Ernst Jakob Christoffel

Ernst Jakob Christoffel

Ernst Jakob Christoffel (* 4. September 1876 in Rheydt, heute Mönchengladbach; † 23. April 1955 in Isfahan (Iran)) war ein deutscher evangelischer Pastor. Er war Gründer und langjähriger Leiter der Christlichen Mission im Orient. Die Missionsgesellschaft wurde nach seinem Tod in Christoffel-Blindenmission umbenannt.

Inhaltsverzeichnis

Werdegang und Lebenswerk

Ernst Jakob Christoffel wurde als Sohn einer Handwerksfamilie in Rheydt am Niederrhein geboren. Nach seinem Theologiestudium in Basel fuhr er 1904 als Missionar in den Orient. In Sebaste (heute: Sivas), einer Stadt im Nordosten der heutigen Türkei, übernahm er mit seiner Schwester Hedwig die Leitung zweier Waisenhäuser des Schweizer Hilfskomitees für Armenien. Dort blieben und leiteten sie drei Jahre lang diese Einrichtungen für Opfer der Massaker von 1894 und 1896.

Christoffel beschrieb das Elend der orientalischen Blinden wie folgt: „Die materielle, moralische und religiöse Lage der Blinden ist furchtbar. Der größte Prozentsatz bettelt. Blinde Mädchen und Frauen verfallen vielfach der Prostitution“. Christoffel und seine Schwester entschlossen sich 1906, ihre künftige Arbeit ganz in den Dienst dieser Behinderten zu stellen, nachdem sie weder von christlicher noch von islamischer Seite Hilfe für die Blinden sahen.[1]

Christoffel versuchte vergeblich, kirchliche Einrichtungen in Europa für ein Hilfswerk in dem damaligen Osmanischen Reich zu gewinnen. Seine enttäuschenden Erlebnisse mit dem „Hilfsbund“ veranlassten ihn auf eigene Initiative in Malatia eine Schule für blinde, gehörlose und andere schwerstbehinderte Menschen zu gründen. Dabei unterstützte ihn ein kleiner, stetig wachsender Freundeskreis in Deutschland, Österreich und der Schweiz. Christoffel rettete während des Völkermordes an den Armeniern – oft selbst in Lebensgefahr – das Leben hunderter Verfolgter. Er betreut armenische Waisenkinder, die den Völkermord von 1915 und der folgenden Jahre überlebt hatten. Daraufhin wurde er von den türkischen Behörden ausgewiesen. Mit der Ausweisung aller Deutschen im Jahr 1919 fand Christoffels Arbeit in Malatia ein Ende.

Nach Aufhebung des Reiseverbotes für Deutsche im Jahr 1924 begab sich Christoffel erneut in die Türkei. Doch die neue Regierung verbot ihm, eine weitere Schule zu gründen. Deswegen scheiterte sein Versuch, in Konstantinopel (heute: Istanbul) ein Blindenheim einzurichten. Christoffel wich daher nach Persien aus und errichtete 1925 in Täbris und 1928 in Isfahan Heime für Blinde, Taubstumme, Menschen mit anderen Behinderungen und für Waisenkinder. Die Arbeit wurde durch den Zweiten Weltkrieg unterbrochen. 1943 wurde er von den Alliierten in Persien gefangen genommen, nahezu drei Jahre in verschiedenen Lagern interniert und später nach Deutschland gebracht. Im Juni 1946 wurde er in Hamburg-Neuengamme entlassen. Die Gründe für seine Inhaftierung sind bis heute nicht bekannt. Seine Einrichtung in Täbris wurde in der Zwischenzeit geschlossen, die Einrichtung in Isfahan übernahmen die Briten als Schule für blinde Mädchen.

Christoffel blieb vorerst in Deutschland und richtete 1949 ein Heim für Kriegsblinde in Nümbrecht bei Köln ein. Er setzte jedoch alles daran, in den Orient zurückzukehren. 1951 fuhr er wieder in den Iran und rief in Isfahan mit finanzieller Hilfe seiner schwedischen Freunde eine neue Schule für blinde und andere schwerstbehinderte Männer ins Leben. Als über 70-Jähriger setzte er die Arbeit fort, die er zurückgelassen hatte. Christoffel starb am 23. April 1955 in Isfahan. Seine Einrichtung wurde 1979 nach der islamischen Machtübernahme von den Behörden geschlossen.

Gedenken

Auf seinem Grabstein auf dem armenischen Friedhof bei Isfahan steht in Deutsch, Armenisch und Persisch:

„Hier ruht im Frieden Gottes Pastor Ernst J. Christoffel, der Vater der Blinden, der Niemandskinder, der Krüppel und Taubstummen nach über fünfzigjähriger Pionierarbeit.“

Wirkung

Mit der Schul- und Berufsausbildung von Behinderten widerlegte Christoffel das Vorurteil, dass solche Menschen nicht bildungsfähig seien.

Die nach ihm benannte Christoffel-Blindenmission (CBM) setzt sich bis heute für Schwerstbehinderte in Entwicklungsländern ein. Diese Überzeugung Ernst Jakob Christoffels ist Leitfaden für die Arbeit der weltweit tätigen Christoffel-Blindenmission, die heute eine der zehn größten Hilfsorganisationen in Deutschland ist.

In Österreich führt die Organisation Licht für die Welt mit Sitz in Wien Christoffels Arbeit weiter. Die gehört zu den zehn größten entwicklungspolitischen Organisationen, wie auch zu den zehn größten Spendenwerken in Österreich.

Ehrungen

Einzelnachweise

  1. Hermann Lörner (Hg.): Vom Werden einer Mission; Wuppertal-Bremen: Aussaat, 1948; S. 3. Zur Missionsgeschichte vgl. auch: Fritz Schmidt-König: Ernst J. Christoffel: Vater der Blinden im Orient; Gießen, Basel: Brunnen, 19699; S. 71

Literatur

  • Sabine Thüne: Ernst Jakob Christoffel. Ein Leben im Dienst Jesu; Nürnberg: VTR, 2007; ISBN 978-3-937965-39-0

Weblinks


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