- Sarmaten
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Die Sarmaten (auch: Sauromaten) waren eine Stammeskonföderation von iranischen Reitervölkern, die von antiken Schriftquellen erstmals für das Jahr 513 v. Chr. erwähnt werden. Die Sauromaten bzw. Sarmaten waren offensichtlich mit den Skythen verwandt und siedelten zwischen dem 6. Jahrhundert v. Chr. und dem 4. Jahrhundert n. Chr. im Steppengebiet der späteren südrussischen und ukrainischen Gebiete, das vormals von den Griechen und später von den Römern als „Sarmatien“ bezeichnet wurde. Hier verdrängten bzw. ersetzten die Sarmaten ab dem 3. Jahrhundert v. Chr. die Skythen, was zahlreiche Grabfunde beweisen. Die Sprache der Sarmaten gehört zur nordost-iranischen bzw. mitteliranischen Gruppe der indoeuropäischen Sprachfamilie und lebt noch heute bei der Volksgruppe der Osseten im Kaukasus weiter. Ab 370 n. Chr. zerfiel das lockere Bündnis der sarmatischen Teilstämme beim Vordringen der Hunnen aus dem Osten und der dadurch ausgelösten Völkerwanderung nach Westen.
Inhaltsverzeichnis
Geschichte
Der sowjetische Historiker Boris D. Grekov definierte 1947 anhand von Kurgan-Gräberfunden eine einheitliche Kultur von Steppen-Nomaden, die sich vom Schwarzen Meer bis östlich der Wolga erstreckte, mit den Hauptfundstätten in den Ortschaften Kardaielova und Chernaya am Ural-Fluss. Grekovs Zeiteinteilung stimmt mit den meisten antiken Quellen überein und gilt heute noch als Orientierung:
- Sauromaten (6. bis 5. Jahrhundert v. Chr.)
- Frühe Sarmaten (4. bis 2. Jahrhundert v. Chr.)
- Mittlere Sarmaten (spätes 2. Jahrhundert v. Chr. bis spätes 2. Jahrhundert n. Chr.)
- Späte Sarmaten (spätes 2. bis 4. Jahrhundert n. Chr.)
Antike Schriften benutzen die Bezeichnungen „Sauromaten“ und „Sarmaten“ in unterschiedlicher Weise: zum Teil ist dasselbe Volk gemeint (griechischer / lateinischer Name), zum Teil werden damit zwei Volksgruppen unterschieden, wobei die eine der anderen nachfolgen soll. Als glaubhaft gilt heute, dass Sauromaten Vorfahren der Sarmaten waren, vielleicht ihr eigener früherer Name.
Der griechische Geschichtsschreiber Herodot berichtet, dass die Sauromaten den benachbarten Skythen um 513 v. Chr. gegen die angreifenden Perser unter Dareios I. beistanden. Zu diesem Zeitpunkt war das Verhältnis zwischen den beiden Volksgruppen offenbar friedlich.
Die Sauromaten-Kultur wandelte sich im Verlauf des 4. Jahrhunderts v. Chr.. Wahrscheinlich wurde das Weideland für die Steppen-Nomaden knapp, als neue Gruppen vom Ural-Gebirge und aus der Taiga zu den Sauromaten stießen, unter ihnen die Massageten, die wiederum mit den Saken verbündet waren. Durch gesellschaftliche Veränderungen sowie Abwanderung formierten sich nun die Sarmaten. Am Fluss Ilek im Südural wurden in Kurgan-Hügeln reich ausgestattete Gräber gefunden, offensichtlich für Angehörige der Elite. Es wird vermutet, dass in dieser Region ein Zentrum der Sarmaten lag.
Herodot vermerkte in seinen „Historien“ (4.21-117), die Sauromaten seien aus der Vermischung einer Gruppe von Skythen mit den Amazonen entstanden. Dies könnte mit einer hohen Stellung sowie kämpferischen Ausstattung von Frauen in der frühen sarmatischen Gesellschaft zusammenhängen, wie weibliche Kurgan-Gräber mit Waffenbeigaben und wertvoller Ausstattung belegen. So berichtet der makedonische Schriftsteller Polyainos um 165 n. Chr., wie die sarmatische Königin Amage im 3. Jahrhundert v. Chr. eigenhändig den Herrscher der Krim-Skythen besiegte.
