- Gottesnamen im Judentum
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Gottesnamen im Judentum sind verschiedene Bezeichnungen für Gott im Tanach, der hebräischen Bibel, wie auch in der den Tanach auslegenden Halacha (Gesetzesinterpretation) und Aggada (Erzählungen, Lehre) des Judentums, vor allem im Talmud.
Anders als in den umgebenden Religionen des Alten Orients hat der Gott der Israeliten nur einen einzigen Eigennamen. Das Tetragramm JHWH ist mit über 6800 Belegen im Tanach der mit Abstand häufigste Eigenname, gefolgt von den Gottestiteln Elohim und El mit zusammen über 3000 Belegen. Adonai („mein Herr“, ein Majestätsplural, eigentlich: „meine Herren“) ist eine Anrede und eine Art Deckname, der an Stelle von JHWH ausgesprochen werden sollte.
In der Bibel genannte nichtisraelitische Götter behandelt der Artikel Götter (Bibel).
Inhaltsverzeichnis
Bibel
JHWH
Der Gottesname JHWH stammte wohl aus einem Gebiet kriegerischer Nomadenstämme östlich des Golfs von Akaba. Für eine Herkunft von den Midianitern spricht die Erstbegegnung, die Mose nach Ex 3 in deren Gebiet mit JHWH gehabt haben soll; für die Keniter spricht das Schutzzeichen, das der Brudermörder Kain als deren Stammvater nach Gen 4,15 von JHWH erhielt.
Dieser Gottesname wurde vor allem auf den Exodus der Hebräer, einer nichtethnischen Schicht landloser Arbeitssklaven und Söldner, und die Toraoffenbarung am Sinai bezogen, wie es das erste der Zehn Gebote ausdrückt (Ex 20,2f):
„Ich bin JHWH, dein Gott, der dich aus dem Land Ägypten, aus der Knechtschaft geführt hat. Du sollst keine anderen Götter neben Mir haben.“
Im 1. Buch Mose wird JHWH nur selten gebraucht. Erst im 2. Buch Mose stellt Gott sich bei der Berufung des Mose zum Führer Israels unter diesem Namen vor (Ex 3). Der Text betont seine Identität mit den vorherigen Göttern der Erzväter. Dass sie miteinander identifiziert werden konnten, hing mit ihrem „Wesen" zusammen: Wie die Vätergötter war JHWH ortsunabhängig und führte und bewahrte sein Volk als der, der mitzog und eingriff, um es zum Segen für alle Völker zu retten.
Nach der Ansiedlung der Stämme und dem Zusammenwachsen ihrer Einzelüberlieferungen in Kanaan blieb sich das Volk Israel seiner Vorgeschichte bewusst. So heißt es in einer Erzählung über die Bundesverpflichtung Gesamtisraels im eroberten Kanaan (Jos 24,14):
„Lasst fahren die Götter, denen eure Väter gedient haben jenseits des Euphrats und in Ägypten, und dient JHWH!“
Nur dieses eine Mal schreibt der Tanach den Ahnen Israels vor Abraham (Vers 2) Polytheismus zu; ob dies historisch zutrifft, ist jedoch fraglich. Welche Götter gemeint waren, ist unbekannt. Dass die aramäischen Halbnomaden Götter der mesopotamischen oder altägyptischen Religion verehrten, wird nirgends überliefert. Die Aufforderung wird daher eher als allgemeine Abkehr von der Vergangenheit gedeutet und bezeugt die spätere exklusive Geltung des Ersten Gebots in ganz Israel.
JHWH wurde in Israel also erst allmählich nicht nur als der höchste, sondern als der einzige Gott der ganzen Welt verehrt. Sein Name unterschied den Gott Israels von den Göttern anderer Völker. Aber er wurde auch mit älteren Gottheiten bzw. ihren Aufgaben und Eigenschaften identifiziert, sofern diese als seinem Wesen gemäß erachtet wurden. Andere kanaanäische oder sumerisch-babylonische Gottheiten wie Baal, Astarte, Marduk dagegen wurden als unvereinbar mit ihm empfunden. Ihre Verehrung neben ihm, der Synkretismus, wurde in Israel seit dem Auftreten des Propheten Elija (1Kön 18) radikal bekämpft. König Josia von Judäa soll um 621 v. Chr. deshalb eine Kultreform durchgeführt und dabei die Reste kanaanäischer Kulte abgeschafft haben.
