- Essex (Walfänger)
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Die Essex war ein amerikanisches Walfangsegelschiff des 19. Jahrhunderts unter dem Kommando von George Pollard mit Heimathafen Nantucket.
Es wurde um 1800 in Nantucket, Massachusetts, aus Holz als Walfangschiff gebaut und als Bark geriggt. Die Essex war 238 Tonnen schwer, 28 m lang, 8 m breit und 5 m raumtief. Ihre Besatzung betrug 21 Mann. Drei Beiboote für den Walfang waren an Bord. Sie war ein kleines, sehr robustes Schiff mit 19 erfolgreichen Walfangjahren. Später wurde sie zum Vollschiff umgeriggt.
Die Essex ist der bekannteste Fall eines von einem Wal angegriffenen und versenkten Schiffes. Weitere Fälle waren die Pusie Hall (1835), die Two Generals (1838), die Pocahontas (1850) und die Ann Alexander (1851), deren Mannschaft 2 Tage nach dem Untergang geborgen werden konnte.
Berichte über das Unglück lieferten vor allem die Tagebücher des Obermaats Owen Chase und des Kabinenjungen Thomas Nickerson. Dieser Vorfall war die historische Vorlage für Herman Melvilles Roman Moby Dick. Neben Mocha Dick (der Romanvorlage für Moby Dick) gab es weitere Kampfwale wie Timor Jack und New Zealand Tom. Sie zerstörten in Notwehr zum Schutz ihrer Herden meist nur die Walfangboote, aber auch grosse Segler wie die Essex 1820.
Inhaltsverzeichnis
Untergang
Die Essex startete zu ihrer Fangfahrt am 12. oder 19. August 1819 von Nantucket. Nachdem im Atlantik nur einen Teil des Laderaumes mit Waltran gefüllt werden konnte (sieben- bis achthundert Barrels), entschloss sich Kapitän George Pollard, Kap Hoorn zu umsegeln und in den Paarungsgebieten der Wale im Pazifik weiter zu jagen.
Am Morgen des 20. November 1820 hatte die Besatzung im Pazifik, etwa 3700 Kilometer von Südamerika entfernt auf der Position 0° 41′ 0″ S, 118° 0′ 0″ W-0.68333333333333-118 , eine Schule von Walen entdeckt und die Fangboote ausgebracht. Eines der Boote wurde beim Harpunieren von einem Wal attackiert, so dass die Besatzung gezwungen war, die Leine zu kappen. Daraufhin rief Kapitän Pollard die Boote zurück an Bord. Als sie sich der Essex näherten, sahen sie, dass das Schiff bei Windstille und ruhiger See ohne erkennbaren Grund so stark Schlagseite hatte, dass der Unterboden zu sehen war. Die Boote gingen längsseits und die Besatzung versuchte, das volllaufende Schiff durch Kappen der Maste und des Tauwerkes wieder aufzurichten. In diesem Augenblick tauchte ein riesiger Pottwal auf und rammte die Essex. Nachdem er einige Augenblicke wie betäubt neben dem Schiff gelegen hatte, attackierte der Wal den Bug. Dann tauchte er unter dem Schiff hindurch und begann aus einigen hundert Metern Entfernung einen erneuten Angriff vom Bug her. Der Zusammenstoß war so heftig, dass mehrere Planken barsten. Wasser drang in großer Menge in die Laderäume, aber das Schiff hielt sich noch über Wasser und sollte auch die nächsten beiden Tage nicht untergehen.
Die Mannschaft holte alles Nützliche aus der untergehenden Essex und versuchte mit allen Mitteln, die leichten Walfängerboote, welche für hohe Geschwindigkeiten und nicht für wochenlange Reisen gebaut waren, hochseetauglich zu machen. Das Wrack befand sich in unmittelbarer Äquatornähe und die Mannschaft wollte in südliche Richtung bis zum 25. oder 26. Breitengrad segeln, um dort durch Ausnutzung der günstigen Winde die chilenische Küste zu erreichen. Aus der sinkenden Essex retteten sie Frischwasser, insgesamt 195 Gallonen (780 Liter), und zudem 600 Pfund (etwa 280 Kilo) Schiffszwieback.
Nachdem die Mannschaft alles Nützliche gerettet und die Walfängerboote so gut es ging hochseetauglich gemacht hatten, verließen sie am 22. November um 12:30 Uhr das Wrack und segelten gen Süden.
Die Reise in den Walfängerbooten
Nach einer entbehrungsreichen Fahrt von einem Monat erreichten die Schiffbrüchigen die unbewohnte Pitcairn-Insel Henderson. Auf Henderson gibt es nur eine spärlich rinnende Frischwasserquelle am Nordstrand, die zudem bei Flut noch unter dem Wasserspiegel liegt. Einen längeren Aufenthalt auf der unwirtlichen Insel fanden sie daher nicht sinnvoll. Um dem Tod durch Hunger und Durst zu entgehen, brachen sie nach einer Woche in Richtung Osten auf und hofften, die Osterinsel zu erreichen. Drei Besatzungsmitglieder blieben auf Henderson zurück.