Sarmatische Stämme überfielen oft das angrenzende Römische Reich, später wurden sie häufig als Auxiliariae (Hilfstruppen) angeworben und kämpften als schwere Kavallerie in verschiedenen römischen Legionen. Der römische Geschichtsschreiber Cassius Dio (155–235) berichtete, wie der sarmatische Stamm der Jazygen 175 n. Chr. im 1. Markomannenkrieg an der nördlichen Mündung des Donau-Flusses am Schwarzen Meer eine Niederlage gegen die Römer erlitt. Im Rahmen des folgenden Waffenstillstands verlangte Kaiser Marc Aurel vom jazygischen König Zanticus 8000 Mann Reitertruppen als Geiseln, wovon 5500 sofort in die römische Provinz Britannia verlegt wurden. In Bremetennacum (Ribchester, Lancashire) wurden diese Sarmaten als Hilfstruppen der römischen Legion VI Victrix zum Schutz des Hadrianswalls gegen die schottischen Pikten stationiert.
Ab dem 3. Jahrhundert wurden Sarmaten im ganzen römischen Reich angesiedelt, kämpften mit ihren schwer gepanzerten Kataphrakten in römischen Armeen und erwarben oft die römische Staatsbürgerschaft. Das römische Staatshandbuch „Notitia Dignitatum“ (zw. 425 und 433 n. Chr.) nennt allein 18 Zentren sarmatischer Siedlungen in Gallien und Italien. Auch in Thüringen finden sich Ansiedlungen von Sarmaten. Sarmatische Truppen wurden auch am Niederrhein stationiert, z. B. im römischen Kastell Gelduba am Ort des heutigen Krefeld. Nahe Budapest wurde ein Zentrum später sarmatischer Keramik gefunden.
Bewaffnung und Ausrüstung
Gefürchtet waren die sarmatischen gepanzerten Lanzenreiter, die beidhändig bis zu 4 Meter lange Stoßlanzen benutzten und einen Prototypen des mittelalterlichen Ritters darstellen. Auch berühmt waren die berittenen Bogenschützen der Sarmaten, die mit Reflexbögen von großer Reichweite und Durchschlagskraft sogar rückwärts gewandt schießen konnten (siehe Parthisches Manöver). Eine wirkungsvolle Taktik der sarmatischen Stämme war es, ihre Gegner durch Scheinrückzüge in Hinterhalte zu locken.
Groß war der Einfluss der Sarmaten auf das späte römische Heer, das bis dahin über keine schwere Kavallerie verfügte. So gehen nicht nur die schwergepanzerten römischen Kataphrakte auf sarmatische Vorbilder zurück, sondern auch die spätrömische Contus-Lanze sowie Helm-Arten wie der Spangenhelm. Die Dracostandarte, ein Feldzeichen der römischen Kavallerie in Form einer Schlange mit Drachen- oder Wolfskopf, findet sich bereits auf Abbildungen von sarmatischen Reitern.
Sarmatische Stämme
Die Sarmaten im Ganzen waren kein einheitliches Volk, sondern setzten sich aus zahlreichen Volksgruppen und Teilstämmen zusammen, verbunden durch einen gemeinsamen Kulturhorizont:
Die Aorsen waren der größte Stamm unter den Sarmaten. Nach ihrer Abspaltung von der sarmatischen Stammeskonföderation siedelten die Aorsen nördlich des Bosporanischen Reiches und eroberten fast die ganze Ukraine, Weißrussland und das Gebiet Russlands bis nach Nowgorod. Im 3. Jahrhundert n. Chr. wurden sie von den Goten endgültig geschlagen.
Die Jazygen (lat. Iazyges) waren ursprünglich westlich des Don an der Schwarzmeerküste beheimatet. Ihre Ansiedlung zwischen Donau und Theiß im 1. Jahrhundert wurde zusätzlich von Rom gefördert, um einen Keil zwischen germanisches und dakisches Territorium zu treiben. 5500 Mann ihrer Reitertruppen wurden in römischen Diensten in Britannien stationiert. Der ungarische König Béla IV. förderte noch im 13. Jahrhundert die Ansiedlung von Jazygen in der dünn besiedelten Steppe (heute Jászság) östlich von Budapest, um die Hauptstadt besser vor Angriffen der Mongolen zu schützen.
