Dux Mogontiacensis

Dux Mogontiacensis

Der Dux Mogontiacensis (wörtlich: „Heerführer der Mainzer Region“) war ein hoher Offizier in der spätantiken Armee des Weströmischen Reiches und Oberkommandierender des Grenzheeres (Limitanei) in der Provinz Germania prima.

Die Tabula Peutingeriana zeigt die Kastelle des Dux Mogontiacensis am oberen Bildrand

Inhaltsverzeichnis

Geschichtlicher Überblick

Um das Jahr 300 ordnete Diokletian (284–305) die Provinzen neu und trennte die zivile und militärische Verwaltung. Seit der Mitte des 4. Jahrhunderts kam es wiederholt zu Einfällen der Alamannen, die zeitweilig linksrheinische Gebiete und Garnisonen besetzten.[1] Das Feldheer unterstand dem Comes per utramque Germaniam.[2] Die Grenzverteidigung in der Provinz Germania prima oblag ursprünglich dem dux Germaniae primae.[3] Gegen Ende des 4. Jahrhunderts wurde das Kommando unter dem dux Mogontiacensis, der dem römischen Ritterstand[4] angehörte, und dem comes (tractus) Argentoratensis mit Sitz in Mainz bzw. Straßburg aufgeteilt.[5]

Kaiser Valentinian I. (364–375) ließ seit 369 noch einmal ein umfassendes Befestigungsprogramm am Donau-Iller-Rhein-Limes durchführen und die Garnisonsorte des Mainzer Dukats befestigen oder neu errichten. Die neuen Limitaneinheiten wurden offenbar aus infanteristischen Legiones palatinae (Garde) und Comitatenses sowie Auxilia palatina des gallischen Feldheeres herausgelöst und an den Rhein verlegt. Die einzelnen Einheiten hatten eine Mannschaftsstärke von etwa 400 Mann.[6] Nach anderer Auffassung wurde das Mainzer Dukat erst 396 von Stilicho, anlässlich einer Reise an den Rhein[7] oder möglicherweise nach dem Germaneneinfall von 406/407 errichtet.[8]

Der Amtsbereich des dux Mogontiacensis umfasste die Rheingrenze zwischen Seltz und Andernach.[9] Das Amt wird nur in der Notitia Dignitatum[10] erwähnt. Er unterstand dem Magister Peditum (Oberbefehlshaber der Infanterie) des Westreiches.[11] Am kaiserlichen Hof zählte der Dux zur höchsten Rangklasse der viri spectabiles.

In der älteren Forschung wurde zumeist die Auffassung vertreten, dass die römische Grenzverteidigung im Bereich des Mainzer Dukats durch die eindringenden Vandalen, Alanen und Sueben im Jahr 406/407 weitgehend vernichtet war und die verbliebenen Einheiten dem Feldheer eingegliedert wurden. In der jüngeren Forschung wird zum Teil die Meinung geäußert, dass die römische Verwaltung, gestützt auf burgundische Föderaten, bis zur Mitte des 5. Jahrhunderts, möglicherweise bis zum Ende des Weströmischen Reiches 476/480 existierte.[5]

Verwaltungsstab

Das Officium (Verwaltungsstab) des Dux umfasste folgende Ämter:[12]

  • Princeps ex officiis magistrorum militum praesentalium alternis annis. (Kanzleileiter, der vom Magister Militum jährlich ernannt wurde)
  • Numerarius a parte peditum semper. (Kassenführer aus der Armee)
  • Commentariensis a parte peditum semper. (Buchführer, Rechtskundiger aus der Armee)
  • Adiutor. (Helfer)
  • Subadiuva. (untergeordnete Helfer)
  • Regerendarius. (Verwaltung)
  • Exceptores. (Juristen)
  • Singulares et reliqui officiales. (Garde und sonstige Beamte)

Kastelle und Einheiten

Notitia Dignitatum: Die Kastelle und Festungsstädte Salectium (Saletium, Seltz), Tabernae (Rheinzabern), Vicus Iulius (Germersheim), Nemetum (Speyer), Altaripa (Altrip), Vangionum (Civitas Vangionum, Worms), Mogontiacum (Mainz), Bingium (Bingen), Bodobrica (Boppard), Confluentes (Koblenz) und Antonaco (Antunnacum, Andernach), die unter dem Kommando des Dux Mogontiacensis standen.[12]

Neben einem Verwaltungsstab standen noch elf Präfekten und ihre dazugehörigen Limitaneitruppen zur Verfügung (sub dispositione) des Dux Mogontiacensis.[12] Die Truppenliste stellt wahrscheinlich den Zustand unter Konstantin III. (407–411) oder Constantius III. (seit 412 der eigentliche Regent) dar.[8] Die Herkunft der Truppen ist ebenso wie die Stationierungszeit in der Forschung umstritten.