Am 12. Januar verlor das Boot, welches unter dem Kommando von Owen Chase stand, den Kontakt zu den anderen beiden Booten. Bald gingen auf diesem Boot die Nahrungsmittel aus und die ersten Männer starben. Da der Hunger inzwischen sehr groß war, gingen Owen und die übrigen Männer dazu über, die Toten zu essen. Es sollte ihr Leben retten, denn durch dieses Fleisch blieben Owen Chase, Benjamin Lawrence (Steuermann eines der Fangboote) und Thomas Nickerson (Kabinenjunge) lange genug am Leben, um am 18. Februar in der Nähe der Juan-Fernández-Inseln vom Schiff Brigg Indian gerettet zu werden.
Auf den anderen beiden Booten herrschten ähnliche Zustände und es wurden auch die Toten verzehrt. Am 28. Januar verlor das Boot von Kapitän Pollard den Kontakt zu dem dritten Boot, von welchem man nie wieder etwas hörte. Auf dem Boot des Kapitäns ging Anfang Februar auch die Nahrung aus, so dass ausgelost wurde, wer erschossen werden sollte. Durch den Tod der Übrigen und diese Auslosung blieben der Kapitän und der Matrose Charles Ramsdell lange genug am Leben, um am 23. Februar kurz vor der chilenischen Küste von der Dauphin gerettet zu werden.
Die drei auf Henderson lebenden Männer (Seth Weeks, William Wright und Thomas Chapple) wurden am 5. April von der Surrey gerettet. Von den 21 Mann überlebten 8 (Kapitän George Pollard, Obermaat Owen Chase, Benjamin Lawrence und Thomas Chapple (Steuerleute der Fangboote), die Matrosen Charles Ramsdell, Seth Weeks, William Wright, der Kabinenjunge Thomas Nickerson ), 7 wurden verzehrt, 3 starben und wurden auf See bestattet, 3 blieben verschollen.
Während ihrer gesamten Reise in den kleinen Walfängerbooten legte die Mannschaft eine Strecke von 3 500 Seemeilen zurück.
Literarisches Nachleben
Der Obermaat des Schiffes Owen Chase verfasste und veröffentlichte bereits im Spätherbst 1821 ein Buch zu den Vorfällen (Narrative of the Most Extraordinary and Distressing Shipwreck of the Whale-Ship Essex, of Nantucket).
Der Walfänger Acushnet, auf dem der Autor Herman Melville 1841 angeheuert hatte, traf nach zehnmonatiger Fahrt kurz südlich des Äquators im Pazifischen Ozean auf das Walfangschiff Lima. An Bord der Lima befand sich William Chase, der damals sechzehnjährige Sohn Owen Chase’. Dieser erzählte Melville vom Untergang der Essex und lieh ihm das Buch seines Vaters aus. Der Untergang der Essex wurde so zum Vorbild von Melvilles Roman Moby Dick.
Literatur
Primärquellen
- Owen Chase: Narrative of the Most Extraordinary and Distressing Shipwreck of the Whale-Ship Essex, of Nantucket; Which Was Attacked and Finally Destroyed by a Large Spermaceti-Whale, in the Pazific Ocean; with an Account of the Unparalleled Sufferings of the Captain and Crew during a Space of Ninety-Three Days at Sea, in Open Boats; in the Years 1819 & 1820. New York 1824; Nachdruck: Harcourt Brace & Co., San Diego 1999, ISBN 0-15-600689-8.
- Owen Chase: Der Untergang der Essex. Piper, Zürich 2002, ISBN 3-492-23514-X.
- Thomas Nickerson: The Loss of the Ship »Essex« Sunk by a Whale and the Ordeal of the Crew in Open Boats. The Nantucket (Massachusetts) Historical Society, Penguin Books, New York 1984, ISBN 0-14043796-7.
- James Erskine Calder (1808-1882): zeitgenössischer Artikel in der tasmanischen Zeitung The Mercury vom 7. Juni 1873, Hobart, Tasmanien.
Sekundärliteratur
- Nathaniel Philbrick: In The Heart of the Sea : The Tragedy of the Whaleship Essex. Viking Penguin, New York 2000, ISBN 0-670891576.
- Nathaniel Philbrick: Im Herzen der See. Die letzte Fahrt des Walfängers Essex. Karl Blessing Verlag, München 2000, ISBN 3-89667-093-X.
- Alan John Villiers: Vanished Fleets - Sea Stories From Old Van Dieman's Land. Garden City Publishing Co., New York 1931; Charles Scribner's Sons (Nachdruck), New York 1975, ISBN 0-684-14112-4.
Weblinks
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