- Europäischer Nationalitätenkongress
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Der Europäische Nationalitätenkongress (ENK) war ein von 1925 bis 1938 bestehender Dachverband nationaler Minderheiten in Europa. In dieser Zeit organisierte er jährliche Tagungen, die unter der gleichen Bezeichnung "Europäische Nationalitätenkongresse" bekannt sind.
Inhaltsverzeichnis
Entstehung und Tätigkeit
Der ENK wurde 1925 vom Deutsch-Balten Ewald Ammende in privater Initiative als Dachverband der nationalen Minderheiten Europas gegründet. Sehr schnell waren in ihm die meisten der teilweise als Ergebnis der Neuordnung Europas nach dem Ersten Weltkrieg entstanden Minderheiten vertreten. Neben den deutschen Minderheiten in den verschiedenen europäischen Staaten waren Ungarn aus Rumänien, Polen aus Deutschland und Litauen, Katalanen aus Spanien, Slowenen aus Italien, Ukrainer und Weißrussen aus Polen, Bulgaren aus Jugoslawien sowie jüdische Minderheiten vertreten.
Ziel des ENK war es, die Öffentlichkeit für das Nationalitätenproblem zu sensibilisieren und die europäischen Minderheiten im internationalen System als eigenständig handelnde politische Akteure zu installieren. Der ENK sah sich damit als Gegenpol zum Völkerbund, da dieser, so die Argumentation, zu stark auf das Nationalstaatsprinzip ausgerichtet sei und damit nicht zu den Verhältnissen in Osteuropa passe. Zwischen 1925 und 1938 organisierte der ENK jährlich stattfindende Kongresse. Zur Lobbyarbeit gehörte aber auch eine rege intellektuelle und publizistische Tätigkeit, so zum Beispiel in der Zeitschrift Nation und Staat.
Der ENK als Instrument deutscher Außenpolitik
In der Anfangsphase war die Arbeit des ENK unabhängig von offiziellen Stellen des Deutschen Reichs und deckte sich auch nicht mit den Zielen der deutschen Außenpolitik, da er die Aufmerksamkeit auf die Minderheiten innerhalb des Reiches lenkte und einen eher emanzipatorischen Ansatz verfolgte. Seine prekäre finanzielle Lage brachte den ENK jedoch in zunehmende Abhängigkeit vom deutschen Auswärtigen Amt, das seit 1927 als Geldgeber auftrat und versuchte, die für eine Revision des Versailler Vertrags eintretenden Kräfte zu stärken. Der ENK wurde so zunehmend zu einem Instrument der deutschen Außenpolitik. Gleichzeitig vollzog sich ein Generationswechsel von demokratischen hin zu antidemokratischen, rechtskonservativen und später auch offen nationalsozialistischen Kräften. 1933 kam es zum Austritt aller jüdischen Minderheitenvertreter und der Vertreter von Minderheiten auf dem Gebiet des Deutschen Reiches. Der Höhepunkt wurde 1935 mit der Besetzung wichtiger Stellen innerhalb des ENK durch die Sudetendeutsche Partei Konrad Henleins erreicht. 1938 fand der letzte Kongress in Stockholm statt.
Beurteilung
An der Entwicklung des ENK zeigt sich das allgemeine Dilemma der Minderheitenorganisationen, die auf der einen Seite legitime Lobbyarbeit betreiben, gleichzeitig aber leicht zu Werkzeugen von Großmachtinteressen werden können. So gehen auch die Beurteilungen der Arbeit des ENK weit auseinander: Von der Würdigung des Beitrages zu Friedenspolitik und Völkerverständigung bis hin zur Verurteilung als ein reines imperialistisch-revisionistisches Instrument der deutschen Regierung.
Weblinks
- Stephanie Zloch: Rezension von Sabine Bamberger-Stemmann: Der Europäische Nationalitätenkongress 1925-1938. In: sehepunkte 2 (2002), Nr. 1
- Velten Schäfer: Sammelrezension Staatliche Revisionspolitik, "Kulturwille" und Irredentismus nationaler Minderheiten im östlichen Mitteleuropa der Zwischenkriegszeit.
Literatur
- Sabine Bamberger-Stemmann: Der Europäische Nationalitätenkongress 1925-1938. Nationale Minderheiten zwischen Lobbyistentum und Großmachtinteressen. Herder-Institut, Marburg 2001, ISBN 3-87969-290-4.
Kategorien:- Europäische Organisation
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