Die Alanen sind ab dem 2. Jahrhundert v. Chr. im nördlichen Kasachstan und im Nordosten des Kaspischen Meeres fassbar, zogen dann ab der Mitte des 1. Jahrhunderts n. Chr. in die südrussischen Steppen zwischen Wolga und Don. Sie existierten als eigener Stammesverband länger als die Sarmaten und nahmen in späterer Zeit auch andere Kulturelemente auf. Im 9. Jahrhundert entstand im Kuban-Gebiet und im Nordkaukasus der Staat Alanien, der nach einigen Jahrzehnten von byzantinischen Missionaren christianisiert wurde. Mit dem Einfall der Mongolen im 13. Jahrhundert wurde dieses alanische Königreich zerschlagen und einige tausend Alanen nach Ungarn vertrieben.
Die Roxolanen waren ursprünglich westlich des Don in den Steppen der heutigen Ukraine beheimatet. Ab dem 1. Jahrhundert n. Chr. siedelten sie nördlich der Donau und überfielen wiederholt die römische Provinz Moesia.
Die Siraken waren zahlenmäßig einer der kleineren sarmatischen Stämme und ursprünglich in Kasachstan ansässig. Im 5. Jahrhundert v. Chr. wanderten sie in die Gebiete nördlich des Schwarzen Meeres ein und siedelten sich im späten 4. Jahrhundert v. Chr. zwischen Don und Kaukasus an, wo sie schließlich die Herrschaft über das Kuban-Gebiet erlangten. Die Siraken hatten lebhafte Beziehungen mit dem Bosporanischen Reich und viele von ihnen gaben ihren halbnomadischen Lebensstil auf, wurden sesshaft und übernahmen die griechische Kultur und Sprache.
Die Maioten waren im Gegensatz zu den nomadisierenden Sarmaten-Stämmen sesshafte Ackerbauern, unter anderem auf der russischen Halbinsel Taman und im Gebiet des Kaukasus, ebenfalls stark von der griechischen Kultur beeinflusst.
Neben den aufgeführten Volksgruppen gab es noch die Massageten, die Saken sowie zahlreiche kleinere sarmatische Stämme (dazu gehörten möglicherweise auch die Boraner).
Gegenwartsbezüge
Die heutigen Osseten im Nordkaukasus sind sprachlich, ethnisch und kulturell die direkten Nachfahren des sarmatischen Stammes der Alanen.
Einige Forscher führen die Bezeichnung Rus als alten Namen Russlands und der Russen bzw. Ras als alten Namen Serbiens und der Serben auf den alanischen Teilstamm der Ruchs-as oder auf die sarmatischen Roxolanen zurück. Diese Rukhs-as-Theorie wird aber allgemein abgelehnt und Rus als Bezeichnung der Wikinger in Russland identifiziert.
Als denkbar gilt die Herkunft des Namens der Serben (Srb) und der Kroaten Hrvat (Houravat, Houravati) von sarmatischen Stämmen.[1] Ein direkter Zusammenhang der Ethnogenese südslawischer Völker mit sarmatischen Stämmen wurde jedoch schon im 19. Jahrhundert bezweifelt und teilweise widerlegt.[2]
Als nationaler Mythos leben die Sarmaten auch in Polen fort. Der Sarmatismus war in der Frühen Neuzeit für das Zusammengehörigkeitsgefühl des polnischen Volkes von ähnlicher Bedeutung wie die Germanen für die Deutschen. Hierzu trug auch ein Buch des Italieners Alexander Guagnini bei, das als Beschreibung des sarmatischen Europas bekannt ist und erstmals 1578 in Krakau gedruckt wurde. Es enthielt aus nicht nachvollziehbaren Quellen lateinische Beschreibungen der Länder Osteuropas, ihrer Geschichte, Geografie, Religion und Überlieferungen. 1611 erschien eine ins Polnische übersetzte erweiterte Version.
Die Geschichte der sarmatischen Hilfstruppen und ihres Kommandanten diente als Hintergrund für den Roman Die Reiter der Sarmaten (Island of Ghosts, 1992) von Gillian Bradshaw.
Im Kinofilm King Arthur führt ein römischer Kommandant namens Artorius Castus im Jahr 467 am britannischen Hadrianswall die letzten 6 verbliebenen sarmatischen Ritter zunächst auf eine Mission in das feindliche Pikten-Gebiet und schließlich zusammen mit den Pikten unter ihrem Anführer Merlin in die große Schlacht gegen die eindringenden Sachsen.