Elohim
Der Titel Elohim begleitet oder ersetzt häufig den Eigennamen JHWH in der Bibel. Die Pluralform (Endung: -im) ist als Majestätsplural (pluralis majestatis) zu deuten. "Elohim" steht für sich allein vor allem für den Schöpfer der ganzen Welt, aber auch für andere Götter, Engel oder menschliche Gottesboten. Auch dies verweist auf die Entmachtung des Polytheismus in Israel. Dabei wurden die verschiedenen Götter als Eigenschaften und Aspekte auf den einen, einzigen Gott Israels, der als Befreier aus der Sklaverei zugleich der Schöpfer von Himmel und Erde ist, übertragen und konzentriert. Noch die späte Apokalyptik des Buches Daniel erinnert an diesen Prozess: In Dan 7,9 erscheint Gott zum Endgericht unter dem Namen Elohim; es werden Throne (Plural) aufgestellt, auf denen aber nur der eine Gott Platz nimmt, während in der Umwelt hier oft ein „himmlischer Hofstaat“ oder Götterrat erscheint.
Das Nebeneinander des Titels Elohim im ersten (Gen 1- 2,4) und des Namens JHWH im zweiten Schöpfungsbericht (Gen 2,5-25) gab seit dem 18. Jahrhundert Anlass zur „Urkundenhypothese“, die vor allem Julius Wellhausen wissenschaftlich ausformulierte. Danach seien der Pentateuch und weitere biblische Geschichtsbücher aus mehreren Quellschriften kunstvoll ineinander verwoben worden. Diese seien im Abstand von Jahrhunderten entstanden und nur zum Teil literarisch voneinander abhängig. Trotz heutiger Modifikationen dieser These gilt der erkennbar durchdachte Gebrauch der verschiedenen Gottesbezeichnungen nach wie vor als Hinweis auf verschiedene redaktionelle Überarbeitungen.
Als altertümlicher Singular und ehrende Anrede (Vokativ) zu Elohim gilt die Form Eloah. Sie erscheint nur je einmal im Pentateuch (Dtn 32,15), in einem Psalm (Ps 50,22) und bei dem nachexilischen Kultpropheten Habakuk (Hab 3,3), sonst 40-mal nur im Buch Ijob. Sie lebt im arabischen Allah - „der Gott“ - fort.
El
Vätergötter
El war im Alten Orient das gebräuchliche semitische Wort für „Gott“. Im Buch Genesis (1. Buch Mose) wird El nach den Menschen benannt, denen er zuerst erschienen sei, wird also mit den Namen der halbnomadischen Sippenhäupter kombiniert und dadurch wie ein Name gebraucht:
- „Gott meines (deines) Vaters“
- „Gott unserer (eurer) Väter“
- „Gott Abrahams“ (El Avraham)
- „Gott Isaaks“ (El Jitzchaq)
- „Gott Jakobs“ (El Ja'aqov)
Die Kombination „Gott meines Vaters“ bezog sich wohl ursprünglich nur auf den eigenen Familienvater (Gen 26,24; 46,1), so dass dessen Gott sich von anderen Familiengöttern unterschied. Dies zeigen alte Vätergeschichten wie die Begegnung Jakobs mit seinem Verwandten, dem Aramäer Laban (Gen 31,5.29.42). Auch in der Josephsgeschichte (Gen 43,23) heißt es distanzierend und singularisch: Euer Gott und eures Vaters Gott hat euch einen Schatz gegeben... In Gen 31,53 heißt es deutlich: Der Gott Abrahams und der Gott Nahors - der Gott ihres Vaters! - sei Richter zwischen uns. Erst nachdem mehrere Sippen zu einem Stamm verschmolzen, wurde aus dem „Gott meines (deines, eures, ihres) Vaters“ der „Gott unserer (eurer, ihrer) Väter“.
