Erich Bergel

Erich Bergel

Erich Bergel (* 1. Juni 1930 in Râșnov, Rumänien; † 3. Mai 1998 in Ruhpolding) war ein deutschsprachiger Dirigent und Musikwissenschaftler siebenbürgisch-sächsischer Herkunft.

Inhaltsverzeichnis

Leben

Erich Bergel wird als zweiter Sohn der Eheleute Katharina Bergel geborene Truetsch (1904 bis 2002) und Erich Bergel (1899 bis 1971), die seit 1924 verheiratet waren, geboren. Seine Geschwister waren Hans (1925), Hildegard (1927 bis 2007) und Ortwin (1937 bis 1952)[1]. Der Vater ist Lehrer, Musiklehrer und Kreisschulrat[2] und wird regelmäßig versetzt, so dass Erich 1936 von Râșnov nach Reghin, 1939 nach Brașov und 1944 nach Sibiu zusammen mit der Familie umzieht[3] bis zum Umzug nach Sibiu besucht er öffentliche Schulen und erhält zusätzlich Musikunterricht an mehreren Musikinstrumenten. Im Jahr 1944 wird sein Vater inhaftiert, die Familie verliert ihr Vermögen und sein Bruder Hans hält sich versteckt, um nicht in die UdSSR deportiert zu werden. Erich kann das Gymnasium nicht weiter besuchen und muss seiner Mutter und seiner älteren Schwester helfen den Lebensunterhalt der Rumpffamilie zu gewährleisten.[4]

Ab dem Jahr 1946 besuchte er das Pädagogische Gymnasium in Sighisoara, ab 1950 begann er mit einem Musikstudium in Cluj am Konservatorium von Cluj.[5] Während des Studiums führt Bergel als Dirigent mit einem Studentenchor erfolgreich geistliche Werke von Händel und Haydn auf und muss wegen Verbreitung von religiösen Mystizismuses mit Hilfe der Musik die eines angehenden sozialistischen Dirigenten unwürdig sei, das Studium abbrechen. Den Abschluss wird er im Juli 1958 nachholen.[6] Er bewirbt sich Ende 1958 um die Stelle als Dirigent der Klausenburger Philharmonie und setzt sich gegen seine Mitbewerber durch. Schon in den ersten Monaten hat er glänzende Erfolge. Insbesondere das studentische Publikum ist von seiner Arbeit begeistert. Nach weniger als einem halben Jahr als Dirigent wird er am 13 April 1959 verhaftet und zu sieben Jahren Zwangsarbeit verurteilt.[7] Im Herbst 1962 wird er aufgrund einer allgemeinen Amnestie entlassen, er geht wieder nach Klausenburg und nimmt eine Stelle als Ersatztrompeter im Philharmonischen Orchester an.[8] Im Spätsommer 1966 soll der Gastdirigent Fritz Mahler das Orchester dirigieren. Als er einen Herzanfall erleidet, wird Erich Bergel als Dirigent eingesetzt[9] und wird am 1. Oktober 1966 wieder offiziell zum Dirigenten eingesetzt. Das regelmäßige Einkommen ermöglicht es ihm zu heiraten[10].

Gegen Ende des Jahres 1968 wird er von Herbert von Karajan als Gastdirigent zu den Berliner Philharmonikern nach West-Berlin eingeladen[11], im Januar 1970 dirigierte er in Baden Baden und im Mai 1970 wieder in Berlin.[12] Zum Ende des Jahres 1971 wurde Erich Bergel deutlicher, dass die Beschattung durch die Securitate immer intensiver wurde, Telefongespräche wurden unterbrochen, immer mehr Freunde warnten ihn vor Intrigen. Am 23. Dezember 1971 entschließt er sich, während eines Konzertes im Athenäum von Bukuresti, spontan, Rumänien zu verlassen. Nachdem er das Konzert zu Ende dirigiert hatte, ging er direkt zu seinem Wagen und fuhr über Siebenbürgen quer durch das winterliche Rumänien um dann über die Grenzstadt Curtici nach Ungarn auszureisen. Sein internationaler Dienstpass ermöglichte den Grenzübertritt ohne die sonst notwendigen langwierigen Anträge.[13]

