Elektronische Gesundheitsakte

Elektronische Gesundheitsakte

In Deutschland soll eine elektronische Gesundheitsakte (eGA)[1] verteilt bei Leistungserbringern und Patienten anfallende klinische und gesundheitsbezogene Daten eines Menschen zusammenfassen und diese omnipräsent, lebenslang, unabhängig von Ort und Zeit allen am Behandlungsprozess Beteiligten (inkl. der Patienten!) bedarfsgerecht präsentieren[2].

Die eGA nutzt einen internetbasierten Client-Server-Ansatz und ist einrichtungsübergreifend von jedem Ort mit Internetzugang nutzbar.

Die einzige gesetzliche Regelung im § 68 Sozialgesetzbuch (SGB) V zu elektronischen Gesundheitsakten definiert diese als ein von der Krankenkasse individuell gestaltetes und finanziertes Instrument für das persönliche Gesundheitsmanagement der Versicherten. Patienten sollen so unabhängig von der Dokumentationspflicht der Leistungserbringer medizinische Daten speichern und verwalten, um ihre Informationslage im Gesundheitswesen zu verbessern. Für die Versicherungen selbst entstehen Effizienzvorteile, wenn Überweisungsscheine, Rezepte und Arztbriefe elektronisch in die eGA dem Patienten ausgestellt werden.

Inhaltsverzeichnis

Unterschiede und Vorteile zu anderen elektronischen Akten

Gefordert aus dem Behandlungsvertrag (vertragliche Nebenpflicht), aus dem Berufsrecht und anderen gesetzlichen Vorgaben, die im Rahmen medizinischen Handelns zum Tragen kommen, muss die von den behandelnden Ärzten geführte Dokumentation von Behandlungsmaßnahmen als Beweismittel aktuell, ausführlich, fehlerfrei und vollständig sein. Die elektronische Patientenakte (ePA) existiert üblicherweise beim Leistungserbringer in dessen Klinik- oder Praxis-EDV-System und werden von diesem als Primärsystem seiner ärztlichen Dokumentation gepflegt und verantwortet. Die Aufzeichnungen verbleiben meist geschützt in der einrichtungsinternen lokalen Infrastruktur, da sich Leistungserbringer nicht dem Risiko aussetzen, diese außerhalb ihres Einflussbereiches abzulegen. Bei seinem behandelnden Arzt kann sich jeder Patient Einsicht in seine Krankenakte oder Kopien der medizinischen Aufzeichnungen verschaffen. Im Praxisalltag wird davon nur selten Gebrauch gemacht. Als Grund dafür wird weniger Desinteresse vermutet, sondern die Befürchtung vieler, der Arzt könnte den Informationswunsch als Misstrauen deuten und der Patient so Nachteile bei ihrer weiteren Behandlung erleiden.

Wichtigstes Unterscheidungsmerkmal der elektronischen Gesundheitsakte zur einrichtungsbezogenen, arztgeführten elektronische Patientenakte ist die alleinige Verfügungsgewalt des Patienten über seine Akte und damit seine medizinischen Daten. Er alleine entscheidet, wer welche Daten in seiner Akte speichert, ändert und wer welche Informationen einsehen und nutzen darf. Für den Patienten wandelt sich seine passive Rolle durch den Einsatz einer eGA zu der Fähigkeit, jeden Behandlungsprozess zu verfolgen und kritisch zu hinterfragen und damit aktiven Einfluss auf die Erhaltung oder Wiedererlangung seiner Gesundheit zu nehmen. Die die Gesundheit betreffenden Entscheidungen konzentrieren sich dabei weiterhin auf die Expertise der Ärzte.

Beinhalten kann diese persönliche Dokumentation ärztliche fallbezogene Einzeldokumentationen wie auch von ihm selbst erstellte Inhalte (z.B. eigene Beobachtungen, Messwerte), unabhängig davon, ob der Patient die Informationen in die Akte selbst einstellt oder gegebenenfalls einen Arzt beauftragt. Im Gegensatz zur Speicherung von Patientendaten durch Leistungserbringer unterliegt der Patient selber nicht dem Gebot der Datensparsamkeit aus dem Bundesdatenschutzgesetz (§ 3a). Er kann deshalb seine eigenen Gesundheits- und Krankheitsinformationen in beliebiger Menge sammeln und speichern. Deshalb ist zu erwarten, dass in elektronischen Gesundheitsakten quantitativ mehr Informationen enthalten sein werden als in elektronischen Patientenakten.

Die Möglichkeiten zur Vermeidung von Doppeluntersuchungen in Fällen, in denen die untersuchenden Ärzte keine Kenntnis von der bereits erfolgten Untersuchung haben oder ihnen die Ergebnisse der Untersuchung nicht vorliegen, lassen sich nach mithilfe des Einsatzes einer eGA verbessern. So lassen sich auch am Beispiel radiologischer Untersuchungen unnötige körperliche Belastungen vermeiden.