Die Kombination Els mit Personennamen gilt als frühe Stufe eines altorientalischen Monotheismus, bei dem Gott noch namenlos war. Umstritten ist, ob die Namen fiktive Stammväter von Sippen und Stämmen oder reale Personen bezeichneten. Aus den Funden von Tontafeln aus der mesopotamischen Stadt Mari von etwa 1900 v. Chr. gibt es Hinweise darauf, dass individuelle aramäische Personen mit Namen wie „Abram“, „Isaak“ und „Jakob“ tatsächlich existierten.[1]
Im Zuge der zweiten Aramäischen Wanderungswelle (um 1500 v. Chr.) kamen Gruppen von Halbnomaden aus Mesopotamien und Syrien oder von der Sinai-Halbinsel beim saisonalen Weidewechsel auch in das fruchtbare Kulturland Kanaan, wo sie einander begegneten und ihre Geschichten austauschten. Dabei wurden ihre Gottheiten wahrscheinlich schon miteinander identifiziert, so dass Reihungen wie „Gott Abrahams, Isaaks und Jakobs" (Ex 3,6) entstehen und als „Gott unserer (eurer) Väter" zusammengefasst werden konnten (Ex 3,16).
Aufgrund solcher Beobachtungen stellte der Alttestamentler Albrecht Alt 1929 die einflussreiche These vom „Gott der Väter" als Vorstufe der JHWH-Religion auf. Für ihn sei ...nicht die feste Bindung an einen Ort, sondern die ständige Beziehung zu einer Menschengruppe das entscheidende Merkmal. Wie im späteren gesamtisraelitischen JHWH-Glauben betonte die Väterreligion das Verhältnis zwischen Gott und Mensch, Gott und sozialer Gruppe. Die fehlende Ortsbindung machte sie laut Alt ... umso bewegungsfähiger im Eingehen auf alle Veränderungen des Schicksals der Verehrerkreise.[2]
Die Vätergötter bedurften keiner Wallfahrt zu einem festen Heiligtum und keiner Vermittlung durch Priester, deren Aufgaben der Familienvater übernahm. Sie waren ihren Menschen stets gegenwärtig und wurden wohl ohne Abbild verehrt. Erst im Kulturland wurden ihnen Opfer dargebracht (Gen 31,54; 46,1). Ihre Aufgabe war, die Sippe unterwegs vor allerlei Gefahren zu schützen (Gen 28,15; 31,3.5, 35,3; 46,4), mit ihnen zu ziehen (Gen 26,3.24.28) und für ihr Lebensrecht zu sorgen. Als Schutzgötter einer Sippe waren sie besonders für die Gaben verantwortlich, von denen die Zukunft aller abhing: Land, Nachkommen und Frieden mit den Nachbarvölkern (Gen 12,1-3).
Gott Gesamtisraels
Im 2. Buch Mose beginnt die eigentliche Geschichte Israels als Volk: Daher treten Reihungen von Väternamen von nun an zurück. Auch die Kombination „Gott des Mose“ fehlt, obwohl dieser nach Ex 3 ähnlich wie die Erzväter berufen wurde. Stattdessen dominieren nun Bezeichnungen wie „Gott der Hebräer“ oder „Gott Israels“.
Schöpfergott
Dort, wo Israeliten anderen Völkern und ihren Göttern begegneten, übernahmen sie auch Gottestitel aus ihrer Umwelt für ihren Gott. Darunter waren Bezeichnungen wie El-Olam: „Gott, ewiger“ (Gen 21,33): Für diesen pflanzte Abraham im Kultort Beerscheba eine Tamariske als Baumheiligtum an.
Der Titel El eljon („der höchste Gott, der Höchste“) ist seit den Funden von Ugarit (bei Ras Schamra, etwa 1'200 v. Chr.) als Bezeichnung für den obersten Gott des kanaanäischen Götterpantheons bekannt. Er wurde laut Gen 14,18-22 auch im kanaanäischen Stadtstaat Salem (später: Jerusalem) als „der, der Himmel und Erde geschaffen hat“, verehrt. Der dortige Priesterkönig Melchisedek segnet den Erzvater Israels, Abraham, worauf dieser seinem Gott den Tribut von der Kriegsbeute entrichtet und ihn mit JHWH, der Himmel und Erde gemacht hat gleichsetzt.
