahren vor 2000 den Himmel mit einem Spiegelteleskop in zwei verschiedenen Genauigkeiten aufnahm. Das Ergebnis ist der Hipparcos-Katalog mit 108.000 Sternen (je ±0,002") und der Tycho-Katalog mit 2 Millionen Sternen auf ±0,02". Diese Himmelsvermessung soll 2011 mit der in Planung befindlichen Gaia-Mission verfeinert werden.
Heute versteht man unter dem Begriff „Durchmusterung“ weniger die Katalogisierung von Sternen als vielmehr die systematische Suche nach nicht-stellaren Himmelsobjekten. Wichtige Projekte sind z.B. periodische automatische Durchmusterungen des Himmels nach erdnahen Asteroiden (near earth objects, NEA). Mehrere Schwerpunkte gelten auch der Durchmusterungen in kurz- und langwelligen Bereichen des elektromagnetischen Spektrums, wie die Suche nach Röntgenquellen, Galaxienhaufen oder Quasaren. Hingegen erfolgt die Suche nach Exoplaneten nicht systematisch über den ganzen Himmel, sondern konzentriert sich auf einzelne „verdächtige“ Sterne der Sonnenumgebung.
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