Von 1971 bis 1974 war er Chefdirigent der Nordwestdeutschen Philharmonie in Herford[14]. Ab 1972 leitete er international bedeutende Orchester als Gastdirigent, was ihn, unter anderem, nach Brüssel, Philadelphia, Straßburg, Paris, Auckland, Los Angeles, Boston, Madrid, Berlin, Wien und Kapstadt führte. Daneben unterrichtete er ab 1979 als ordentlicher Professor Orchesterleitung und -erziehung an der Hochschule der Künste in West-Berlin[15]. 1989 wurde er Chefdirigent auf Lebenszeit der Budapester Philharmonie. Erich Bergel war dreimal verheiratet[16]

Ende 1995 erhält er von seinem Arzt die Diagnose bösartiger Knochentumor in fortgeschrittenem Stadium.[17] Erich Bergel wies vor seinem Tod an, seinen Leichnam einzuäschern und die Urne an einem unbekannten Ort aufzubewahren.[18]

Der Musiker

Bergel war bereits im Alter von achtzehn Jahren Flötist der Philharmoniker von Sibiu. Ab Mitte der 1960er Jahre trat er als Dirigent auf. Er wurde Chefdirigent der Philharmoniker von Cluj und ständiger Gastdirigent der Bukarester Philharmoniker und des Rundfunksinfonieorchesters. An seinem sechzigsten Geburtstag dirigiert er in Rumänien, nur wenige Monate nachdem Aufstand im Dezember 1989, am 1. Juni 1990 die Klausenburger Symphoniker in einem Gedenkkonzert zu Ehren der Opfer des Volksaufstandes.[19]

Auszeichnungen

  • 1988 – das Haifa Symphony Orchestra pflanzt ihm zu Ehren 18 Eichen im Jerusalem Forrest[20]
  • 3. April 1993 - Ehrendoktor des Konservatoriums Klausenburg[21]

Werke

  • Erich Bergel: Johann Sebastian Bach, die Kunst der Fuge: ihre geistige Grundlage im Zeichen der thematischen Bipolarität. Brockhaus Musikverlag, Bonn 1980, ISBN 3-922173-00-4 (227 Seiten, graphische Darstellungen, Noten, Literaturverzeichnis Seiten 218 - 224).
  • Erich Bergel: Bachs letzte Fuge. Brockhaus Musikverlag, Bonn 1985, ISBN 3-922173-03-9 (278 Seiten, Noten).

Literatur

  • Hans Bergel: Erich Bergel Ein Musikerleben. In: Musikgeschichtliche Studien. 9, Gehann-Musik-Verlag, Kludenbach 2006, ISBN 3-927293-29-6 (144 Seiten, Illustrationen, Noten).

Einzelnachweise

  1. Renate Windisch-Middendorf: Der Mann ohne Vaterland: Hans Bergel - Leben und Werk. In: Thede Kahl und Larisa Schippel (Hrsg.): Forum: Rumänien. 5, Frank & Timme, Berlin 2010, ISBN 978-3-86596-275-1. Seite 21
  2. Hans Bergel, Musikerleben, 2006, Seite 9
  3. Hans Bergel, Musikerleben, 2006, Seite 13
  4. Hans Bergel, Musikerleben, 2006, Seite 17
  5. Hans Bergel, Musikerleben, 2006, Seite 22
  6. Hans Bergel, Musikerleben, 2006, Seite 40
  7. Hans Bergel, Musikerleben, 2006, Seite 42f
  8. Hans Bergel, Musikerleben, 2006, Seite 44
  9. Hans Bergel, Musikerleben, 2006, Seite 48
  10. Hans Bergel, Musikerleben, 2006, Seite 52
  11. Hans Bergel, Musikerleben, 2006, Seite 56
  12. Hans Bergel, Musikerleben, 2006, Seite 58
  13. Hans Bergel, Musikerleben, 2006, Seite 60ff
  14. Die Chef-Dirigenten der Nordwestdeutschen Philharmonie seit 1950
  15. Website des Kronstädter Forums
  16. Hans Bergel, Musikerleben, 2006, Seite 82
  17. Hans Bergel, Musikerleben, 2006, Seite 81
  18. Hans Bergel, Musikerleben, 2006, Seite 100
  19. Hans Bergel, Musikerleben, 2006, Seite 80
  20. Hans Bergel, Musikerleben, 2006, Seite 82
  21. Hans Bergel, Musikerleben, 2006, Seite 80

Weblinks


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