Das deutet wahrscheinlich den religionsgeschichtlichen Übergang von den Stammesgöttern zum Schöpfergott an: Die einsickernden Hebräer, die sich im Zuge des Weidewechsels zwischen den kanaanäischen Stadtstaaten ansiedelten, identifizierten ihren Väter- bzw. Exodusgott offenbar mit diesem „Schöpfer“, ohne dabei die übrigen Götter des kanaanäischen Pantheons anzuerkennen. Aufgrund der Integration der Attribute von El in die Gestalt von JHWH wurde auch sein Titel auf diesen Gott übertragen.
Orts- und Eigennamen
Der Titel El wird im 1. Buch Mose oft auch mit sonstigen Orts- und Eigennamen kombiniert und dann nachgestellt:
- Isma-El: „Gott erhört dich“ (Gen 16,11)
- El-Roï: „Gott, der mich sieht“ (Gen 16,13): So nannte Hagar, die von Abrahams erster Frau Sara verstoßene Magd und Mutter Ismaels, Gott, nachdem sie wunderbare Rettung vor dem Verdursten erfahren hatte.
- Beth-El („Haus Gottes“): ein Kultort Els im späteren Nordreich Israel, den die einsickernden Nomaden übernahmen (Gen 31,13). Die Herkunftslegende (Ätiologie) dazu ist Jakobs Vision von der Himmelsleiter, woraufhin er diesem Gott ein Steinmal errichtet (Gen 28,10-22).
- Isra-El: „Gott streitet (für uns)“ (Gen 32,29)
- Penu-El: „Antlitz Gottes“ (Gen 32,31)
Andere
Eine alte und seltene Gottesbezeichnung des Tanach verbindet El mit dem Attribut schaddaj (Gen 17,1; Ex 6,3). Seine Bedeutung ist unklar: Man vermutet einen Zusammenhang mit dem Verb „gewalttätig sein, verheeren“. Häufig wird der Name daher mit „der Allmächtige“ oder „der Starke“ übersetzt. Diesen Ausdruck verwendet die exilische Priesterschrift, eine angenommene literarische Quelle des Pentateuch, durchweg für den Gott der Väterzeit im Unterschied zum JHWH der Mosezeit (Ex 6,3). Er erscheint oft in Verbindung mit dem Namen Jakobs, des dritten Stammvaters Israels.
Auch Pachad jitzchaq (Gen 31,42.53) ist eine sehr alte Gottesbezeichnung, meist übersetzt mit „Schrecken Isaaks“. Dahinter könnte die Tradition des „JHWH-Krieges“ stehen: In der vorstaatlichen Zeit des Stämmebundes, der Richterzeit, war der „Gottesschrecken“ ein typisches Motiv. Gott besiegte übermächtige Nachbarvölker allein durch den Schrecken, den seine Gegenwart mit sich bringt, anstelle des gesamtisraelitischen Heeres (u.a. Ri 7,20f).
In den Geschichtsbüchern ab dem 1. Buch Samuel, den Psalmen und der Heilsprophetie taucht öfter die Bezeichnung JHWH Zebaoth („der Herr der Heerscharen“) auf. Das Heer kann auf Israeliten oder Himmelsmächte wie Engel bezogen werden und zeigt damit noch Spuren des früheren Polytheismus.
Besonders in exilischen und nachexilischen Büchern findet man Umschreibungen, etwa:
- „Erlöser“ (Goel: Ps 19,15; Jer 50,34; Jes 41,14; 63,16; Hi 19,25)
- „der Heilige Israels“
- „der Uralte“ (Dan 7,9).
Rabbinische Tradition
Name und Wesen
Ein Name enthält für biblisches und orientalisches Denken das volle „Wesen“ seines Trägers. Nur wer ihn kannte, konnte einen Gott anrufen und dauerhaft verehren. Der Name JHWH unterschied den Gott Israels von anderen Göttern: Er repräsentiert Gott selbst, seine Unverwechselbarkeit und Identität in seiner Beziehung zum jüdischen Volk, in dessen Geschichte er sich offenbart. Doch seine Selbstauslegung - Ich bin der ich bin - entzieht sich menschlicher Verfügungsmacht.[3]
Auch die Umschreibungen des Gottesnamens sind für gläubige Juden mehr als bloße Bezeichnungen: Sie enthalten Aussagen über JHWHs Absichten für die Menschen, zu denen er in Beziehung tritt. Die jüdische Theologie prägte seit Beginn der griechischen Bibelübersetzung, der Septuaginta (um 250 v. Chr.) die Vorstellung aus, dass die verschiedenen Bezeichnungen Gottes in der Bibel verschiedene Aspekte seines Handelns und Eigenschaften seines Wesens repräsentieren. Das Tetragramm JHWH wurde demnach benutzt, wenn von Gott in seiner liebenden Barmherzigkeit die Rede ist, während Elohim das Gerechtigkeit wirkende Handeln Gottes meint. Der Beiname Zeba'oth (Gott bzw. Herr „der Heerscharen“) benennt kriegerische Aspekte Gottes, El schaddaj das Strafhandeln.
