- El (Gott)
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EL war im 2. Jahrtausend v. Chr. der Name für den hauptsächlich in der Levante beheimateten obersten Gott. El oder Il ist in vielen semitischen Sprachen ein Gattungsbegriff für „göttliches Wesen“ oder „göttliche Natur“, hebräisch heißt Gott Elohim. Zugleich ist die Bezeichnung auch der Eigenname eines bestimmten Gottes. El war der Hauptgott der Kanaaniter, Phönizier und Hebräer.
Inhaltsverzeichnis
Ugarit
Zum ersten Mal taucht der Gottesname EL um 1400 v. Chr. in den Keilschrifttexten von Ugarit auf. Je nach Zusammenhang bedeutet das Wort den Eigennamen des Gottes oder den Gattungsbegriff. In der ugaritischen Mythologie wird ʿEl mit der Umschrift aus dem Ugaritischen il, Plural oder Dual ilm als der „Erbauer des Erbauten“, „Vater der Menschheit“ oder Schöpfer der Schöpfung“ (bny bnwt) umschrieben. Das Wort ilm kommt in großen mythologischen Texten vor, wo es in einigen Wortverbindungen meist den Plural des Gattungsnamens bedeutet. So trägt die Sonnengöttin Šapaš das Prädikat nrt ilm, „Leuchte der Götter“. Auch in den kleinen Texten von Ugarit bezeichnet der Plural überwiegend den allgemeinen Begriff Gott. Dagegen bezeichnet der Singular il überwiegend den Eigennamen.[1]
ʿEl besaß zeitweise für einen Teil der ugaritischen Bevölkerung die Stellung des obersten Gottes. Ihm wurden die Beinamen „König“, „der Freundliche“ oder „Stier“ verliehen. Der Anruf „Stier-ʿEl“ soll seine herausragende Stärke und Macht betonen und legt nahe, dass der Stier sein Symbol war.
Mythen
Vor langer Zeit hat ʿEl die Welt erschaffen. Seine Wohnung war die Quelle der beiden Ströme der unterirdischen Tiefe. Eine Keilschrifttafel (der "Mythos der freundlichen und schönen Götter") erzählt, wie er die Göttinnen (Athirat und Šapsu) an einem Brunnen überrascht und sie schwängert. Dadurch zeugt er zunächst Šaḫar, den Gott der Morgendämmerung und seinen Bruder Šalim, den Gott der Abenddämmerung, später anonyme Dämonen. Die Gesamtheit aller so gezeugten Götter wird als Banu ʿElima („El-Söhne“) bezeichnet.
Der Name von ʿEls Erstgemahlin Aschera liegt in verschiedenen Umschreibungen wie Athirat, Elat und Qudšu vor, die in der Übersetzung „die weibliche Gottheit“ oder „die Heilige“ bedeuten. Sie wird auch „Herrin Athirat des Meeres“ genannt und hat einen eigenen Wohnort abseits von ʿEl. Entscheidungen werden von ihr auch im Alleingang getroffen. Mit ihr hat ʿEl siebzig Götter und Göttinnen gezeugt. Weitere gezeugte Kinder folgen von seiner Zweitfrau Šapsu.
Die Göttergesellschaft erscheint in regelmäßigen Abständen bei ʿEl auf einem Berg. Dort wird über zu erfolgende Handlungen entschieden, da jeder untergeordnete Gott den Weisungen Els zu folgen hat. So hat Ba'al zum Beispiel erst um Erlaubnis zu fragen, bevor er den Meeresgott Yam töten kann. Ba'als Schwester, die Mondgöttin Anat erreicht ʿEls Zustimmung für Baals Vorhaben erst, nachdem sie mit Gewalt droht.
Darstellung
ʿEl wird in Menschengestalt und in königlichen Gewändern dargestellt. Auf Abbildungen ist er zum Zeichen seines hohen Alters mit grauen Haaren zu sehen. Eine 13 Zentimeter hohe Bronzeskulptur zeigt einen sitzenden Gott mit einem Bart und einer ägyptischen Atef-Krone. Er trägt einen langen Mantel mit syrischem Wulstsaum und Sandalen. Die rechte Hand ist in einer segnenden Geste erhoben. Die Stierhörner, ein Gegenstand in seiner linken Hand und der Thron, auf dem die nicht eindeutig mit ʿEl identifizierte Figur saß, sind verschwunden. Auf der 47 Zentimeter hohen sogenannten „ʿEl-Stele“ aus Serpentin sitzt rechts ein bärtiger Gott mit einem langen Mantel und Hörnerkrone, seine Füße ruhen auf einem Schemel. Ihm gegenüber steht als Beter der König mit einer Krone auf dem Kopf, in den Händen hält er ein Szepter und einen Krug mit Opfergaben.[2]
Verehrung
Die Texte aus Ugarit aus der 2. Hälfte des 2. Jahrtausends v. Chr. stellen die wichtigsten Zeugnisse über ʿEl dar. Ein typisches Gebet an ʿEl lautet:
Oh ʿEl! Oh Söhne ʿEls!