Vor Herausforderungen sieht sich das Konzept der eGA in Bezug auf die Sicherstellung der Vertraulichkeit, Verlässlichkeit (Integrität, Authentizität, Nichtabstreitbarkeit, Vollständigkeit) und Verfügbarkeit der Daten.

Zusammenspiel der verschiedenen Aktentypen

Niedergelassene Ärzte haben eine ePA in ihrer Praxis-EDV. Damit dokumentieren sie ihre Behandlungen und kommunizieren teilweise direkt elektronisch mit ärztlichen Kollegen, z.B. per E-Mail. Gleichzeitig kann ein niedergelassener Arzt an einem Praxisnetz teilnehmen, welches gemeinsam eine virtuelle ePA führt. Dort werden Kopien der ärztlichen Dokumentation aus der Praxis-EDV gespeichert. Zusätzlich kann der gleiche Arzt aber auch noch in anderen Praxisnetzen oder krankheitsbezogenen Netzen (Brustkrebsnetz, Diabetesnetz etc.) teilnehmen, in denen ebenfalls eine virtuelle ePA geführt wird. Dann gibt es noch die Ärzte und Kliniken, die mit niemandem elektronisch kommunizieren und nur intern dokumentieren. Alle diese verteilt vorliegenden Informationen können mit einer elektronischen Gesundheitsakte durch den Patienten gesteuert zumindest so zusammengefasst werden, dass transparent wird, wo welche Informationen vorliegen.

Das Konzept der elektronischen Gesundheitsakte berücksichtigt die Notwendigkeit der verschiedenen parallelen Patientenakten bei Ärzten und Kliniken. Die eGA kann jedoch ein höheres Ziel verfolgen, in dem sie eine übergeordnete Instanz der verschiedenen Aktenformen bei den Leistungserbringern darstellt und diese integriert. Damit wird eine wichtige Forderung nach Schnittstellen zu anderen EDV-Systemen (insbesondere zu Praxis- und Klinik-EDV-Systemen) für den gemeinsamen Informationsaustausch (also dem digitalen Im- und Export von Daten) laut. Aus Sicht einer effizienten Behandlung ist auch ein Informationsaustausch zwischen den behandelnden Einrichtungen erforderlich.

Anbieter

In Deutschland werden Gesundheitsakten unter anderem von den Herstellern careon (elektronische Gesundheitsakte), Compugroup (vita-x), ICW (LifeSensor) und SDR Nordqualität UG (Die-Notfallkarte) angeboten. Ferner bietet die Firma APM IT GmbH Fulda eine plattformunabhängige Akte an, die derzeit die meisten am Markt befindlichen PV-System vernetzen kann. Unter der Bezeichnung PRAXISstick wird eine Gesundheitsakte auf dem USB-Stick angeboten (für Deutschland, Österreich und die Schweiz - weitere Länder werden folgen). Dabei werden die medizinischen Patientendaten verschlüsselt und mit Zugriffsrechten ausgestattet, so dass sie auch beim Verlust des Sticks für andere nicht lesbar sind. Auch nach dem Verlust des Passwortes durch den Patienten sind die Daten für Gesundheitsanbieter mit Zugriffsrechten weiter verwendbar.[3] Die Firma Umedex AG mit Sitz in der Schweiz bietet eine cloud-basierte elektronische Gesundheitsakte an.

Ausländische Lösungen

In Österreich wird eine nationale elektronische Gesundheitsakte (ELGA) mit dem Ziel der Vernetzung aller Gesundheitsdienstleister entwickelt. Für die Umsetzung ist die im November 2009 gegründete ELGA GmbH verantwortlich. Eigentümer der nicht auf Gewinn ausgerichteten Gesellschaft sind Bund, die Länder und die Sozialversicherung.

International angebotene elektronische Gesundheitsakten sind Google Health und Microsoft HealthVault.

Literatur

  • Peter Haas: "Medizinische Informationssysteme und Elektronische Krankenakten". 2005, 756 S., ISBN 3-540-20425-3, Springer
  • Frank Warda: "Elektronische Gesundheitsakten". 2005, 270 S., ISBN 3-938-97500-8, Rheinware

Einzelnachweise

  1. Abkürzungsschreibweise eGA, vgl. http://www.ins.din.de/cmd?level=tpl-artikel&menuid=52988&cmsareaid=52988&cmsrubid=57912&menurubricid=57912&cmstextid=56624&2&languageid=de
  2. Frank Warda: "Elektronische Gesundheitsakten - Möglichkeiten für Patienten, Ärzte und Industrie. Aktueller Stand der Entwicklung in Deutschland". 2005, 300 S., ISBN 3-938975-00-8
  3. PRAXISstick

Siehe auch


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