Sarmaten und Artus-Legende
Der US-amerikanische Anthropologe und Mythologie-Forscher Scott Littleton hat in verschiedenen Veröffentlichungen aufgezeigt, dass es historische Zusammenhänge zwischen den Artus-Erzählungen und der Anwesenheit von sarmatischen Reitern in Britannien geben könnte. Er nimmt an, dass die Geschichten um die Ritter der Tafelrunde auch auf die schwergepanzerten sarmatischen Lanzenreiter zurückgeht. Littleton weist auf zahlreiche Parallelen zwischen Elementen der Artus-Legende und den älteren sarmatischen Narten-Mythen. Ende des 2. Jahrhunderts waren Reiter des sarmatischen Teilstamms der Alanen als römische Hilfstruppen in Gallien anwesend, wo sich später die Legenden um den Tafelrunden-Ritter Lancelot entwickelten.
Siehe auch
Literatur
- Claus von Carnap-Bornheim (Hrsg): Kontakt, Kooperation, Konflikt – Germanen und Sarmaten zwischen dem 1. und dem 4. Jahrhundert nach Christus. Wachholtz, Neumünster 2003, ISBN 3-529-01871-6. (Internat. Kolloquium des Vorgeschichtl. Seminars der Philipps-Universität Marburg, 1998)
- Urs Müller: Der Einfluss der Sarmaten auf die Germanen. P. Lang, Bern 1998, ISBN 3-906759-17-2. (Dissertation 1996)
- Ursula-Barbara Dittrich: Die Beziehungen Roms zu den Sarmaten und Quaden im 4. Jahrhundert n. Chr. (nach der Darstellung des Ammianus Marcellinus). Habelt, Bonn 1984, ISBN 3-7749-2117-2.
- André Sikojev (Hrsg): Die Narten, Söhne der Sonne – Mythen und Heldensagen der Skythen, Sarmaten und Osseten. Diederichs, Köln 1985, ISBN 3-424-00849-4.
- Reinhard Schmoeckel: König Chlodwig war kein Franke: Frankreichs und Deutschlands sarmatische Wurzeln (Taschenbuch), ISBN 978-3837033304
- Englisch
- Richard Brzezinski, Mariusz Mielczarek, Gerry Embleton: The Sarmatians, 600 B.C.-A.D. 450. Osprey Pub., Oxford 2002, ISBN 1-84176-485-X. (grundlegendes Werk)
- Jeannine Davis-Kimball, Vladimir A. Bashilov, Leonid T. Yablonsky (Hrsg.): Nomads of the Eurasian Steppes in the Early Iron Age. Zinat Press, Berkeley 1995, ISBN 1-885979-00-2. (grundlegendes Werk)
- Davis-Kimball, Jeannine. 2002. Warrior Women: An Archaeologist's Search for History's Hidden Heroines. Warner Books, New York. first Trade printing, 2003. ISBN 0-446-67983-6 (pbk).
- Tadeusz Sulimirski, The Sarmatians (vol. 73 in series "Ancient People and Places") London: Thames & Hudson/New York: Praeger, 1970.
- Alexander Guagnini (1538–1614), Sarmatiae Europeae descriptio, Spira 1581.
- Bruno Genito, 1988, The Archaeological Cultures of the Sarmatians with a Preliminary Note on the Trial-Trenches at Gyoma 133: a Sarmatian Settlement in South-Eastern Hungary (Campaign 1985), Annali dell'Istituto Universitario Orientale di Napoli, Vol. 42, pp. 81–126. Napoli.
Weblinks
Commons: Sarmaten – Album mit Bildern und/oder Videos und Audiodateien- Jeannine Davis-Kimball: Statues of Sauromatian and Sarmatian Women (USA 2001)
- Silkroad Foundation: The Women Warriors - the Sarmatians (Universität Michigan 2000)
- J. Harmatta: Studies in the History and Language of the Sarmatians (Universität Budapest 1999, e-book online)
Einzelnachweise
- ↑ Iran Chamber Society: History of Iran - Common Origin of Croats, Serbs and Jats
- ↑ Paul Joseph Schaffarik (Šafárik), Über die Abkunft der Slawen. Ofen 1828
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