Oh Versammlung der Söhne ʿEls!
Oh Zusammenkunft der Söhne ʿEls
...
Oh ʿEl und Aschirat
Sei gnädig, oh ʿEl
Sei Stütze, oh ʿEl
El, eile, ʿEl, komm schnell
Zur Hilfe Zaphons,
Zur Hilfe Ugarits
Mit der Lanze, oh ʿEl,
mit der erhobenen, oh ʿEl.
Mit der Streitaxt, oh El,
mit der zerschmetternden, oh El.Mit dem Eindringen der sogenannten Seevölker um 1200 v. Chr. beginnt eine plötzliche Wandlung der Rolle ʿEls in Ugarit. Die Stadt selbst wird von den Seevölkern zerstört. ʿEl verliert innerhalb der nächsten zweihundert Jahre in dieser Region immer mehr an Bedeutung. Ab ca. 1000 v. Chr. erscheint der Name Athirat, seine erste Gemahlin, nicht mehr. Ein neuer Gott, Ba'alšamen (phönikisch) bzw. Be'elšamen (aramäisch) löst ab ca. 1000 v. Chr. ʿEl in Ugarit endgültig ab.
Phönikien – Aram – Palästina
Mit dem Vordringen der Seevölker erscheinen neue Namen am Horizont. Erstmals werden die Philister genannt. Die Aramäer treten wieder deutlicher in Erscheinung, während die Phöniker hauptsächlich im Küstenbereich in der Region des zerstörten Ugarits bis Sidon siedeln.
ʿEl verliert auch in diesen Regionen an Bedeutung. Athirat wird nur noch bei den Philistern erwähnt. Im AT taucht der Name auch in Verbindung mit Israel auf (z.B. (2 Kön 23,13 EU)). Ebenso wie in der Region des zerstörten Ugarit erhält der neue Gott Ba'alšamen/Be'elšamen nun den Vorzug vor ʿEl.
Bei Philon von Byblos beginnt der Stammbaum phönikischer Gottheiten mit Eliun und seiner Frau Beruth, deren Nachkommen Uranos und Ge zusammen einen Stammbaum aus insgesamt sieben Generationen mit über 40 Gottheiten zeugten. Darunter war ʿEl (Kronos), der, nachdem er erwachsen geworden war, seinen Vater Uranos besiegte und sich an seiner Stelle zum Herrscher machte.
Sonstige Erwähnungen
Möglicherweise wurde ʿEl auch von einigen altisraelitischen Stämmen verehrt, die ihn im Laufe der Zeit mit der Gottheit JHWH identifizierten. Das theophore Element ʿEl in Namen wie Israel, Michael, Samuel usw. legt dies nahe.
Im Alten Testament wird der Name ʿEl, der 230-mal auftritt, oft in der abgewandelten – eigentlich pluralen – Form als Elohim oder mit Zusätzen (ʿEl Schaddai, ʿEl Eljon) verwendet und mit Jahwe gleichgesetzt. ʿEl Eljon (Gen 14,18 EU) war zur Zeit der Jebusiter der Hauptgott Jerusalems.
Literatur
- Walter Beltz: Gott und die Götter - Biblische Mythologie. Aufbau-Verlag, Berlin 1990, ISBN 3-351-00976-3.
- Emma Brunner-Traut: Die großen Religionen des Alten Orients und der Antike. W.Kohlhammer, Stuttgart 1992, ISBN 3-17-011976-1.
- Otto Eissfeldt: El im ugaritischen Pantheon. Berichte über die Verhandlungen der Sächsischen Akademie der Wissenschaften zu Leipzig. Philologisch-historische Klasse. Band 98, Heft 4. Akademie-Verlag, Berlin 1951
- Hans Wilhelm Haussig: Wörterbuch der Mythologie; Bd. I: Die alten Kulturvölker. Klett-Cotta, Stuttgart 1965 ff.
- Wolfram Herrmann: Artikel El. In: Karel van der Toorn, Bob Becking, Pieter W. van der Horst (Hrsg.): Dictionary of Deities and Demons in the Bible. Leiden 1999, ISBN 90-04-11119-0, S. 274–280.
Siehe auch
Weblinks
Wiktionary: El – Bedeutungserklärungen, Wortherkunft, Synonyme, ÜbersetzungenEinzelnachweise
- ↑ Eissfeldt, S. 5–24, 40–44
- ↑ Izak Cornelius, Herbert Niehr: Götter und Kulte in Ugarit. Kultur und Religion einer nordsyrischen Königsstadt in der Spätbronzezeit. Verlag Philipp von Zabern, Mainz 2004, S. 44f, ISBN 3-8053-3281-5
Kategorien:- Syrisch-kanaanäische Gottheit
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