  • Praefectus militum Pacensium in Saletium. Diese Einheit ging aus der Legio I Flavia Pacis hervor.[13] Sie ersetzten möglicherweise bald nach 407 die von Valentinian I. um 370 an den Rhein verlegten milites Cornacenses,[14] die ihrerseits aus Teilen der in Cornacum (Sotin) stationierten equites Dalmatae, die unter dem Befehl des dux Pannoniae standen, hervorgegangen waren.[15]
  • Praefectus militum Menapiorum in Tabernae. Die Milites Menapii gingen aus den comitatensischen Menapii seniores, die unter dem Befehl des magister equitum Galliarum[16] standen, hervor.[14]
  • Praefectus militum Anderetianorum in Vicus Iulius. Von Konstantin III. (407–411) um 408 an den Rhein verlegt,[17] ersetzten sie die von Valentinian I. in Pfortz stationierten Portisienses[14].
  • Praefectus militum Vindicum in Nemetum. Die Muttereinheit der Milites Vindices ist in den Vindices,[18] einem Auxilium palatinum des Magister Militum des Ostreiches, zu sehen.[14] Sie konnte bis mindestens 422/423 in Speyer nachgewiesen werden.[17]
  • Praefectus militum Martensium in Alta Ripa. Die Milites Martenses gingen vermutlich aus den pseudocomitatensischen Martenses seniores/iuniores, die unter dem Befehl des des magister equitum Galliarum[16] standen[14], möglicherweise auch aus der Legio I Flavia Martis[17] oder Legio I Martia[15], hervor.
  • Praefectus militum Armigerorum in Mogontiacum. Die Milites Armigeri wurden möglicherweise aus den Armigeri propugnatores seniores oder iuniores, zwei Legiones palatinae[16] des Comes Africae oder aus den comitatensischen Armigeri defensores seniores[16] des magister equitum Galliarum[16] gebildet.[14] Auch die Legio XXII Primigenia kommt als Ursprungseinheit in Betracht.
  • Praefectus militum Bingensium in Bingium. Die Milites Bingenses sind vermutlich aus den Bingenses des gallischen Feldheeres[14] oder aus einem Detachement der Legio XXII Primigenia hervorgegangen.[20]
  • Praefectus militum Balistariorum in Bodobrica. Die Milites Ballistarii gingen aus den comitatensischen Ballistarii, die unter dem Befehl des des magister equitum Galliarum[16] standen, hervor.[14]
  • Praefectus militum Defensorum in Confluentes. Die Milites Defensores gingen aus den pseudocomitatensischen Defensores seniores oder Defensores iuniores, die unter dem Befehl des des magister equitum Galliarum[16] standen, hervor.[14]
  • Praefectus militum Acincensium in Antunnacum. Die Milites Acincenses sind vermutlich aus den Acincenses des magister equitum Galliarum[14] oder direkt aus der Legio II Adiutrix, benannt nach dem Garnisonsort Aquincum, hervorgegangen.[15]

Daneben bestanden weitere Kastelle, wie Alteium (Kastell Alzey), in denen Foederaten (Verbündete) stationiert waren, die jedoch als nicht-römische Truppen in der Notitia Dignitatum nicht genannt wurden.

Epigraphische Quellen

Bildet die Notitia Dignitatum die einzige Quelle für den Dux Mogontiacensis, so sind die Acincenses, Martenses, Menapii, Secundani und Vindices auch epigraphisch durch Ziegelstempel belegt. Daneben sind zwei Truppennamen auf Stempeln erhalten, deren Namen nicht in der Liste des Mainzer Dux erscheinen: die Cornacenses und eine Einheit, die mit Portis stempelt, und deren Name mit milites Portisienses aufgelöst wird. Auch die nicht in der Notitia genannte Legio XXII Primigenia ziegelte noch in der Spätantike im Bereich des Mainzer Dukats.[21]

Literatur

Weblinks

Einzelnachweise

  1. Ralf Scharf: Der Dux Mogontiacensis und die Notitia Dignitatum, S. 17–22.
  2. Ralf Scharf: Der Dux Mogontiacensis und die Notitia Dignitatum, S. 28–35.
  3. Notitia Dignitatum Occ. I. und V.
  4. Ralf Scharf: Der Dux Mogontiacensis und die Notitia Dignitatum, S. 10.
  5. a b Tagungsbericht zu dem internationalen Kolloquium „Römische Legionslager in den Rhein- und Donauprovinzen – Nuclei spätantikfrühmittelalterlichen Lebens?“, Bayerische Akademie der Wissenschaften, 2006, PDF (353 KB).
  6. Ralf Scharf: Der Dux Mogontiacensis und die Notitia Dignitatum, S. 37–43.
  7. Denis van Berchem: On some chapters of the Notitia Dignitatum relating to the defence of Gaul and Britain. In: American Journal of Philology 76, 1955, S. 141.
  8. a b Jürgen Oldenstein: Kastell Alzey, S. 307.
  9. Ralf Scharf: Der Dux Mogontiacensis und die Notitia Dignitatum, S. 1.
  10. Notitia Dignitatum Occ.I, VI und XLI.
  11. Notitia Dignitatum Occ. VI.
  12. a b c Notitia Dignitatum Occ. XLI.
  13. Ralf Scharf: Der Dux Mogontiacensis und die Notitia Dignitatum, S. 226.
  14. a b c d e f g h i j k Ralf Scharf: Der Dux Mogontiacensis und die Notitia Dignitatum, S. 43.
  15. a b c Jürgen Oldenstein: Kastell Alzey, S. 298–299.
  16. a b c d e f g Notitia Dignitatum Occ. VII.
  17. a b c Ralf Scharf: Der Dux Mogontiacensis und die Notitia Dignitatum, S. 250–251.
  18. Notitia Dignitatum Or. VI.
  19. Ralf Scharf: Der Dux Mogontiacensis und die Notitia Dignitatum, S. 254.
  20. Jürgen Oldenstein: Kastell Alzey, S. 306.
  21. Jürgen Oldenstein: Kastell Alzey, S. 300–301.

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