Das Tetragramm
Der wichtigste Gottesname im rabbinischen Judentum ist das Tetragramm J-H-W-H. Die hebräische Buchstabenfolge ist Jod-He-Waw-He (יהוה), wobei die Schreibrichtung von rechts nach links läuft. Dieser Name findet sich schon in den in paläo-hebräischen Schriftzeichen verfassten ältesten aramäischen Schriften. Es wird vermutet, dass es schon zu jener Zeit beim Vorlesen als Adonai („mein Herr“) gelesen wurde. Die Septuaginta gibt das Tetragramm teils mit Kyrios (Herr), teils in althebräischen Buchstaben wieder. Beides wird in der Regel mit „der HERR“ übersetzt.
Da nach biblischer Auffassung nur Gott selbst seinen Namen kennt und aussprechen kann, wurde die Aussprache von JHWH in jüdischer Tradition vermieden und durch Umschreibungen ersetzt. Diese Ehrfurcht vor der Heiligkeit Gottes zeigten die Masoreten, die zwischen 700 und 1000 n. Chr. den hebräischen Konsonantentext vokalisierten, indem sie das Tetragramm mit anderen, unpassenden Vokalzeichen versahen, und so signalisierten, dass etwas Anderes ausgesprochen werden sollte als dort geschrieben stand. Am häufigsten setzten sie die Vokale bzw. Vokalzeichen des Wortes Adonaj in das Tetragramm ein, woraus später, in Unkenntnis dieser Hintergründe, das Missverständnis entstand, der Gottesname werde „Jehovah“ ausgesprochen. Allerdings finden sich auch die Vokalzeichen für Elohim an Stellen, an denen die Kombination Adonaj-JHWH auftaucht. Der Sofer (Schreiber), der handschriftliche Kopien heiliger Texte anfertigte, hielt stets einen Moment inne, bevor er einen Gottesnamen abschrieb. Durch diese Tabuisierung ist die korrekte Aussprache von JHWH in Vergessenheit geraten. Moderne Gelehrte gehen aber davon aus, dass er in etwa „Jahwe“ ausgesprochen wurde.
In der jüdischen Tradition ist JHWH auch das Imperfekt der 3. Person Singular des Verbs „sein“ und bedeutet daher „Gott ist“, „Gott wird sein“ oder auch „Gott lebt“. Diese Erklärung stimmt mit der Schriftstelle Schemot (Exodus) 3,14 überein, in der Gott als in der 1. Person Sprechender auftritt: „Ich bin“. Die Bedeutung wäre also etwa: „der, der aus sich selbst existiert“ oder konkreter „der, der lebt“. Das abstrakte Konzept des bloßen Seins ist dem klassischen hebräischen Denken fremd. Die Vorstellung, dass Gott durch sich selbst existiert als der Schöpfer, der nicht selbst geschaffen worden ist, erwächst aus dem hebräischen Konzept des Monotheismus, deshalb auch: Ich bin, der ich bin.
Abkürzungen und Ersatzlesungen
Ausgeschrieben wird das Tetragramm nur noch in Bibeltexten. Wenn der Gottesname in Gebetbüchern und bzw. in biblischen Zitaten vorkommt, wird er mit besonderen Buchstabenkombinationen dargestellt. Die häufigsten Varianten sind zwei oder drei Jod, seltener Jod-Waw-Jod. Bisweilen findet sich auch ein Daleth in seiner Funktion als Zahlzeichen mit dem Zahlenwert 4 (für die vier Buchstaben des Tetragramms). Ein abgekürztes He steht für ha-schem, der Name.
Als Anrede und eine Art Deckname für JHWH, der an seiner Stelle ausgesprochen werden sollte, fungiert in der Bibel Adonai („mein Herr“, wörtlich Plural). Dort, wo es den Gottesnamen ersetzt, übersetzt man es meist mit „der Herr“. Es kann auch in Verbindung mit Elohim auftreten und wird dann meist mit „der Herr, mein Gott“ oder „Gott der Herr“ wiedergegeben.[4]
Da die Ersatzlesung adonaj zum Teil als „der Name“ verstanden wurde, haben sich stattdessen weitere Ersatzlesungen oder Aussprachen eingebürgert. Orthodoxe Juden benutzen adonaj nur im Gebetsvollzug. In profaner Rede oder bei der Lektüre wird zumeist ha-schem benutzt. In bestimmten Kreisen ist auch die Mischform ado-schem (adonaj + ha-schem) üblich.
Auch für dem Tetragramm ähnliche Buchstabenkombinationen haben sich Vermeidungsstrategien herausgebildet. So werden Namen mit dem Element -yah bzw. -yahu oft nur abgekürzt geschrieben. Die Zahlen 15 und 16, die der Systematik entsprechend yod"he (10+5) und yod"waw (10+6) geschrieben werden müssten, drückt man mit teth"waw (9+6) und teth"zajin (9+7) aus.
Auch das Wort Elohim - Gott wird oft nur abgekürzt geschrieben. Ausgesprochen wird es in orthodoxen jüdischen Kreisen nur im Gebetsvollzug. Ansonsten wird die Form Eloqim benutzt, die sich gelegentlich auch geschrieben findet.
Die wichtigste im rabbinischen Schrifttum neugeschaffene Ersatzbenennung ist ha-qadosh, baruch hu! („ Der Heilige, er sei gepriesen!“). In den Handschriften findet sich diese häufige Formel meist abgekürzt הקב"ה. Weiterhin existieren Benennungen, die die räumliche oder zeitliche Dimension Gottes betonen.
G’tt
Es ist auch üblich geworden, im Deutschen anstatt Gott die Schreibweise G’tt (engl. G-d, frz. D.ieu, D-ieu, D'ieu oder D.eu) zu verwenden, um nicht das Risiko einzugehen, den Namen Gottes nach Ex 20,7 möglicherweise zu missbrauchen. Die Heiligkeit des Wortes Gott ist jedoch umstritten. Jüdischer Theologie zufolge ist es nicht der Eigenname Gottes, sondern ein Allgemeinbegriff (Gattungsname oder Appellativ). Die allgemeine rabbinische Meinung geht davon aus, dass das Wort in jeder anderen Sprache außer dem Hebräischen als nicht heilig zu betrachten ist und demzufolge auch ausgelöscht werden kann. Trotzdem wird die Schreibweise G’tt von vielen (und den meisten orthodoxen Juden) als Minhag (Brauch) gesehen. Ausgesprochen wird G’tt meist wie Gott [gɔt], oder das Wort wird beim Vorlesen wie JHWH mit Adonaij oder ha-schem umschrieben.
Literatur
- Martin Rösel: Adonaj - Warum Gott „Herr“ genannt wird. Tübingen 2000. ISBN 3-16-147193-8
- Werner H. Schmidt: Alttestamentlicher Glaube in seiner Geschichte. Neukirchener Verlag, 4. Auflage 1982, ISBN 3-7887-0655-4
Einzelnachweise
- ↑ Martin Noth: Mari und Israel. Eine Personennamenstudie, in: Geschichte und Altes Testament, Beiträge zur historischen Theologie 16, 1953
- ↑ zitiert nach Werner H. Schmidt: Alttestamentlicher Glaube in seiner Geschichte, Neukirchener Verlag, 4. Auflage 1982, S. 21
- ↑ Walther Zimmerli: Grundriß der alttestamentlichen Theologie, Kohlhammer, Stuttgart u.a. 1972, S. 14f
- ↑ Klaus Koch: Namen Gottes, in: Reclams Bibellexikon, Stuttgart 1978, ISBN 3-15-010272-3, S. 1119
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